„Freiwillig“ im Gefängnis: Zu viel Stress mit der Fußfessel

(c) Clemens Fabry
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65 Prozent der Freigänger (Häftlinge im gelockerten Vollzug) wollen keinen Hausarrest. Sie bleiben lieber hinter Gittern.

Wien. Damit hat wohl kaum jemand gerechnet: Viele Gefängnisinsassen ziehen das Absitzen ihrer Strafe einem Gang in die eigenen vier Wände (Hausarrest) oder überhaupt einem Gang in die Freiheit (vorzeitig bedingte Entlassung) vor. Als Gründe geben die Betroffenen an: Es sei ihnen lieber, ihre Haftstrafe komplett erledigt zu wissen und somit jeglichem Zugriff der Justiz entzogen zu sein, als außerhalb der Gefängnismauern diverse Auflagen zu erfüllen.

Da sind einmal die Freigänger: Personen, bei denen die Anstaltsleitung diese Form des gelockerten Strafvollzugs gewährt hat.  Das Besondere: Freigänger arbeiten tagsüber außerhalb der Anstalt. Der Arbeitsplatz wird ihnen meist von der Anstalt zugewiesen. Übernachten müssen Freigänger im Gefängnis. An den Wochenenden dürfen sie oftmals nach Hause. Freigang sollte sich nicht länger als ein Jahr hinziehen, am Ende steht die Entlassung aus der Haft. Bundesweit gibt es knapp 400 Freigänger (bei circa 6000 Strafgefangenen).

„65 Prozent der Freigänger wollen keinen Antrag auf Übernahme in den elektronisch überwachten Hausarrest stellen.“ Die Fußfessel (das Mittel zur elektronischen Überwachung) wird also vielfach abgelehnt. Das hat der Leiter der Justizanstalt Wels, Josef Mock, herausgefunden. Er beschäftigt sich intensiv mit dem Thema, schreibt er doch gerade seine Dissertation über den elektronisch überwachten Hausarrest.

Warum wollen Menschen lieber „sitzen“, als zu Hause zu leben? Laut Mock bedeute es für viele Stress, sich an festgelegte Zeiten zu halten. Schließlich leben Fußfesselträger – bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe darf man im Hausarrest verbüßen – nach einem fixen Zeitplan. Sie müssen zu bestimmten Stunden in der Arbeit oder zu Hause sein. Sind sie das nicht, registriert ein in die Fessel eingebauter Sender den unerlaubten Standort, und in einer Überwachungszentrale wird Alarm ausgelöst.

Problem: Einen Job finden

Noch etwas spielt laut Mock eine wichtige Rolle: Der Freigänger bekommt (siehe oben) Arbeit von der Anstalt. Hingegen muss sich der Fußfesselträger selbst um einen Job kümmern. Und das ist für so manchen Kandidaten eine beträchtliche Hürde. Für Mock bedauerlich, denn: „Wir wollen doch, dass die Gefangenen wieder zu ihren Familien zurückkehren.“

Nun zur zweiten Gruppe, den Gefangenen, die einen Antrag auf vorzeitige Entlassung stellen könnten, dies aber nicht tun. Hier gibt es zwar keine gemessenen Zahlen, aber so mancher Anstaltsleiter kennt dieses Phänomen. Bruno Sladek, der Direktor des Gefängnisses Krems-Stein, also der größten Strafvollzugsanstalt Österreichs (Sladek sammelte davor als Leiter der Anstalt Hirtenberg, Niederösterreich, Erfahrung), erklärt dies so: „Es gibt immer wieder Gefangene, die lieber die Strafe voll absitzen, als Auflagen zu erfüllen.“

Nur wer vorzeitig entlassen wird, kann mit Auflagen belegt werden. Etwa mit Alkoholverbot oder Harnkontrollen (Stichwort: Drogen). Dazu kommen vorgeschriebene Kontakte mit Bewährungshelfern. Verstößt man gegen die Auflagen, droht der Widerruf der bedingten Entlassung. So kommt es dazu, dass manche Täter eben gleich die gesamte Zeit absitzen, um danach keinerlei Bedingungen mehr erfüllen zu müssen.

Knapp ein Drittel geht früher

Die Statistik (Sicherheitsbericht 2012) zeigt: Gut die Hälfte der Strafgefangenen bleibt bis zum Ende der Sanktion hinter Gittern. 31 Prozent wurden im Vorjahr bedingt entlassen. Der Rest verteilt sich auf andere Arten der Haftbeendigung, wie etwa – bei Ausländern – das Erfüllen der Ausreiseverpflichtung.

ZAHLEN UND FAKTEN

Mit Stichtag 15. November 2013 gab es in Österreich 237 Fußfesselträger – das sind Personen im elektronisch überwachten Hausarrest. Es könnten deutlich mehr sein. Wie der Leiter der Justizanstalt Wels, Josef Mock, herausgefunden hat, verzichten 65 Prozent der Freigänger (Strafgefangene im gelockerten Vollzug) darauf, einen Antrag auf Hausarrest zu stellen. Die Fußfesselbedingungen würden von vielen als Hürde empfunden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2013)

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