Wenn Gerichtsgutachter Kripo spielen

Richter haben es auch nicht immer leicht: Auf welchen Gutachter sollen sie zeigen, auf den
Richter haben es auch nicht immer leicht: Auf welchen Gutachter sollen sie zeigen, auf den "alten", oder sollen sie einen neuen bestellen (Bild: Telekom-Richter Michael Tolstiuk)APA/R. Schlager
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Der OGH bestimmt erstmals: Gutachter, die während der Ermittlungen zum verlängerten Arm der Ermittler werden, kommen später nicht mehr als Gerichtsgutachter in Frage.

Man kennt das aus den großen Korruptions- und Wirtschafts-Strafverfahren: Der Staatsanwalt dirigiert die Ermittlungen, erteilt Aufträge an die Polizei, bestellt einen Gutachter, der Zahlungsströme oder Kontenbewegungen unter die Lupe nimmt. Kommt genug für eine Anklage zusammen, wird diese bei Gericht eingebracht. Eine Verhandlung wird anberaumt. Und dann kommt etwas, das regelmäßig für Wirbel sorgt: Das Gericht bestellt jenen Gutachter, der durch seine Expertise dem Staatsanwalt die Anklage ermöglicht hat, zum Gerichtsgutachter.

Die Verteidigung blitzt mit ihren - von den Beschuldigten finanzierten - (Privat-)Gutachtern in der Regel ab. Diese dürfen zwar dem Prozess beiwohnen und die Beschuldigten beraten, ihre Gutachten werden aber nicht als Gerichtsgutachten anerkannt. Dies sei ungerecht, Gutachter, die bereits dem Staatsanwalt geholfen haben seien einseitig/befangen, wettern meist die Anwälte. Und eine neue OGH-Entscheidung gibt ihnen erstmals in einem Teilbereich recht.

Wenn Gutachter bei ihrer Arbeit sozusagen Kriminalpolizei spielen, also selber "ermitteln", dann seien sie später, im Prozess, tatsächlich als befangen einzustufen. Und das Gericht müsse für den Prozess einen neuen Sachverständigen zuziehen. Dies ist kurz gesagt das Resumee der bemerkenswerten Entscheidung. Aber der Reihe nach.

An sich ist in der Strafprozessordnung klar festgehalten: "Im Hauptverfahren kann die Befangenheit eines Sachverständigen oder Dolmetschers nicht bloß mit der Begründung geltend gemacht werden, dass er bereits im Ermittlungsverfahren tätig gewesen ist." Im übrigen ist zu bedenken, dass sowohl Staatsanwälte als auch Gutachter zur Objektivität verpflichtet sind. Die Gutachter selbst sind natürlich auch den Regeln der Kunst verpflichtet. Insofern kann freilich nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass staatsanwaltlich bestellte Sachverständige "von Haus aus" gegen den jeweiligen Beschuldigten eingestellt sind.

Wundersame Sachverständigen-Mutation

Der OGH, Senat 12, nimmt nun in der brisanten Entscheidung 12 Os 90/13x-17 erstmals einige wichtige Weichenstellungen vor: "Wenn ein Sachverständiger bei einem sehr allgemeinen Anfangsverdacht von der Staatsanwaltschaft mit nicht weiter determinierten Erhebungen zu einer Straftat (...) beauftragt wird und das vorhandene (...) Beweismaterial aufarbeitet und auf ein strafrechtliches Verdachtssubstrat hin untersucht, dann mutiert er von einem unabhängig agierenden Experten (...) zu einem verlängerten Arm der Ermittlungsbehörden und damit funktional zu einem Organ der Ermittlungsbehörde."

Die Höchstrichter ziehen einen Vergleich: "Wer in derselben Strafsache als Kriminalbeamter tätig war, darf später nicht als Staatsanwalt agieren und umgekehrt." Übrigens: Auch ein Richter, der im Vorverfahren tätig war (etwa eine Hausdurchsuchung gemehmigt hat), darf später nicht in der Verhandlung eingesetzt werden.

Jedenfalls kommt der OGH zu dem Schluss: "Wer daher inhaltlich als Ermittlungsorgan gewirkt hat, darf nicht später als Sachverständiger einschreiten; vielmehr wirkt eine solche funktional als Ermittlungsorgan erfolgte Vorbefassung als Befangenheitsgrund." Und die Gerichte müssten in solchen Fällen für die Verhandlungen neue Gutachter bestellen. Sie dürften nicht die "alten", staatsanwaltlich bestellten Sachverständigen übernehmen.

Fazit: Wer als Gutachter aufgrund eines (zu) schwammigen Auftrags des Staatsanwalts Kripo spielt oder spielen muss, ist später in der Verhandlung quasi nur Zaungast.

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