Anlagebetrug, "ministerial geprüft"

Anlagebetrug ministerial geprueft
Anlagebetrug ministerial geprueft(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Eine Gruppe von Finanzjongleuren brachte Dutzende private Anleger um hohe Summen. Ein Ministerialrat aus dem Umweltressort verlieh dem Treiben eine seriöse Note. Die Spur endet bei im Schwarzgeldparadies Zypern.

Während sich in den Jahren 2009 und 2010 Milliarden von Euro auf den Finanzmärkten buchstäblich in Luft auflösten, versprach eine Gruppe von in Wien ansässigen Finanzjongleuren ihren Kunden fantastische Renditen. Mehrere Dutzend privater Anleger schluckten die Köder, investierten jeweils zwischen wenigen hundert und mehreren zehntausend Euro.

2013 ist die Euphorie verflogen. Keiner von ihnen hat vom einbezahlten Kapital auch nur einen Cent wiedergesehen. „Die Presse am Sonntag“ stieß im Zuge von Recherchen auf eine Geschichte, in der ein angeblicher Milliardenjongleur, ein mittelständischer Unternehmer, und ein ehrwürdiger Ministerialrat aus dem Umweltministerium vorgaben, am ganz großen Rad zu drehen. Eine Geschichte, in der vieles darauf hindeutet, dass das verschwundene Geld in treuhändisch verwalteten Firmenkonstruktionen im Schwarzgeldparadies Zypern versickert ist.

Begonnen hat die Geschichte im Milieu der börsenbegeisterten Privatanleger, die sich in Vereinen organisieren, bei Seminaren treffen und gemeinsam vom großen Geld träumen. In diesem Umfeld bewegte sich auch Rene Kern*. Der angesehene Ministerialrat aus dem Umweltressort fiel dort durch kompetentes Auftreten auf. Schnell kam man ins Gespräch und tauschte sich über Möglichkeiten aus, auch in schwierigen Zeiten zuverlässig Geld zu vermehren. Kern hatte die Lösung: „todsichere Investments“ in Stiftungen und Programme, für die er die Investoren exklusiv aussuche.

Sagenhafte Prognosen. Die zahlreichen Charts und Programme, die er den Interessierten vorlegte, waren beeindruckend. Eigentlich zu beeindruckend, um wahr sein zu können. Doch die Börsenfans, unter ihnen Akademiker und Unternehmer, witterten fette Beute. Bei einem Produkt sollte das Investment von 3440 Euro nach 21 Monaten von der „Money4Future“-Stiftung wieder ausbezahlt werden. Nach zehn Jahren bestehe dann Anspruch auf eine monatliche Rente in Höhe von 2800 Euro bis ans Lebensende. Ein anderer Ansparplan mit dem Namen ITC 2A garantierte die Rückzahlung des Investments von 15.000 Euro nach einem Jahr. Verzichtete man darauf, sollte das Guthaben nach vier Jahren 157.400 Euro betragen.

Kern vermittelte den Interessierten den Eindruck, dass allein er darüber entscheide, wer sich an den Investments, die Gelddruckmaschinen glichen, beteiligen dürfe. Abhängig von der Summe, mit der die Anleger einstiegen, verlangte er Geld, sogenannte Info-Gebühren. Die Höhe betrug je nach Anlageform zwischen einmalig 330 Euro und 4600 Euro pro Jahr. Dafür erhielten Kunden eine Informationsmappe, ein Informationsgespräch sowie den Kontakt zu jenen Personen, die das eigentliche Investment abwickelten.

Neben Kern dürften in der Szene noch andere Vermittler aufgetreten sein. Im Zuge der Recherchen stellte sich heraus, dass die Staatsanwaltschaft Wien und das Landeskriminalamt in diesem Zusammenhang seit April 2012 ein Ermittlungsverfahren wegen schweren Betrugs führen. Insgesamt haben sich 46 Geschädigte dem Strafverfahren angeschlossen. Über einen Informanten gelang es, Einsicht in die Protokolle mehrerer Zeugenvernehmungen zu bekommen. Aus ihnen geht hervor, dass Kern bei der Bewerbung der fragwürdigen Finanzprodukte besonders dreist aufgetreten sein dürfte.

