Abschiebungen "nicht vollständig abgeschlossen"

Kungebung gegen die Abschiebungen in der Wiener Innenstadt.
Kungebung gegen die Abschiebungen in der Wiener Innenstadt.APA/HERBERT NEUBAUER
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Die Abschiebung von acht Asylwerbern, die einst die Votivkirche besetzten, wurde am Montag eingeleitet. Unklar ist am heutigen Dienstag, wie viele von ihnen tatsächlich außer Landes gebracht wurden.

Die Abschiebungen mehrerer Asylwerber nach Pakistan sind laut Polizei "noch nicht vollständig abgeschlossen". Die Männer waren im vergangenen Winter unter den Besetzern der Wiener Votivkirche, seit März waren sie nun im Servitenkloster untergebracht. Am gestrigen Montag wurde mit ihrer Abschiebung begonnen, betroffen sind vorerst acht Männer aus Pakistan. Wie viele am Montag bereits abgeschoben wurden, ist unklar, genaue Zahlen werden nicht veröffentlicht. Die Abschiebungen sollen jedenfalls am heutigen Dienstag weitergehen.

Die Polizei erwartet auch weitere Demonstrationen. Auch unter den Unterstützern dürfte man sich nicht ganz sicher sein, wie viele der Asylwerber bereits abgeschoben wurden. Für heute, 19 Uhr, wurden zumindest auf der Website des "Refugee Camp Vienna" weitere Demonstrationen vor dem Polizeianhaltezentrum Roßauer Lände und dem Innenministerium angekündigt, um die "Abschiebung der verbliebenen verhafteten Refugees zu verhindern". Aufregung herrschte indes um ein Video eines Polizeieinsatzes von Montagfrüh vor dem Polizeianhaltezentrum (Mehr dazu).

Zertifikate für weitere zwölf Männer beantragt

Im Servitenkloster sollen sich derzeit noch etwa 40 Asyl-Suchende aufhalten. Zwölf von ihnen müssen sich derzeit zwar täglich bei den Behörden melden, können aber gar nicht abgeschoben werden. Der Grund: Die pakistanische Botschaft in Österreich hat für sie noch keine Heimreisezertifikate ausgestellt. Dies könnte allerdings in den kommenden Tagen geschehen, befürchtet man bei den Betroffenen.

Ob sie ihrer täglichen Meldepflicht nachgekommen sind, ist unklar. Einige sollen ärztliche Atteste vorgewiesen haben, wonach eine tägliche Meldung aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sei, hieß es aus deren Umfeld. Die Heimreisezertifikate gelten ab Ausstellung einige Wochen lang. Sind diese erst einmal vorhanden, liegt es im Ermessen der Fremdenpolizei, wie schnell die Flüchtlinge in Schubhaft genommen und schließlich abgeschoben werden.

Neue Verhaftungen im Servitenkloster

Im Servitenkloster ist es unterdessen zu weiteren Festnahmen gekommen sein - allerdings nicht in Zusammenhang mit den derzeit laufenden Abschiebungen. Drei Personen wurden von Polizisten Dienstagnachmittag wegen des Verdachts der Schlepperei festgenommen. (Mehr dazu).

Noch am Vormittag hatte die Caritas gegenüber DiePresse.com bestätigt, dass es im Kloster einen Polizeieinsatz gegeben habe. Auf Twitter waren Gerüchte von Festnahmen weiterer Asylwerber lautgeworden. Dies verneinte die Caritas allerdings, es sei nur um einen Nachbarschaftsstreit gegangen - ein Anrainer soll mit seinem Auto bei der Wegfahrt behindert worden sein und deshalb die Polizei gerufen haben.

"Die Presse" beantwortet die wichtigsten Fragen zu dem Fall:

1. Warum findet die Abschiebung jetzt statt?

Kritiker glauben, der Zeitpunkt für die Abschiebung sei jetzt gekommen, weil sich das ÖVP-geführte Innenministerium für die Nationalratswahlen im Herbst profilieren wolle. Die Wiener Polizeispitze, die diese Maßnahme gemäß Bescheid des Asylgerichtshofs ausführen muss, hat jedoch den Ruf, eher SPÖ-nahe zu sein. Polizeipräsident Gerhard Pürstl sagt jedenfalls: „Der Vorwurf ist aus der Luft gegriffen.“

Tatsächlich hat Pakistans Botschaft erst vorige Woche die Rückübernahmezertifikate ausgestellt, ohne die keine Abschiebung möglich ist. Die Papiere sind nur kurze Zeit gültig, also führt die Fremdenpolizei ihren Auftrag jetzt durch. Ein übliches Prozedere.

