Büchereien, Zufluchtsorte der Jungen

(c) Clemens FABRY
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In Wien wird derzeit - Buch Wien sei Dank - viel (vor-)gelesen. Generell sind Kinder eine wichtige Lesegruppe: In den städtischen Büchereien sind sie die häufigsten Besucher.

Wien. Vormittags gehört sie ganz den Kindern. In den Stunden, bevor sie offiziell aufsperrt, wird die städtische Bücherei in Liesing fast jeden Morgen von einer Schulklasse oder Kindergartengruppe okkupiert. Die für Bibliotheken so charakteristische Ruhe sucht man dann – auch wenn sich die Kinder bemühen, nicht zu laut zu sein – vergeblich. Die Kinder liegen auf Polstern und blättern, lesen und wählen jene aus, die sie sich ausborgen möchten.

Die Nutzer von morgen also? Vor allem die von heute. Denn tatsächlich ist die Klientel, die sich in Wiens städtischen Büchereien Romane, Hörspiele, DVDs oder auch Konsolenspiele ausborgt, wesentlich jünger, als man glauben möchte. Insofern verwundert es nicht, dass die Buchmesse Buch Wien die noch bis Sonntag in Wien stattfindet, zahlreiche Veranstaltungen für junge Leser ausrichtet.

„Ganz anders, als das verstaubte Image der Bibliotheken vermuten lässt“, sagt Elisabeth Schiener, die Leiterin der Bücherei Liesing, „sind die meisten Nutzer jung.“ Elf- und Zwölfjährige tätigen in den städtischen Büchereien die meisten Entlehnungen. Insgesamt sind die Vier- bis Zwölfjährigen die bei Weitem stärkste Nutzergruppe.

Frauen borgen öfter aus

Weil sie für die Schule lesen müssen, könnte man meinen. Nicht nur: „Viele Kinder, die mit ihrer Klasse da waren, kommen später allein wieder.“ Insofern funktioniere auch einer der Grundgedanken der Büchereien: Literatur und Fachbücher – kurz: Wissen – auch jenen Schichten günstig (Kinder bis 14 zahlen keine Gebühr) zugänglich zu machen, die sich den Kauf der Lektüre nicht leisten können. Wie hoch der Anteil der Nutzer aus schwächeren Schichten ist, ist allerdings statistisch nicht erfasst. Wohl aber das Geschlecht: Rund 1,39Mio. Besuche wurden 2012 in den Büchereien gezählt, zwei Drittel davon waren von Frauen.

Auch im aufstrebenden Segment der E-Books sind die Nutzer überwiegend weiblich. Neben National- und Universitätsbibliotheken haben auch die städtischen Büchereien längst eine virtuelle Bibliothek: Wer eine Entlehnkarte hat, kann sich über die Website (siehe Infobox) E-Books, die zwei Wochen verfügbar sind, auf seinen PC, sein Tablet oder Smartphone laden.

Konkurrenz für die echten Bücher? Nicht unbedingt, sagt Schiener. „Belletristik gibt es schon in großer Zahl digital. Sachbücher sind auf dem E-Book-Markt aber so gut wie gar nicht vertreten. Ich hoffe, dass wir durch die virtuelle Bibliothek neue Leser dazugewinnen.“

Danach sieht es aus: Parallel zur wachsenden Zahl der E-Book-Entlehner (monatlich rund 21.500 Downloads) stiegen zuletzt auch die (echten) Besuche leicht an. Da wie dort sind die am häufigsten entlehnten Bücher die aktuellen Bestseller. Zuletzt etwa Rossmann, Glavinic, Kehlmann.

Das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Je älter die Leser werden, desto seltener kommen sie in die Bücherei. Die meisten Austritte werden nach Matura und Studium verzeichnet. Die Gründe dafür sind nicht erforscht, vermutlich kaufen sich viele Erwachsene lieber Bücher, als sie nur auszuleihen, oder nutzen vermehrt die Universitätsbibliotheken. Der Büchereibesuch ist für Erwachsene zudem eher die Ausnahme, wenn man etwas Spezielles, vielleicht Vergriffenes sucht, während er in der Schulzeit und im Studium institutionalisiert ist.

Längst wollen die Büchereien mehr sein als reine Ausborge-Einrichtungen: Mit mehrsprachigen Lesungen (von Schweizerdeutsch bis Russisch) oder Deutschkursen für Migranten hat man sich heute breiter aufgestellt. Zudem will man als Verweilort attraktiv sein: In Liesing wird auch die eine oder andere Nachhilfestunde in den ruhigen Räumen abgehalten. „Als Bibliothekar kann man heute nicht nur dem Buch verhaftet sein“, sagt Schiener. „Es geht darum, Wissen auf verschiedenen Kanälen zu vermitteln.“ Etwa in Form von Computerkursen für Senioren. Eine Gruppe, die sich sonst nur sehr selten in Büchereien verirrt.

AUF EINEN BLICK

Die internationale Buchmesse Buch Wien sowie die Lesefestwoche finden noch bis inklusive Sonntag auf dem Gelände der Messe Wien, Halle D (2., Trabrennstr.), statt – mit rund 300 Ausstellern aus zehn Nationen und zahlreichen Veranstaltungen in der Halle D und an mehreren Orten (Büchereien, Rabenhof, Rathaus etc.) Wiens. Eine Übersicht über das Programm findet sich auf: www.buchwien.at

Die städtischen Büchereien haben 39Zweigstellen, die Hauptbücherei liegt am Gürtel (7., Urban-Loritz-Platz 2a). Der Büchereiausweis ist für Kinder bis 14 gratis, für Erwachsene beträgt die Jahresgebühr 23 Euro (Studenten: 3,70Euro). Neu ist der Rückgabeautomat bei der Hauptbücherei, bei dem rund um die Uhr Bücher (aller Zweigstellen) zurückgegeben werden können. www.buechereien.wien.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2013)

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