Jagd auf Wilderer: Polizei findet verbrannte Leiche

Amoklauf Mutmasslicher Taeter laut
Amoklauf Mutmasslicher Taeter laut(c) APA (Georg Hochmuth)
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In Niederösterreich tötete ein mutmaßlicher Wilderer drei Polizeibeamte und einen Sanitäter, ehe er sich in seinem Hof verschanzte. Gegen Mitternacht entdeckte die Polizei seine verbrannte Leiche in einem geheimen Raum seines Anwesens.

Der mutmaßliche Wilderer, der am Dienstag in Niederösterreich die Einsatzkräfte in Atem gehalten hatte, ist offenbar tot. Der Mann hatte in Annaberg in der Nacht auf Dienstag zwei Polizisten und einen Sanitäter getötet. Einen weiteren Polizisten nahm er als Geisel, dieser wurde Dienstagnachmittag tot gefunden. Gegen Mitternacht entdeckten nun die Einsatzkräfte in einem Geheimraum im Anwesen des Täters eine stark verbrannte Leiche. Bei dieser dürfte es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um den 55-Jährigen Alois H. handeln.

Am Hof in der Ortschaft Großpriel bei Melk hatte sich der Mann stundenlang verschanzt. Für die Durchsuchung des Anwesens brauchte die Sondereinheit Cobra rund sechs Stunden. Insgesamt standen 135 Beamte der Sondereinheit und 200 Exekutivkräfte im Einsatz.

APA/ROBERT JAEGER

Leiche in "entsprechendem Zustand"

In einem Gang auf dem weitläufigen Anwesen ließ sich eine Wand wegdrücken, wodurch man in den Geheimraum gelangte. "Die Einsatzkräfte haben die Tür geöffnet und wollten in den Raum eindringen, im Raum selbst hat es aber gebrannt", so Polizeisprecher Roland Scherscher bei einer Pressekonferenz in Melk. Der zuströmende Sauerstoff hatte die Flammen zusätzlich angefacht. Als das Feuer gelöscht wurde, "konnte eine verbrannte männliche Leiche entdeckt werden", sagte Scherscher.

Die stark verbrannte Leiche war laut Polizei in einem "entsprechenden Zustand". Obwohl es kaum Zweifel gibt, dass es sich dabei um den 55-Jährigen handelt, wurde dadurch die Feststellung der Identität und der Todesursache erschwert. "Wir sind froh, dass wir den Einsatz nach 24 Stunden beenden konnten", sagte Scherscher.

Die Durchsuchung des Anwesens, es war zweigeschoßig, sehr verwinkelt mit zahlreichen Räumen und sehr vollgeräumt, war äußerst kompliziert und risikoreich. Entsprechend vorsichtig ging man vor: Der Täter hätte "hinter jeder Ecke lauern können". "Bei der Durchsuchung hat es keinen Schusswechsel gegeben." Das Feuer dürfte gelegt worden sein, und habe bereits längere Zeit gebrannt, als die Cobra den Geheimraum entdeckte. Dieser befand sich im Kellergeschoß. Wozu der Raum genutzt wurde, konnte Scherscher nicht sagen. "Das Haus ist vollständig durchsucht." Informationen über Waffen gab es vorerst keine, da der Zweck der Durchsuchung das Auffinden des mutmaßlichen Schützen war.

Straßensperre mit Cobra-Unterstützung

Was war passiert? In der Nacht auf Dienstag hatte die Polizei Hinweise erhalten, dass ein seit Jahren gesuchter Wilderer wieder in den Wäldern um die Gemeinde Annaberg an der niederösterreichisch-steirischen Alpengrenze unterwegs ist. Seit 2005 hatte ein Unbekannter in dieser gebirgigen und waldreichsten Region der Republik mindestens acht Hirsche illegal erlegt, ihren Kopf abgetrennt und den Kadaver zurückgelassen.

Täter selbst Jäger

Wie die "Presse" erfuhr, hat der mutmaßliche Wilderer Alois H. selbst einen Jagdschein und ein Revier. Der allein lebende Mann - Jahrgang 1958 - darf dort aber offenbar nur Jagd auf "Niederwild", also etwa Rehe, Hasen oder Fasane, machen. Er ist legal im Besitz von sechs Waffen, vor allem für die Jagd.

Er soll seit längerem in der Gegend gewildert haben. Den Grund dafür erklärte ein Polizeisprecher so: "Weil er in seinem eigenen Revier keine Hirsche hat." Zuvor habe gegen den Transportunternehmer aber kein Verdacht bestanden, die Ermittlungen liefen gegen unbekannte Täter. Nun werden H. neun Fälle zugeordnet.Seit 2009 bearbeitet eine Sonderkommission den Fall, zunächst wurde gegen unbekannt ermittelt. Und da es diesmal nun, dank der Meldung eines verdächtigen Fahrzeugs auf einer Forststraße, eine konkrete Chance gab, den Wilderer noch in der Tatnacht bewaffnet zu stellen, waren auch mehrere Beamte des Einsatzkommandos Cobra im Einsatz. Gegen ein Uhr früh hatte die Polizei eine Straßensperre errichtet.