2. Ist Pakistan für die Abgeschobenen nun sicher oder nicht?

Niemand im Innenministerium will (und kann) verbindlich sagen, ob den Abgeschobenen im von den Taliban und anderen Extremisten heimgesuchten Pakistan etwas zustößt oder nicht. Schwer zu erklären ist auch, warum das Außenministerium Österreichern davon abrät, das Land wegen der schwierigen Sicherheitslage zu besuchen, abgewiesene Asylwerber aber eben dorthin zurückgeschickt werden. Dennoch gibt es dafür im Rechtsgefüge eines Asylverfahrens Gründe. Demnach ist es praktisch nicht relevant, ob ein Land als Ganzes gefährlich ist, oder nicht.

Relevant ist die individuelle Betroffenheit des Asylwerbers. Um in Österreich Schutz zu bekommen, muss er oder sie als Person durch das „System“ bedroht sein. Im Verfahren ist auch zu klären, ob es für die Betroffenen eine innerstaatliche Fluchtalternative gibt. Nach Ansicht österreichischer (und internationaler) Behörden ist eine solche in Pakistan vorhanden. In anderen Worten: Wer nicht von der Regierung wegen seiner politischen oder religiösen Überzeugung verfolgt wird, kann sich zumindest vor den Taliban in der Region Punjab oder der Hauptstadt Islamabad verstecken.

3. Wie oft schiebt Österreich Asylsuchende nach Pakistan ab?

Im ersten Halbjahr wurden heuer 16 Menschen nach Pakistan abgeschoben, 49 gingen freiwillig zurück. Damit kehrt nur ein geringer Anteil zurück: Bis 30.Juni haben heuer 629 Personen aus Pakistan Asyl in Österreich beantragt, das in etwa einem Prozent der Fälle auch gewährt wurde. Gesamt wurden heuer 859 Asylanträge von Pakistanis bearbeitet (darunter auch Anträge aus dem Vorjahr), 773 wurden abgelehnt, in zehn Fällen wurde rechtskräftig Asyl, in fünf Fällen subsidiärer Schutz gewährt.

76 Verfahren wurden ohne Bescheid beendet. Weil, so heißt es im Innenministerium, „die Person nicht greifbar war“. Der Großteil der pakistanischen Asylwerber mit negativem Bescheid hält sich nach wie vor in Österreich auf. In diesen Fällen, so Ministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck, sei die „Fremdenpolizei noch mit der Rückreise befasst“. Pakistan gilt als eines jener Länder, die eine Rückkehr häufig verweigern. Abgewiesene Asylwerber, die nicht zurückreisen können, tauchen teils in die Illegalität ab, werden von Hilfsorganisationen unterstützt oder reisen aus. Nur wenn die Fremdenpolizei eine „Duldungskarte“ ausstellt, sind Asylwerber trotz negativen Bescheides durch die Grundversorgung abgesichert. Ein Prozedere, das für solche Fälle vorgesehen wäre, aber selten greift: 2012 wurden – quer über alle Herkunftsländer – rund 250 Duldungskarten ausgestellt. Die Zahl der Betroffenen liegt deutlich darüber.

4. Wie geht es für die Abgeschobenen in Pakistan weiter?

Die österreichischen Polizisten begleiten abgewiesene Asylwerber bis zum Grenzübergang, an dem sie in ihre Heimat einreisen und „übergeben“ diese an dortige Beamte, lassen Heimreisezertifikate abzeichnen und reisen zurück. Was dann passiert, unterscheidet sich von Fall zu Fall, heißt es bei der Caritas. Einige Abgeschobene würden befragt, verhört, manche können die Grenze passieren und sind dann auf sich gestellt. Es komme aber vor, zuletzt in Tschetschenien, auch aus Nigeria seien Fälle bekannt, dass Abgeschobene, die politisches Asyl beantragt hätten, auf dem Flughafen verhaftet werden.

Asylwerber, die sich zur freiwilligen Rückkehr entscheiden, erhalten finanzielle Starthilfe durch Österreich – je nach Land in unterschiedlicher Höhe: Im Fall von Pakistan sind es derzeit 300 Euro.

5. Was passiert mit den im Servitenkloster verbliebenen Asylwerbern?

Aktuell sind laut Caritas noch 40 Asylwerber im Servitenkloster. Ursprünglich waren es 57, in 31 Fällen liegt ein negativer Bescheid vor. Die übrigen Verfahren laufen, sagt Caritas-Expertin Kathrin Hulla. Jene Asylwerber, die bereits abgewiesen wurden, haben teils Anträge auf Duldung gestellt. Duldungskarten können auch ausgestellt werden, wenn Leib und Leben in Gefahr sind. Oder wenn sich die Lage im Heimatland geändert hat.

6. Hätte die Innenministerin die Abschiebung stoppen können?

Nur theoretisch. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ist als Ressortchefin weisungsbefugt. Weisungen müssen aber im Rahmen der Gesetze stattfinden. Mit dem Vorliegen der Rückübernahmezertifikate entstand für die Polizei die Pflicht, die negativen Asylbescheide zu vollziehen und die Betroffenen entweder freiwillig zur Ausreise zu bewegen oder entsprechende Zwangsmaßnahmen zu setzen.

(awe/cim/APA/Red.)

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