Krieau: Pferdewetten waren gestern

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Trabrennbahn Krieau leidet unter Besucherschwund. Auf dem denkmalgeschützten Areal sollen nun Wohnungen und Büros entstehen.

Rundherum hat sich viel getan. Auf der einen Seite thront der neue Campus der Wirtschaftsuniversität. Daneben erstreckt sich das Vorzeige-Stadtentwicklungsgebiet „Viertel Zwei“ mit dem emporragenden OMV-Turm. Während sich die Leopoldstadt hier am Rande des Grünen Praters in den vergangenen Jahren neu erfunden hat, hat sie sich so gut wie gar nicht verändert: die Trabrennbahn Krieau. Altehrwürdig zwar, aber auch ziemlich in die Jahre gekommen und verblasst, wird hier im Kleinen immer noch gepflegt, wofür der Name Krieau einst weit über die Landesgrenzen bekannt war: Trabrennen und Pferdewetten.

Für beides interessieren sich die Wiener heute kaum noch. 1500 Besucher kommen nach Angaben des Wiener Trabrennvereins (WTV) im Schnitt, nur zu den wichtigsten Trabrennen im Jahr, den Derbys, finden sich bis zu 12.000 Gäste ein. Aufgeputzt, festlich gekleidet, die Damen mit Hüten, wie es die Tradition will. An jenen Tagen lässt sich der Glamour und die Attraktivität, die von dieser Sportstätte lange Zeit für die Massen ausgingen, noch erahnen.

Bis zu 60.000 Besucher pro Renntag zählte man in der Krieau früher, zur Blütezeit, als Österreich-Ungarn Anfang des 20. Jahrhunderts europaweit tonangebend im Trabrennsport war. Und auch noch danach, bis in die 1960er-Jahre, „war das hier eine Toplocation“, sagt der heutige Präsident des Wiener Trabrennvereins, Anton Gaál. Heute fährt man mit nur fünf Mitarbeitern und etwa 25 Renntagen im Jahr einen Schmalspurbetrieb. Aber, wie Gaàl, ehemaliger SPÖ-Nationalratsabgeordneter, betont: „Wir bilanzieren ausgeglichen.“ Mit dem Trabrennsport allein wäre das freilich längst nicht mehr möglich, auch wenn man sich von den acht internationalen Trabrennen, die man hier im heurigen Jahr mit der nationalen französischen Wettorganisation PMU abhalten wird, aufgrund der höheren Dotierung deutlich mehr Einnahmen erhofft.

Bekannt ist die Krieau heute vielen vor allem wegen der großen Popkonzerte, die in den Sommermonaten – wenn die Trabrennen auf die Sommerrennbahn nach Baden wandern – stattfinden. Robbie Williams und Bon Jovi brachten die Massen im Vorjahr, heuer sollen etwa Avicii und Andreas Gabalier für einen finanziellen Schub für den WTV sorgen. „Wir sind oft kritisiert worden, dass der Pferdesport zu kurz kommt, weil wir die Krieau als Veranstaltungsort nutzen“, sagt WTV-Generalsekretär Thomas Kancnyr. Dabei sei es umgekehrt: Nur dank der Konzerte sei das Weiterbestehen des Pferdesports gesichert.

Wohnen neben der Rennbahn. Dabei kommt auf den WTV, der heuer sein 140-jähriges Bestehen feiert – die Rennbahn selbst wurde aber erst 1878 eröffnet, Kaiser Franz Joseph stellte das Gelände zur Verfügung –, die vielleicht größte Veränderung seiner Geschichte zu: Die private IC Projektentwicklung, die auch für das benachbarte Viertel Zwei verantwortlich zeichnet, plant hier, direkt auf dem Areal der Trabrennbahn, mehrere Büro- und Wohnbauten. Dass dies überhaupt möglich ist, liegt daran, dass die Stadt Wien schon vor Jahren einen Teil des Grundstückes verkauft hat. Aus Angst vor dem baldigen Aus der schon mehrfach totgesagten Rennbahn, wurde gemunkelt. Offiziell begründet wurde der Verkauf mit der Stadtentwicklung im Vorfeld der Fußball-EM 2008. Zunächst ging der Grund an ein Private-Public-Partnership-Projekt, an dem auch die IC Projektentwicklung beteiligt war, mittlerweile ist diese die alleinige Eigentümerin – und hat zudem ein Vorkaufsrecht auf den Rest des Trabrennbahn-Areals. Von dem man aber, wie betont wird, keinesfalls Gebrauch machen wolle, die Existenz des WTV sei nicht gefährdet.

Beim WTV nimmt man die geplanten Veränderungen eher wortkarg zur Kenntnis. Wirklich begeistert darüber, dass direkt neben einem Teil der Rennstrecke sowie in und zwischen den Stallungen Büros und Wohnungen errichtet werden dürften (siehe Grafik), scheint man nicht so recht zu sein. „Das war damals eine Entscheidung der Stadt, gegen die wir nichts machen konnten“, sagt Präsident Gaál. Die Projektwerber seien aber sehr kooperativ, der Trabrennverein sei „immer eingebunden gewesen“. Wohnungen und Büros auf dem Areal „werden uns aber hinsichtlich der Besucherzahlen nicht viel bringen“, glaubt Gaál.