Schuss durchschlug Schutzweste

Doch Alois H. wollte sich nicht stellen. Der 55-Jährige durchbrach bei Annaberg bei der L101 mit seinem Auto die Sperre und soll daraufhin das Feuer aus einem Gewehr mit Kaliber 7,62 Millimeter eröffnet haben. Einer der Cobra-Beamten wurde durch seine Schutzweste angeschossen – er verblutete. Von seinem hinter der Sperre im Straßengraben feststeckenden Wagen aus soll H. weitergeschossen haben – auch auf ein Rettungsauto, das zur Hilfe herangerufen worden war. Dabei traf er einen 70-jährigen Sanitäter. Der Mann, der vor 32 Jahren die Rotkreuz-Station in Annaberg mitgegründet hatte, starb noch am Tatort, ein weiterer Beamter wurde verletzt.

Das Auto des Täters.
Das Auto des Täters.(c) APA (BMI)

H. dürfte dann rund einen Kilometer zu Fuß durch den Wald geflüchtet sein. Auf einer anderen Straße überfiel er eine Polizeistreife mit zwei Beamten aus dem Bezirk Scheibbs. Einen der Männer soll H. sofort mit einem Kopfschuss getötet haben – den zweiten nahm er als Geisel in dem Streifenwagen mit zu seinem Wohnhaus im 60 Kilometer entfernten Melker Ortsteil Großpriel. Dort, in der Garage des Hofs, sollten Cobra-Beamte die Leiche des Polizisten später in dem Streifenwagen finden.

Die Opfer

Die Opfer waren allesamt Familienväter: Auf Seite der Polizei starben ein 38-jähriger Revierinspektor (Roman Baumgartner), der für die Cobra im Einsatz stand, sowie zwei Polizisten, die als Gruppeninspektoren im Bezirk Scheibbs tätig waren (Manfred Daurer, 44 Jahre, und Johann Ecker, 51 Jahre). Rotkreuz-Rettungssanitäter Johann Dorfwirth, 70 Jahre alt und 32 Jahre im Dienst, verlor ebenfalls sein Leben.

Noch am Vormittag hatte die Polizei die Medien gebeten, einige Details nicht zu veröffentlichen – um eventuelle Geiseln zu schützen, die der Mann möglicherweise bei sich haben könnte. Erst im Lauf des Nachmittags wurden die vier Toten offiziell bestätigt. Ein Verhandlungsteam versuchte, Kontakt mit dem 55-Jährigen aufzunehmen, auch Verwandte versuchten, ihn telefonisch zu erreichen. Doch der Mann reagierte vorerst nicht. Auch soll er mehrere Schüsse abgegeben haben – zur Verstärkung rückten sogar zwei Schützen- und ein Pionierpanzer des Bundesheeres an.

REUTERS

Die Panzerfahrzeuge wurden eingesetzt, weil sie den besten Schutz bei der Annäherung boten, wurde vonseiten der Einsatzkräfte betont. Es handelte sich um eine sicherheitspolizeiliche Assistenzleistung, am Polizeieinsatz selbst waren keine Soldaten beteiligt.

Stundenlang in Hof verschanzt

H. verschanzte sich in seinem Hof, seit Dienstag 7 Uhr morgens war er von etwa Hundert Polizisten umstellt. Nachbarn mussten ihre Häuser verlassen. Am frühen Dienstagabend, um ca. 18.20 Uhr begann der Einsatz der Cobra und dauerte rund sechs Stunden, ehe von der Polizei der Fund einer verbrannten Leiche vermeldet wurde.

Flucht von Annaberg nach Großpriel

Annaberg liegt auf fast 1000 Meter Seehöhe im südlichen Mostviertel, hat jedoch mit der typisch sanfthügeligen Landschaft nicht viel zu tun. Die Gemeinde zählt zwar nur knapp mehr als 500 Einwohner, erstreckt sich jedoch über 63 Quadratkilometer (Wien: 415). Über 80 Prozent der Fläche sind bewaldet, nur noch wenige Straßen und ein Schienenstrang, den die Mariazellerbahn benützt, schneiden durch schluchtartige Täler.

Großpriel ist eine zur Bezirkshauptstadt Melk zugehörige Katastralgemeinde, die aus lediglich einigen Häusern bzw. Bauernhöfen besteht. Der Weiler liegt nur rund einen Kilometer südlich der Westautobahn (A1) und zwei Kilometer vom Wachauring entfernt am Rande eines ausgedehnten Waldgebietes.

Die kürzeste Straßenverbindung von Annaberg nach Großpriel führt über die Bundesstraße B25 via Puchenstuben, Scheibbs und Wieselburg. Laut Routenplaner ist die Strecke knapp 62 Kilometer lang.

(APA/gr/Red.)

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