Unabhängig voneinander und unter Wahrheitspflicht sagten Betroffene aus, dass Kern seine berufliche Stellung dazu benutzte, um die Investments als sicher darzustellen. Die Programme seien „auf ministerialer Ebene geprüft“ worden, zitiert ihn ein Geschädigter bei einer Befragung. Ein anderer berichtete den Spezialisten der Wirtschaftsabteilung davon, dass ihn Kern zu sich ins Amtsgebäude an der Stubenbastei in der Wiener Innenstadt einlud. Dort bekam der Interessent Präsentationen von energieautarken Dörfern und Windkraftanlagen vorführt, mit denen sich Kern im Zuge seiner Arbeit im Ministerium beschäftige. Und an eben diesen Projekten könne man sich nun über eine Firma namens Refinance Consulting Cyprus (kurz: RCC Ltd.) im Rahmen einer Stiftung beteiligen.

Das machte Eindruck. Immerhin versieht Kern laut Amtskalender in einer Abteilung des Ministeriums Dienst, die sich genau mit diesen Themen beschäftigt. Gleichzeitig sitzt er in einem der vielen Senate der Disziplinarkommission des Hauses. „Für mich gab es keinen Grund, an der Glaubwürdig von Kern zu zweifeln“, sagt einer der Geschädigten. „Er trat seriös auf, vermittelte den Eindruck zu wissen, wovon er spricht. Und der Hinweis darauf, dass auch das Umweltministerium selbst Interesse an der Anlageform zeigte, machte die Angelegenheit glaubwürdig.“

Im Vertrauen auf die Zuverlässigkeit des honorigen Beamten begann das Geld zu fließen. Zunächst die „Infogebühren“ für Kern auf ein Konto der Easybank. Dafür trudelte später bei den Anlegern die Vertragsmappe ein.

Verschickt wurden die Papiere 2009 von Kerns Geschäftspartnern Matthias Konrad* und Kurt Ferlitsch*. Ferlitsch gab sich gegenüber den Investoren als der Geschäftsbefugte des Investmenthauses RCC Ltd. aus, der mit „Milliardenbeträgen an der Börse hantiert“. In die Vertragsunterlagen schrieb er Passagen wie: „Bitte beachten Sie, dass Ihr Investment dem ,US Patriot Act of 2001‘ entspricht.“ Der Patriot Act ist ein Bundesgesetz, das nach den Terroranschlägen von 2001 die Bürgerrechte einschränkte. Mit Investments in Ökodörfer hat er nichts zu tun.

Heute geben die meisten Opfer zu, die Unterlagen gar nicht genau gelesen zu haben. Das einnehmende und vertrauenerweckende Auftreten des Ministerialrates hätte ihnen gereicht.

Und wieder floss Geld. Dieses Mal betraf es die eigentlichen Investments, die auf das Bankkonto der RCC Ltd. zu überweisen waren. Je nach Quelle dürfte es sich um eine Gesamtsumme zwischen 260.000 und vier Millionen Euro gehandelt haben. Das Depot führte die zypriotische Filiale der griechischen Alpha Bank in Larnaka. Während die Zeit verging, sollte sich das Geld dort vermehren. Nach Ende der 21 Monate wollten die Ersten – wie vertraglich vorgesehen – ihr Kapital zurück.

Ferlitsch hatte plötzlich alle Hände voll zu tun, seine Kunden bei Laune zu halten. Er schrieb unzählige E-Mails zur Beruhigung. Den einen erklärte er, dass sich die Investments vervielfacht hätten, aber nicht unmittelbar abrufbar wären. Anderen schrieb er von Problemen mit ausländischen Partnern und Banken. Und wieder andere traf er persönlich, spielte ihnen in der Lobby des Wiener Luxushotels Imperial den abgebrühten Broker-Profi vor, der zur Ruhe riet.

