Pflege, Thermen, Multiversen: Wenn sich Gemeinden übernehmen

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Ein Rechnungshofbericht attestiert Schwechat Misswirtschaft beim Bau einer Veranstaltungshalle. Immer wieder geraten Kommunen durch Prestigeprojekte in die Miesen.

Wien.Alles begann mit einem Star: Werner Schlager, als Tischtennisweltmeister 2003 einer der größeren Söhne Niederösterreichs, sollte mit seiner Werner Schlager Academy zum Herzstück einer Multifunktionshalle in Schwechat werden. Konzerte und Sportveranstaltungen, Messen und Parteitage sollten in der Anlage nahe dem Stadtzentrum Platz finden, so der Plan der Gemeinde – dank OMV und Flughafen einer der wohlhabendsten des Landes –, die die Mehrheit an dem Projekt übernahm.

Fast drei Jahre ist es her, dass das Multiversum eröffnet hat, und inzwischen hat es nicht nur den mit absoluter Mehrheit regierenden SPÖ-Bürgermeister und ehemaligen Nationalrat Hannes Fazekas den Kopf gekostet, die Halle hängt auch wie ein Mühlstein an den Gemeindefinanzen: Einem von „News“ und „ZiB2“ zitierten Rechnungshofbericht zufolge sollen nicht nur die Investitionskosten von 30 auf 50 Millionen Euro gestiegen sein, sondern wegen Fehlkalkulationen auch jährliche Millionenverluste ins Haus stehen – und noch dazu seien Haftungen und Geschäfte im Umfang von mehr als 70 Millionen Euro, fast einem Schwechater Jahreshaushalt, ohne die nötigen Bewilligungen von Gemeinderat oder Gemeindeaufsicht eingegangen worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, auch die Gemeinde selbst ist um Aufarbeitung bemüht.

Fohnsdorfer Millionengrab

Dass sich österreichische Gemeinden mit Prestigeprojekten übernehmen, kommt immer wieder vor. Etwa im Fall des steirischen Fohnsdorf, für das die Therme Aqualux zum Millionengrab wurde. Als der Thermen-Boom bereits am Abflauen war, wurde 2006 trotzdem die Errichtung einer Therme beschlossen, für die Fohnsdorf eigentlich kein Geld hatte. Kosten: mehr als 20 Millionen Euro.

Die angepeilte Zahl an Gästen wurde bei Weitem nicht erreicht, die 8000-Einwohner-Gemeinde, durch den Thermenbau bereits komplett überschuldet, musste Unsummen in den Betrieb stecken. Die Gemeinde saß auf einem Schuldenberg in der Höhe von 57 Millionen Euro – bei einem Jahresbudget von 15 Millionen. Daraufhin wurde Fohnsdorf vom Land entmündigt. Ein Regierungskommissär setzte Bürgermeister Johann Straner (SPÖ) und den Gemeinderat ab, das Land Steiermark musste Fohnsdorf finanziell retten.

Auch kleine Träume können große Wirkung haben, wie die südburgenländische Marktgemeinde Strem gezeigt hat. Für die 944 Einwohner wurde ein exklusives Senioren- und Pflegezentrum gebaut, entgegen den Warnungen des Landes. 2007 war Strem ein Konkursfall – nachdem die Baukosten von 3,6 auf 5,6 Millionen gewachsen und die Einnahmen geringer als geplant waren. Ein eingesetzter Beauftragter des Landes errechnete: Bei einem harten Sanierungskurs werde Strem rund 140 Jahre benötigen, um die Schulden allein für das Seniorenheim abzustottern. Das Land musste eingreifen.

Aber es muss kein Großprojekt sein, das eine Gemeinde in den Abgrund treibt – für ein Finanzdebakel „genügt“ normale Misswirtschaft. In der kleinen steirischen Gemeinde Trieben saßen die 3800 Einwohner auf einem Schuldenberg von 28 Millionen Euro – bei einem jährlichen Budget im Bereich von etwa sechs Millionen Euro – nachdem es nie eine Kontrolle gegeben hatte.

Die politische Führung wurde vom Land entmündigt, radikale Sparmaßnahmen umgesetzt. Beispielsweise wurden in der Nacht teilweise die Straßenlaternen abgedreht, um Geld zu sparen.

Kommissär oder Landeshilfe

Was passiert, wenn eine Gemeinde so hoch überschuldet ist, dass sie ihre Schulden kaum noch zurückzahlen kann? Einerseits können „Bedarfszuweisungen“ aushelfen. Das sind Bundesgelder, die vom Landeshauptmann frei – eben „nach Bedarf“ – vergeben werden. Gemeindenkönnen so etwa Unterstützung für Bauprojekte erhalten. „In Krisenzeiten wird das Geld auch zum Ausgleich von Haushalten verwendet“, heißt es vom Gemeindebund.

Traut man der Gemeindeführung nicht mehr zu, das Schuldenproblem zu lösen, oder stößt man gar auf kriminelle Geschäfte oder rechtliche Ungereimtheiten, dann kann eine Gemeinde quasi auch „besachwaltert“ werdet. Dazu wird ein Regierungskommissär vom Land eingesetzt, der die Geschäfte dann übernimmt.

So in Fohnsdorf oder auch im steirischen Trieben 2008. Alternativ kann statt Berufung eines Kommissärs auch die Gemeindeaufsicht verschärft werden – sodass jede Ausgabe vom Land genehmigt werden muss, so etwa passiert im burgenländischen Jois, wo in den 1980er-Jahren jede Ausgabe über 1000 Schilling (ca. 70 Euro) extra genehmigt werden musste.

Übrigens: Die letzte Gemeinde, die in Konkurs gegangen ist, war 1933 das steirische Donawitz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2014)

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