Profitieren wird man aber trotzdem: Die IC Projektentwicklung wird dem Trabrennverein die Stallungen ablösen, über die Summe schweigt man da wie dort. Zudem bekommt, da die alten Stallungen künftig als Wohnungen oder Büros genutzt werden sollen, der WTV neue Ställe: Geplant sind diese hinter den (mangels Besucherandrangs seit Jahren ungenutzten) Tribünen zwei und drei. Hier sollen wie bisher 250 Pferde Platz finden.

Die Bauvorhaben rund um die Trabrennbahn – das erste, an die WU angrenzende Planungsgebiet umfasst 26.500 m, jenes rund um die Stallungen etwa 44.000 m – sind jedenfalls heikel. „Wir wissen, dass es sich um ein sensibles Areal mit einem identitätsstiftenden Traditionsbetrieb handelt“, sagt Sabine Ullrich, Geschäftsführerin bei der IC Projektentwicklung. „Der Trabrennverein war von Anfang an über das Planungsverfahren informiert, es gibt ein sehr gutes Einvernehmen.“

Schwierig sind die Baupläne – abgesehen von der grundsätzlichen Frage, ob und wie weit man in ein historisches Gebilde architektonisch eingreifen soll. Vor allem deswegen, weil weite Teile der Krieauer Trabrennbahn unter Denkmalschutz stehen. Gespräche mit dem Bundesdenkmalamt habe es bereits gegeben, sagt Ullrich.

Viel mehr aber nicht: Denn das zuständige Wiener Landeskonservatorat hat sich bisher auf eigenen Wunsch aus den Planungen herausgehalten. Weil diese, wie die stellvertretende Leiterin Elisabeth Hudritsch, sagt, „noch nicht konkret genug sind, um von uns beurteilt werden zu können“. Die bestehende Anlage müsse auf jeden Fall „lesbar“, der Grundgedanke der Trabrennbahn noch erkennbar sein, wie es Hudritsch formuliert. „Das Neue darf das Alte nicht überragen – nicht nur im Sinne der Höhenentwicklung.“

Präsentation im März. Demnächst wird man mehr wissen, denn „das kooperative städtebauliche Verfahren, in das drei Planungsteams, Experten für Verkehr, Freiraum und Städtebau, Vertreter der Stadt Wien und des Bezirks eingebunden sind, steht kurz vor dem Abschluss“, so Ullrich. Im März will man die Pläne der Öffentlichkeit präsentieren. Danach soll das Umwidmungsverfahren eingeleitet, der Architekturwettbewerb ausgeschrieben werden. Die ersten Bauarbeiten könnten schon im nächsten Jahr beginnen.

Bis dahin bleibt hier alles beim Alten, also ziemlich ruhig. Präsident Gaál sitzt in seinem Büro im Verwaltungsgebäude, das mit seinen vielen Ölgemälden, auf denen frühere Präsidenten und ehemalige Rennpferde festgehalten sind, von der langen Geschichte des WTV zeugt. Gaál stöbert in einem Karton mit Fotos aus der alten, besseren Zeit. Als die Tribünen übergingen vor Besuchern, „als der Mittelstand“ seine Freizeit in der Krieau verbrachte, „der Heinz Conrads da war“, der Alfred Böhm und der Ossy Kollmann. Als man noch gern in die Krieau fuhr.

Die Presse Grafik

Heute geht das zwar – U2 sei Dank – viel schneller, dennoch sinkt die Zahl der Besucher. Und, was noch schwerer wiegt: die Zahl der Wetten. Lange Zeit standen in Wien zum Befrieden des Spieltriebs (legal) nur Pferdewetten und das Casino zur Verfügung. Seit man auf Fußball und zig andere Sportarten wetten kann, es Lotto und bequemes Wetten via Internet gibt, „geht es mit den Pferdewetten exorbitant bergab“. Wenig verwunderlich, dass auf der Galopprennbahn in der Freudenau schon seit 2008 keine Rennen mehr abgehalten werden. In der Freudenau gibt es zwar noch Stallungen (und Pferde), das historische Areal wird heute vorrangig für Veranstaltungen vermietet.

Wie es mit den Veranstaltungen in der Krieau weitergeht, ist ebenfalls unklar. Wenn hier eines Tages Wohnungen neben der Rennbahn stehen, ist es laut Gaál fraglich, ob Popgrößen à la Robbie Williams – aus Lärmschutzgründen – noch vor 60.000 Leuten auftreten dürfen.

Krieau

Vor 140 Jahren, am 10. April 1874, wurde der Wiener Trabrennverein (WTV) gegründet. Vier Jahre später eröffnete die Trabrennbahn, die bis heute in Betrieb ist.

Ihre Blütezeit erlebte die Krieau Anfang des 20. Jahrhunderts. Bis in die 1960er-Jahre waren Trabrennen sehr beliebt, dann ging es bergab.

Heute gibt es etwa 25 Renntage im Jahr, an denen bis zu 14 Rennen hintereinander abgehalten werden. Die nächsten Winterrennenfinden morgen, Montag (ab 17.25 Uhr), statt. Infos: www.krieau.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2014)

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