Verkehr: Experten für bessere Überwachung

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Die Sicherheit auf Österreichs Straßen lässt zu wünschen übrig, sagen Experten. Sie fordern von der Polizei mehr Maßnahmen. Jedoch: Die Datenlage lässt auch andere Schlüsse zu.

Wien. Es geht wieder bergab. So lautet das vereinfachte Fazit einer Expertentagung zum Thema Unfälle im Straßenverkehr. Nach Jahren sinkender Unfall- und Opferzahlen ist es um die Sicherheit auf Österreichs Straßen wieder schlecht bestellt, sagen Techniker, Unfallforscher und Psychologen. Sepp Snizek, stellvertretender Vorsitzender der Forschungsgesellschaft Straße – Schiene – Verkehr (FSV), wählt drastische Worte: „2012 war eine Trendumkehr. Die Zunahme der Unfallzahlen hat uns um fünf Jahre zurückgeworfen.“
Die FSV, eine Vereinigung von rund 1300 Fachleuten, die unter anderem Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen erarbeitet, zieht deshalb den Schluss: Die polizeiliche Überwachung der Regeln auf der Straße muss Autofahrer, aber auch Motorrad- und Lkw-Lenker stärker disziplinieren.

Als Indiz für die im internationalen Vergleich schlechte Lage dient der FSV neben den Unfallzahlen das Verkehrssicherheitsranking der EU, das die Zahl der jährlichen Unfalltoten pro Millionen Einwohner ausweist. Mit 63 Toten pro Million rangiert Österreich auf dem mäßigen 16. Platz. Tendenz: fallend.

Zweifelhafte Zahlenspiele

Sieht man jedoch genauer hin, kann man die Zahlen, die Snizek und seinen FSV-Mitstreitern (darunter die Verkehrspsychologen Ralf Risser und Bettina Schützhofer sowie Armin Kalteneger vom Kuratorium für Verkehrssicherheit) als Argument für eine stärkere oder bessere Überwachung dienen, auch hinterfragen. Das Verkehrssicherheitsranking sagt über die statistische Wahrscheinlichkeit, im Straßenverkehr getötet zu werden, nämlich wenig aus. Tatsächlich ist dieses von mehreren Faktoren abhängig als dem Verhältnis zwischen Getöteten und Wohnbevölkerung – zum Beispiel vom Verkehrsaufkommen insgesamt und von der individuellen Kilometerleistung pro Verkehrsteilnehmer. Dazu gibt es jedoch nur sehr unzuverlässige Berechnungen.



Ebenfalls unberücksichtigt ist im EU-Ranking der Anteil des durch Ausländer verursachten Verkehrs, ebenso seine Beteiligung am Unfallgeschehen. Als traditionelles Transit- und Urlaubsland ist dessen Beteiligung in Österreich jedoch überproportional hoch. Gemeinsam mit der vergleichsweise kleinen Gesamtbevölkerung wirkt sich das im Vergleich mit dem Ausland zumindest statistisch negativ aus. So stammt allein auf den Autobahnen jeder fünfte Unfallbeteiligte aus dem Ausland. Bei den Getöteten ist es gar jeder Zweite.

Auch das Argument, dass der Anstieg der Unfälle mit Personenschaden im Jahr 2012 ein Rückschritt sei, trifft nur oberflächlich betrachtet zu. Tatsächlich wurde das Zählsystem für Unfallstatistik in genau diesem Jahr maßgeblich reformiert. Direkte Vergleiche mit den Vorjahren sind deshalb nicht seriös. Eine Tatsache, auf die auch die Statistik Austria stets hinweist.

Das alles bedeutet nicht, dass die Verkehrssicherheit nicht weiter verbessert werden könnte. Also noch mehr Kontrollen, noch mehr Strafen? Quantitativ hat die Polizei hierzulande in den vergangenen Jahren die Schlagzahl massiv erhöht (siehe Grafik). Egal, ob bei Geschwindigkeit, Alkohol oder Sicherheitsabstand: Alle Indikatoren zeigten bis zuletzt steil nach oben.

Verkehrspsychologin Bettina Schützhofer glaubt, dass die schiere Menge an Kontrollen noch nicht ausschlaggebend ist. Weitaus besser würde polizeiliche Überwachung nämlich funktionieren, wenn sie gesellschaftlich akzeptiert sei. „Bei Alkoholkontrollen ist uns das annähernd gelungen. Schnellfahren gilt in Österreich allerdings nach wie vor als Kavaliersdelikt.“

Wunschliste an neue Minister

Die FSV hat für die künftigen Leiter von Innen- und Verkehrsministerium deshalb eine Art Wunschliste erstellt. Die darin enthaltenen Forderungen lauten: Abschaffung aller Messtoleranzen bei Geschwindigkeitskontrollen. Mehr Polizeipräsenz im Straßenverkehr. Aufnahme von Schnellfahren und Nichtangurten in den Führerschein-Punktekatalog. Einheitliche Strafen in allen Bundesländern und: Kontrollerleichterungen für die Polizei.

Kurz & Knapp

Statistik. Mit 63 Verkehrstoten pro Million Einwohner liegt Österreich in der EU im hinteren Mittelfeld. Experten fordern mehr Verkehrsüberwachung durch die Polizei. Allerdings: Der statistische Vergleich mit dem Ausland hinkt, er lässt wesentliche Parameter unberücksichtigt. Auch die Polizei verstärkt die Verkehrsüberwachung jährlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2013)

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