Das Geschäft mit den Tieren

Hauskatze
HauskatzeClemens Fabry
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Versicherungen, artgerechtes Futter, Stylingsalons: Die Ausgaben der Österreicher für ihre Haustiere steigen stark, um sie herum ist eine gewaltige Millionenbranche entstanden.

Es geht nicht um ausgefallene Stylings, sondern um die Pflege und Gesundheit“, sagt Alexander Hysek, während er mit der linken Hand sanft Knutis Kopf fixiert, mit der rechten einen Föhn durch dessen gelocktes Fell führt und ihm mit ruhiger, aber entschlossener Stimme auf Englisch zuredet.

Knuti ist einer von Hyseks Stammkunden – mit Migrationshintergrund quasi, seine Besitzerin ist Amerikanerin – in seinem Salon an der Hernalser Hauptstraße, ein Königspudel. Und Hysek selbst ist Hundefriseur – nein, pardon, er ist Hundestylist, wie er nicht ohne Stolz mit Verweis auf die Ausbildungszertifikate an der Wand korrigiert. Zweieinhalb Jahre ist es her, dass der heute 44-Jährige seinen Job im Tourismus aufgegeben hat und sich am Wifi dazu hat ausbilden lassen, was er jetzt Tag für Tag tut: Er wäscht, schert, pflegt Hunde und Katzen – vor allem jene Rassen, deren Haare nicht von selbst ausfallen: Ein Pudel braucht etwa alle vier bis sechs Wochen entsprechendes Service.

In Zahlen

4,5 Euro im Monat gibt jeder Haushalt in Österreich im Durchschnitt, einer Erfassung der Statistik Austria von 2010 zufolge, für „Dienstleistungen für Haustiere“ aus. Fünf Jahre davor waren es noch drei Euro.

63 Euro im Monat investiert jeder Tierbesitzer, laut einer Spectra-Umfrage im März, für sein Tier.

Rein wirtschaftlich gesehen dürfte sich Hyseks Entscheidung für diese Branche – „aus Liebe zur Arbeit mit den Hunden“, wie er sagt – ausgezahlt haben, denn das Geschäft mit Haustieren wächst in Österreich stetig an. Allein in Wien etwa gibt es heute 72 Hundesalons, Tendenz steigend – dazu kommt noch ein halbes Dutzend mobiler Tierfriseure.


Boomende Branche. Die Statistik Austria erfasst routinemäßig alle fünf Jahre die Konsumausgaben der Österreicher – die Ausgaben für „Dienstleistungen für Haustiere“, darunter fallen auch Besuche beim Hundefriseur, sind zwischen der vorletzten Erhebung 2005 und der aktuellen 2010 um die Hälfte gestiegen. Demnach gab jeder der mehr als drei Millionen heimischen Haushalte (also auch jene ohne Tiere) 2005 im Schnitt pro Monat drei Euro für Tier-Dienstleistungen aus, 2010 waren es bereits 4,5 Euro. Zum Vergleich: Die gesamten Monatsausgaben pro Haushalt stiegen in diesem Zeitraum nur um 14 Prozent, die Ausgaben für Bildung um knapp mehr als ein Drittel.

Woher kommt dieses Wachstum? „Das hat mit der Gesellschaft zu tun“, analysiert Hundestylist Hysek: „Es gibt immer mehr alte Menschen, von den Jungen bleiben immer mehr Singles, die legen sich dann einen Hund zu – und wer sich um das Tier wie um ein Familienmitglied kümmert, der gibt auch mehr dafür aus.“ Das bemerke man bei der Nachfrage in der ganzen Branche – „schauen Sie sich nur an, wie zum Beispiel überall die Fressnapf-Filialen aus dem Boden schießen.“

Keine schlechte Idee: Fressnapf, eine deutsche Franchise-Handelskette, ist Marktführer bei Tierfutter und -zubehör in Österreich und Europa, profitiert damit am stärksten vom steigenden Haustierbudget. Seit seinem Start vor 15 Jahren ist das Unternehmen in Österreich auf 117 Filialen angewachsen, im Vorjahr hat es einen Umsatz von 141 Millionen Euro erzielt.

Auf diesem Fundament aufbauend ist das Unternehmen nicht nur die verlässlichste Quelle bei der Frage, wie viele Haustiere es in Österreich überhaupt gibt (ein zentrales Register dafür, wie viel Hundeabgabe in den Gemeinden anfällt, gibt es nicht, von Katzen ganz zu schweigen) – in der Salzburger Österreich-Zentrale von Fressnapf geht man von 1,5 Millionen Katzen und 640.000 Hunden im Land aus –, sondern auch bei jener, ob der Stellenwert der tierischen Mitbewohner sich hierzulande in den vergangenen Jahren verändert hat: „Das Haustier hat einen vollwertigen Platz als tierisches Familienmitglied“, stellt Norbert Marschallinger, Geschäftsführer von Fressnapf Österreich fest. In den letzten Jahren sei zu beobachten, dass Tierbesitzer mehr Wert auf Qualität legen würden. Das sei besonders bei der Tiernahrung zu beobachten, wo eine immer stärkere Nachfrage zu beobachten sei.


