Verfassungsschutz: Immer mehr Staatsfeinde im Visier

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Islamismus; jihadistisch; Jihadisten; Verfassungsschutz; BVT; Staatsfeind; Terrorismusbekämpfung; Terrrorismus(c) Die Presse Grafik
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Besondere Ermittlungsmaßnahmen gegen Jihadisten sowie rechts- und linksextreme Gruppen stiegen von 2011 auf 2012 um fast 50 Prozent. Die Prognose für heuer sieht ganz ähnlich aus.

Wien. Österreichs Verfassungsschutz hat immer mehr zu tun. Dies ist einer aktuellen Statistik des Rechtsschutzbeauftragten des Innenministeriums zu entnehmen. Die grundrechtssensible Beobachtung staatsfeindlicher Gruppen – seien es islamistisch-jihadistische Gruppen, seien es rechts- oder linksextreme Netzwerke – nahm um fast 50 Prozent zu.

Welche Organisationen das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und seine Ableger in den Ländern 2012 beschäftigten, kann jeder Bürger im öffentlichen und sehr allgemein gehaltenen Jahresbericht der Behörde nachlesen. Die Informationen darüber, in welchem Ausmaß das Amt ohne richterliche Begleitung Gefährdern und Verdächtigen mit besonderen Methoden zu Leibe rückt, laufen bei einer einzigen Person zusammen. Und einmal im Jahr entsteht daraus ein Bericht.

Manfred Burgstaller ist seit 2009 unabhängig gestellter Rechtsschutzbeauftragter des Innenressorts. Wenn das BVT filmt, fotografiert, ortet oder lauscht, ohne dass das vorher von einem Richter genehmigt wurde, landet der Antrag dafür auf dem Tisch des emeritierten Professors für Strafrecht.

„Erheblicher Anstieg“

In der Fachsprache heißt dieses Maßnahmenpaket erweiterte Gefahrenerforschung. Darunter versteht man die Beobachtung von Gruppierungen oder Einzelpersonen, gegen die (noch) nichts Konkretes vorliegt, von denen der Staatsschutz aufgrund ihrer Lebensgeschichte aber annimmt, dass sie irgendwann einmal eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen könnten. Die Dauer der Maßnahme ist – mit zwei möglichen Verlängerungen – auf höchstens neun Monate begrenzt.

In den vergangenen Jahren bewegte sich die Zahl der beim Rechtsschutzbeauftragten vorgelegten Anträge stets auf ähnlichem Niveau. 2012 jedoch gab es, wie Burgstaller in seinem Bericht schreibt, „einen erheblichen Anstieg“. Nämlich von 46 auf 68 Meldungen. Das entspricht einem Zuwachs von fast 50 Prozent. Die Gründe sind unklar. Weder Burgstaller noch das BVT äußern sich dazu. Eine Interpretation der Daten deutet jedoch darauf hin, dass schlichtweg der Bedarf steigt. Unter Beamten des Staatsschutzes gilt Burgstaller als strenge Instanz. Anträge sind demnach extrem detailliert zu begründen. Und dennoch wurde im Berichtszeitraum nur ein einziger zurückgewiesen.

Insgesamt mögen 68 Anträge auf erweiterte Gefahrenerforschung gering erscheinen. Trotzdem hat die Zahl Gewicht, besteht die Maßnahme doch aus Methoden, die zum Teil tief in die Grundrechte der Observierten eingreifen. Und das, obwohl ihnen kein direkter Zusammenhang mit einer Straftat nachzuweisen ist. Das Paket umfasst Observationen und verdeckte Ermittlungen, das heimliche Fotografieren, Filmen und Belauschen von Zielpersonen sowie die Erlaubnis, auch Ton-, Bild- und Filmmaterial zu verwenden, das Dritte angefertigt haben.

Eingesetzt wurde die erweiterte Gefahrenerforschung im Wesentlichen gegen vier Strömungen: islamistische Jihadisten, ausländische, aber in Österreich tätige Separatisten wie die kurdische PKK, sowie links- und rechtsextreme Organisationen. Die Begründungen für alle 68 Anträge sind geheim. Der Bericht lässt jedoch durchblicken, dass annähernd zwei Drittel aller Überwachungen islamistische Extremisten betreffen.

Syrien-Kämpfer noch unberücksichtigt

Dabei ist davon auszugehen, dass sich der deutliche Zuwachs der Fallzahlen an erweiterter Gefahrenerforschung auch im laufenden Jahr 2013 fortsetzen dürfte. Anfang September hatte „Die Presse“ nämlich enthüllt, dass nach Erkenntnissen des BVT inzwischen mehrere Dutzend Sympathisanten aus Österreich an der Seite von al-Qaida-nahen Gruppen in Syrien gegen das Assad-Regime kämpfen.
Ein gutes Dutzend dieser Kämpfer ist inzwischen wieder nach Österreich heimgekehrt. Bei den meisten reichen die Beweise dafür jedoch (noch) nicht aus, um sie anzuklagen. Also sieht sich der Staatsschutz gezwungen, sie auf freiem Fuß zumindest im Auge zu behalten.

Das Gleiche gilt für Organisatoren und Teilnehmer eines Treffens von Salafisten in Wien. Vergangenen Samstag trafen unter Anleitung fünf umstrittener Prediger bis zu 100 Personen in einem Favoritner Veranstaltungszentrum und in einer Moschee in der Leopoldstadt zusammen. Zweck des Treffens war das Sammeln von Geld und Sachspenden für Glaubensbrüder in Syrien. Der Verfassungsschutz befürchtete im Vorfeld, dass die Zusammenkunft auch der Rekrutierung von Kämpfern dienen sollte.

Zahl Staatsfeinde steigt
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 18. Oktober 2013)

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