Millionenverluste der Stadt Wien

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Die Stadt hat ein Problem. Die Buchverluste bei den Franken-Krediten betragen 330 Millionen Euro, dazu kommen weitere 57 Millionen aus einem Swap mit dem Bund.

Wien. Salzburg hat bei Finanzspekulationen hunderte Millionen versenkt, die Stadt Linz ebenfalls. Und Wien? Hat nicht viel besser agiert, wie der Bericht des Kontrollamts am Donnerstag aufgezeigt hat. Die Stadt schiebt bei den Franken-Krediten Buchverluste in der Höhe von 330 Millionen Euro vor sich her, hat nebenbei 57 Millionen Euro bei einem Swap-Geschäft mit der Bundesfinanzierungsagentur verloren, hat zusätzlich die komplexen Geschäfte nicht vollständig unter Kontrolle.

Auslöser dieser Erkenntnis ist eine Prüfung des Wiener Kontrollamts, das sich die Finanzinstrumente der Stadt und deren Firmen angesehen hat. Fazit: Zwischen 2007 und 2011 (das war der vom Kontrollamt untersuchte Zeitraum) kamen im Einflussbereich der Stadt (auch Wien-Holding) zahlreiche kreative und risikoreiche Finanzinstrumente zum Einsatz. Das Kontrollamt redet von „Knock-in (Kick-in-at-the-End)-Put Devisenoptionsgeschäften“, „Receiver-Swaption“, „Payer-Swaption“ und „Floor“-Verträgen. Zusätzlich wurde das Finanzkonstrukt der Cross-Border-Leasing-Verträge (CBL) untersucht.

Nicht alle diese Finanzinstrumente dienten zum Spekulieren. In einigen Bereichen, beispielsweise bei Energieunternehmen (z. B. Wien-Energie) sind derartige Finanzinstrumente sogar notwendig, um sich z.B. gegen Strompreisschwankungen abzusichern. Nur: Die Stadt Wien (bzw. deren Unternehmen) war mit diesen komplexen Finanzinstrumenten laut Prüfer überfordert. „Eine durchgängig laufende Risikobewertung des Portfolios wurde und wird seitens der Stadt Wien nicht praktiziert“, heißt es in dem Bericht.

Ein Risikomanagement mit überprüfenden Maßnahmen sei in der zuständigen MA5 (Finanzwesen) nicht eingerichtet worden. Es hätte keine nachvollziehbaren Rahmenbedingungen bezüglich der Risikostrategie der Stadt gegeben. Bei einem Finanzgeschäft hätte die Stadt durch den ausdrücklichen Verzicht einer Sicherheitenvereinbarung auch noch „ein nicht bezifferbares Risiko“ in Kauf genommen. Ähnlich sehe es bei den Cross-Border-Leasing-Verträgen aus, bei denen z. B. das Wiener Kanalnetz oder Straßenbahnen der Wiener Linien in die USA verleast und wieder zurückgeleast wurden, um Steuervorteile zu lukrieren.

Die MA5 teilte dem Kontrollamt mit: Im Zuge der laufenden Evaluierung des Finanzmanagements würden die kritisierten Punkte berücksichtigt – von 2009 bis 2011 wurden aber keine neuen Derivate abgeschlossen. Die Finanzinstrumente dürften außerdem nicht für sich gesehen werden, sondern im Rahmen einer Gesamtstrategie. Die Wien-Holding erklärte: „Seit 2011 wurden keine neuen Derivatgeschäfte mehr abgeschlossen.“ Und alle Geschäfte seien zur Absicherung eines Grundgeschäftes gemacht worden, wie es früher üblich gewesen sei.

Gefahr von Millionenverlusten

Die (nur auf den ersten Blick) positive Nachricht: Die Stadt hat bisher keine Verluste realisiert. Die vorzeitige Auflösung einiger CBL-Verträge bzw. anderer Transaktionen spülte sogar Millionen in das Budget.

Nur: Es gibt Millionenverluste, die die Stadt noch vor sich herschiebt. Beispielsweise ist Wien mit jenen Schulden, die in Franken abgerechnet werden, 330 Millionen Euro unter Wasser. Für die MA5 ist das nur eine „Bewertungsdifferenz“, ein Buchverlust.

Der Grund: Dieser Verlust wurde nicht realisiert, sondern nur „roliert“. Das bedeutet: Sobald ein Franken-Kredit fällig ist, wird ein neuer (in Franken) aufgenommen, um den alten Kredit zu tilgen. Dadurch verschiebt Wien den Verlust nach hinten und kann die Kredite endgültig tilgen, wenn der Franken-Kurs sehr günstig ist. Passiert das aber nicht bzw. kann die Stadt (aus welchen Gründen auch immer) diese Strategie nicht mehr fortführen, klafft ein riesiges Loch im Stadtbudget (die 57 Millionen Euro aus dem missglückten Swap mit dem Bund werden ebenfalls roliert). Wobei hinzugefügt werden muss: Derartige Franken-Kredite (die eine klassische Währungsspekulation sind) galten früher als relativ unbedenklich, waren weitverbreitet, auch bei Häuslbauern.

Es gibt aber noch ein Problem: Einige noch laufende Transaktionen sind sehr risikoreich. Ist die Stadt z.B. gezwungen, die CBL-Geschäfte vorzeitig aufzulösen oder massiv zu verändern (was Wien nicht vorhat), könnte theoretisch mit einem Schlag ein Milliardengrab entstehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2013)

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