Feinkost für Vierbeiner.
Eine Beobachtung, die auch im Kleineren zu machen ist: Besonders im städtischen Bereich eröffnen derzeit allseits auf Tiernahrung spezialisierte Geschäfte. Zum Beispiel in der Wiener Sinawastigasse, wo der ehemalige Donauinselfest-Projektleiter Sascha Kostelecky vor etwa einem halben Jahr seinen – vor allem auf rohe Hundenahrung nach der „Barf“-Methode („biologisch artgerechtes rohes Futter) spezialisierten – Hundefeinkostladen eröffnet hat.

„Das Geschäft entwickelt sich sehr gut“, sagt Kostelecky. Vor allem um die Weihnachtszeit sei zu beobachten, dass viele Tierbesitzer sich „zu Nettigkeiten gegenüber ihren Tieren“ hinreißen lassen und zum Fest etwas Besonderes kaufen würden. „Es machen sich immer mehr Menschen Gedanken, wie sie ihre Hunde ernähren“, sagt Kostelecky: Etwa, ob das handelsübliche Trockenfutter mit seinem hohen Getreideanteil für Hunde gut geeignet sei. Manche Tiere würden darauf Allergien entwickeln, deretwegen ihre Besitzer sich auf die Suche nach Alternativen machen würden und etwa im Hundefeinkostladen fündig werden.

Ob es nicht ethisch problematisch sei, Feinkost für Hunde anzubieten, während anderswo Menschen hungern? „Dafür sind wir nur einmal kritisiert worden“, sagt Kostelecky: „In einer Ernährungszeitschrift, in der auf der nächsten Seite eine Geschichte über Champagner gestanden ist.“ Die Bereitschaft, für hochwertige Hundenahrung Geld in die Hand zu nehmen, ziehe sich dabei durch alle Bevölkerungsschichten, sagt der Unternehmer: „Vom Skinhead bis zum Doppeldoktor ist alles dabei.“ Tendenziell seien es aber zu 70 bis 80 Prozent Frauen, die in sein Geschäft kommen, so Kostelecky – vielleicht, weil sich diese eher mit bewusster Ernährung auseinandersetzten.

Insgesamt sei aber die Bereitschaft von Männern größer, mehr Geld für die Haustiere auszugeben: Einer Spectra-Studie vom März, basierend auf der repräsentativen Befragung von 1001 Österreichern, zufolge geben männliche Tierbesitzer durchschnittlich 67 Euro im Monat für ihre Haustiere aus, Frauen „nur“ 60 Euro. Die Studie räumt auch mit der Vermutung auf, dass vor allem besonders reiche oder besonders arme Menschen ihre Haustiere verwöhnen würden: Die Durchschnittsausgaben für Haustiere sind im Segment mittlerer Kaufkraft mit 76 Euro pro Monat am höchsten – stark Kaufkräftige investieren dagegen nur 60 Euro, schwache überhaupt nur 47 in ihre tierischen Gefährten.


Für 30.000 Euro auf Gut Aiderbichl.
Eher auf kaufkräftige und ältere Kundschaft schielen dagegen Versicherungen, die die Masse der Haustierbesitzer ebenfalls als neue Kundenschicht ausgemacht haben. So bietet Wüstenrot seit Oktober die „Vierbeiner-Vorsorge“ an – dabei handelt es sich aber nicht etwa um eine Krankenversicherung für Hund und Katz, sondern eher um eine Sonderform der Lebensversicherung. Im Fall nämlich, dass der Tierbesitzer stirbt oder selbst ein Pflegefall wird, garantiert die Versicherung, dass der Hund oder die Katze auf einem der medial hochpräsenten Gnadenhöfe von Gut Aiderbichl unterkommt: Katzen dürfen sich dort den Rest ihres Lebens eigener Spielsäle erfreuen, mit Hunden wird sechsmal täglich Gassi gegangen.

Billig ist das nicht: Schon die Ablebensvariante (das Tier kommt nur beim Tod des Versicherungsnehmers auf das Gut) kostet monatlich für Katzen 60, für Hunde 102 Euro. Wirklich teuer wird es erst bei der Erlebensvariante, die das Tier auch versorgt, wenn sich der Besitzer aus anderen Gründen nicht mehr darum kümmern kann: 30.000 Euro kostet es, einen Hund so dem Gut zu überantworten, für eine Katze die Hälfte. Auch bei Wüstenrot hält man fest: „Für 65 Prozent der Österreicher gilt das Haustier als vollwertiges Familienmitglied.“

Auf einen Blick

Tierische Millionen
1,5 Millionen Katzen und 640.000 Hunde gibt es der Schätzung des Tierbedarf-Marktführers Fressnapf zufolge in Österreich. Die Ausgaben der Österreicher für ihre Haustiere steigen kontinuierlich an: 2005 hat jeder österreichische Haushalt im Schnitt noch 11,6 Euro im Monat für Anschaffung, Nahrung, Dienst- und sonstige Leistungen rund um das Haustier ausgegeben, 2010 waren es bereits 14,1 Euro. Allein im Haustier-Dienstleistungsbereich ist der Aufwand in diesem Zeitraum um 50 Prozent gestiegen. Im selben Bereich stiegen die Haushaltsausgaben für Bildung dagegen nur um 36 Prozent.

Neue Geschäftsfelder entdecken auch andere Branchen rund um die Liebe zum Tier: Wüstenrot bietet etwa an, Hunde für 30.000 Euro beim Tod des Besitzers auf Gut Aiderbichl unterzubringen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2013)

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