Asylwerber-Quoten: Niederösterreich ist Schlusslicht

Das Erstanhaltezentrum Traiskirchenn
Das Erstanhaltezentrum TraiskirchennAPA/Techt
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Laut einer Statistik des Innenministeriums haben Tirol und Salzburg am wenigsten Asylwerber aufgenommen. Doch so ganz stimmt das nicht.

Laut einer Statistik des Innenministeriums sind die Bundesländer Salzburg und Tirol besonders säumig, wenn es darum geht, Asylwerber in ihren Bundesländern aufzunehmen. Tirol hat demnach nur 82 Prozent der vom Innenministerium vorgegebenen Quote erfüllt und 1500 statt 1826 Asylwerber untergebracht. Salzburg als Schlusslicht gerade einmal 80,5 Prozent, besagen die offiziellen Zahlen.

Doch sieht man sich die Zählungen genauer an, stimmt das Ranking so nicht. Darauf weist die Recherche-Plattform "Dossier" hin. Denn eigentlich ist Niederösterreich das Schlusslicht. Österreichs größtes Bundesland hat gerade einmal 2785 „Leistungsbezieher in der Grundversorgung" statt der geforderten 4157. Damit hat das Land also nur etwa zwei Drittel, nämlich 67 Prozent der geforderten Zahl an Menschen untergebracht.

Doch in der "Quotenerfolgs"-Statistik des Innenministeriums liest sich das anders. Dort wird Niederösterreich mit 3541 aufgenommenen Asylwerbern ausgeschildert und mit einer erfüllten Quote von 85,2 Prozent. Wie geht das?

Nach Grund und Boden gezählt

Grund dafür ist ein etwas fragwürdiges Zählabkommen zwischen Bund und Ländern. Denn in Niederösterreich befindet sich auch das Flüchtlings-Erstaufnahmezentrum Traiskirchen. Dort leben derzeit 668 Menschen, inklusive der Traiskirchener Außenstelle Reichenau sind es sogar 733.

Und diese rund 750 Menschen werden auch in die Quote des Landes Niederösterreich gerechnet. Nur: Für Traiskirchen ist zu 100 Prozent der Bund zuständig. Auch die Kosten werden zu 100 Prozent vom Bund getragen. Aus gutem Grund: „In Traiskirchen wird überprüft, ob der Asylsuchende zu einem Asylverfahren zugelassen wird. Erst wenn das passiert, geht die Verantwortung für die Grundversorgung vom Bund auf die Länder über", sagt Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums. Praktisch gesehen hat das Land Niederösterreich daher weder einen finanziellen noch einen organisatorischen Aufwand mit Traiskirchen. Was auch Grundböck bestätigt.

Organisatorischer Aufwand? Keiner

Trotzdem werden die Traiskirchen-Bewohner zu Niederösterreichs-Quotenerfolg gerechnet. Übrigens funktioniert das in Oberösterreich und seinem Erstaufnahmezentrum Thalham ebenso. Dort ist die Bewohnerzahl mit 112 allerdings weit niedriger.

Grundböck erklärt die Zurechnung Traiskirchens zu Niederösterreich mit der Lage: "Traiskirchen befindet sich auf niederösterreichischem Boden, damit wird es auch Niederösterreich zugerechnet", sagt Grundböck. Unabhängig davon, dass Traiskirchen eine 100-prozentige Leistung des Bundes sei. Nachsatz: "Wenn man jetzt natürlich nach dem organisatorischen Aufwand geht. Dann kann man das auch anders sehen", fügt er hinzu.

Mit Koordinationsrat abgesprochen

Die Zählweise sei jedenfalls mit dem Koordinationsrat beschlossen worden. Das Gremium, in dem die Länder und der Bund sitzen, ist die oberste Verwaltungsstelle für Angelegenheiten in der Grundversorgung.

Finanziell dürfte sich Niederösterreich in Hinblick auf die zu wenig aufgenommenen Asylwerber ohnehin nicht aus der Verantwortung stehlen können. Jedes Land muss den Soll-Wert der Quoten zahlen und nicht die Anzahl der Menschen, die es tatsächlich aufgenommen hat, sagt Grundböck. Die Grundversorgung wird zu 60 Prozent vom Bund und zu 40 Prozent von den Ländern abgedeckt.

Und ist im übrigen immer wieder Grund für Streitereien. So wird Wien vorgeworfen, zu vielen Asylwerbern zu leicht die Grundversorgung anzubieten. Auf Kosten der anderen Bundesländer, deren Zahlungsbeitrag ob ihrer Quoten ja fix vorgegeben ist. Auch in der aktuellen Liste ist Wien mit 6567 untergebrachten Asylsuchenden über dem Pflichtunterbringungswert von 4413.

Dass Niederösterreich eine große Anzahl seines "Quotenerfolgs" jedenfalls nicht am Radar hat, zeigt das heute, Mittwoch, in Sankt Pölten stattfindende Österreichische Grundversorgungssymposium, in dem auch über Perspektiven und die Zukunft der Grundversorgung nachgedacht wird. In den vor Ort ausgehändigten Unterlagen wird nur von 2700 "Leistungsbezieher in der Grundversorgung" in Niederösterreich gesprochen. Nicht von 3541.

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