Bis heute ist von dem Geld nichts mehr aufgetaucht. Briefe der „Presse am Sonntag“ an die angebliche RCC-Geschäftsadresse auf Zypern blieben unbeantwortet, die in Geschäftspapieren angegebenen E-Mail-Adressen sind nicht mehr aktiv. Ferlitsch, der angeblich mit Milliarden jongliert hat, gebärdet sich derzeit nach außen hin als Sozialfall. Konrad, der mit seiner Firma den Gewerbeschein für die Geschäfte zur Verfügung stellte, ist nicht erreichbar und Ministerialrat Kern froh, dass er Beamter ist. „Jede andere Firma hätte mich wohl längst hinausgeworfen“, sagt er im Interview. Mit der Kritik der geprellten Investoren müsse er nun leben, allerdings, betont er, sei er ja selbst Geschädigter und damit Opfer. Seine Partner, glaubt er, hätten ihn und seine Stellung ausgenutzt, die Investoren allesamt gewusst, dass es auch Risken gibt. Und: „An Verkaufsgespräche im Ministerium kann ich mich nicht erinnern.“

Auch sein einstiger Partner Ferlitsch gibt den Ahnungslosen. Keinen Cent will er mit den RCC-Investments verdient haben, von Betrug könne deshalb keine Rede sein. Alle Fäden seien bei Matthias Konrads Firma zusammengelaufen. Der jedoch scheint wie vom Erdboden verschluckt, seine Firma ist laut Handelsregister zahlungsunfähig.

Zyperns Gesetze machen die Mauer. Dabei gibt es Dokumente, die auch für das Landeskriminalamt Wien von Interesse sein könnten. Die „Presse am Sonntag“ ist im Besitz der Kopie einer Vollmacht, die Kurt Ferlitsch zum „Direktor“ der RCC Ltd. in Österreich bestellt und ihm alle Rechte und Pflichten zur Führung der Geschäfte überträgt. Im Interview räumt Ferlitsch ein, „einmal in Zypern gewesen zu sein, um in einer Kanzlei irgendwelche Papiere zu unterschreiben“.

Diese Papiere haben es in sich. Sie tragen nämlich auch die Unterschrift jenes Mannes, der Ferlitsch die Geschäftsbefugnis für RCC Ltd. überträgt: Iosif F. Er führt eine der größten Anwaltskanzleien auf Zypern. Sie bietet ausländischen Investoren ein besonderes Rundumservice: das treuhändische Gründen und Verwalten von Firmen. Die Zypern-Limited ist eine weltweit beliebte Unternehmensform, um Gelder diskret und steuerschonend zu verwalten. Ein Grund, warum die Insel bis zum Finanzcrash im Frühling 2013 bei Anlegern so beliebt war. Gesellschafter können sich nämlich in allen Organen des Unternehmens von Treuhändern vertreten lassen, scheinen nie auf. Die dazugehörigen Konten waren bis vor Kurzem vom Bankgeheimnis geschützt.

Auf der Website von F.s Kanzlei wirbt dieser damit, für 540 Kunden Firmen zu führen, „aus Russland, der Ukraine und Österreich“.

*Namen von der Redaktion geändert.

Warum Zypern? Die RCC Ltd. ist ein Unternehmen zypriotischen Rechts. Die Zypern Limited wird gern zur Vermeidung von Steuern innerhalb komplizierter Firmenkonstruktionen verwendet. Zudem gab es in Zypern bis zum Finanzcrash ein starkes Bankgeheimnis für Firmenkonten. Weiters können Treuhänder praktisch alle Organe einer Zypern Limited besetzen, die eigentlichen Eigentümer treten niemals in Erscheinung. In- und außerhalb Zyperns gibt es mehrere Kanzleien, die Kunden Rundumservice zur Gründung und Betreuung solcher Firmen bieten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2013)

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