Was die Polizei auf Facebook macht

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Polizei , Facebook(c) REUTERS (DADO RUVIC)
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Eine Beamtin, die mittels Facebook-Account fahndet, eine 15-Jährige, die die Tötung ihrer Freundin online zur Debatte stellt: soziale Online-Netzwerke und die Polizei – ein Grenzgang.

Fall 1: Eine junge Polizistin aus Oberösterreich stellt im Dienst eine offizielle Fahndungsmeldung ins Internet – und zwar auf ihrer Facebook-Seite. Die Beamtin benutzt dafür ihr privates Smartphone. Mit Erfolg: Die vermisste Person, ein psychisch kranker 16-Jähriger, wird ausfindig gemacht. Er war keinem Verbrechen zum Opfer gefallen, sondern befand sich stationär in Spitalsbehandlung (das Spital hatte sich nicht davon überzeugt, dass der Jugendliche, wie versprochen, seine Eltern anruft und Bescheid sagt).

Fall 2: In Wien steht eine 16-Jährige wegen Mordes vor Gericht. Die Jugendliche hat ihre beste Freundin erstochen. Motiv: Das spätere Opfer brüstete sich damit, den Exfreund der Täterin erobert zu haben. Urteil: vier Jahre Haft, nicht wegen Mordes, sondern wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung mit Todesfolge. Das damals erst 15-jährige Mädchen hatte die Tat auf Facebook zur Debatte gestellt: „Beste Freundin hängt mit Ex herum. [. . .] Leben oder Tod??? Auf was tippt ihr?“ Ein Facebook-Freund schrieb zurück: „Tooot?“ Das Mädchen erwiderte: „Jackpot! Der Gewinner kriegt sie von mir tot geschenkt. Na Spaß.“

Ist die in Fall 1 erfolgte Vermischung von Dienstlichem und Privatem zulässig? Hätte die Polizei in Fall 2 die Chronik eines „angekündigten“ Todes ändern können, etwa durch Beobachtung sozialer Netzwerke? „Die Presse“ beantwortet die Grundfragen zum Umgang der Polizei mit sozialen Netzwerken.

1 Surft die Polizei selbst innerhalb sozialer Netze, wie etwa Facebook, Twitter, YouTube oder Google?

„Die Jagd ist beendet. Der Terror ist vorbei.“ Mit dieser Mitteilung erklärte das Boston Police Departement vorigen April, dass – nach dem Tod des ersten Mannes – nun der zweite der beiden Bombenattentäter des Boston-Marathons gefasst worden sei. Weltweites Aufatmen. Die Meldung der Polizei war auf dem Kurznachrichtendienst Twitter zu lesen. Schon tagelang hatten diverse Behördenmitteilungen auf mehreren Internetnetzwerken die Runde gemacht. Und waren von Privatpersonen millionenfach weiterverbreitet – aber leider auch durch eigene Falschmeldungen angereichert worden.

Eine so starke Einbindung sozialer Medien findet in Österreich zwar nicht statt, sehr wohl aber wird auch hierzulande online gefahndet. So hat etwa das Bundeskriminalamt (BK) oder die Wiener Polizei eigene Facebook-Accounts, wo beispielsweise mittels Fotos aus Überwachungskameras und Personenbeschreibungen nach flüchtigen Verdächtigen (zum Beispiel Juwelierräubern) gesucht wird. Das Interesse privater Nutzer am Social-Media-Auftritt der Polizei ist durchaus gegeben, wenngleich überschaubar. Das BK zählte am Samstag 31.326 Personen, die das Prädikat „Gefällt mir“ vergaben, die Wiener Polizei 9029. Zum Vergleich: Skistar Marcel Hirscher „gefällt“ (Stichtag Sonntag) 290.266 Fans, Fußballliebling David Alaba gar 922.417.

2 Was passiert, wenn Polizeibeamte dienstliche Schritte auf privat genutzten Online-Netzwerken setzen?

Dies ist ein heikler Grenzgang. Die oben erwähnte Linzer Polizeibeamtin kam ohne rechtliche Konsequenzen davon und erntete im Nachhinein sogar Lob. Doch sie hatte Glück: Da es sich um eine Vermisstenfahndung handelte, die bereits von der Polizei zum Schutz des Gesuchten öffentlich gemacht worden war, war folgende Auslegung möglich: Die Beamtin habe auf Facebook doch nur Informationen „geteilt“, die bereits bekannt waren. Wäre dies nicht der Fall gewesen, so wäre eine strafbare Verletzung von Datenschutzrichtlinien (noch dazu bei einem Jugendlichen) gegeben gewesen.

Vor allem aber wären Verstöße gegen das Strafrecht zu prüfen gewesen. Am ehesten: Amtsmissbrauch (Strafdrohung: bis zu fünf Jahre Haft) oder Verletzung des Amtsgeheimnisses (bis zu drei Jahre Gefängnis). Obendrein wäre wegen des dann anlaufenden Ermittlungsverfahrens ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden. So aber bleibt unter dem Strich das Bild einer engagierten Beamtin.

3 Inwieweit beobachten die Behörden digitale Aktivitäten, um Gefahren abzuwehren oder um zu ermitteln?

Das hängt von der Kriminalitätssparte ab. Soziale Netzwerke, die weltweit von Millionen Menschen gefüttert werden, so weit zu überblicken, dass irgendwelche Straftaten vermieden werden, ist aussichtslos. So hätte die Polizei auch im Fall der 16-jährigen Messerstecherin präventiv nichts ausrichten können. Ermittlungen im Netz sind meist anlassbezogen. Beispiel: Polizei forscht nach Stalkinganzeige im Internet, ob der Verdächtige seine Ex-Freundin tatsächlich im Internet verfolgt. Geht es um Internetkriminalität (Cyber-Crime: etwa Betrug durch vorgetäuschten Internetversandhandel oder Phishing, also das Herauslocken von Passwörtern), werden „Bezirks-IT-Ermittler“ eingesetzt. Zudem wird bis Jahresende das Cyber-Crime Competence Center (C4) im BK ausgebaut. Laut dem Cyber-Crime-Report des Innenressorts für 2012 ist die IT-Kriminalität gestiegen. Es gab 10.231 Anzeigen, 112,6 Prozent mehr als im Jahr davor.

Indes hilft der Gesetzgeber seit 1. April 2012 gehörig mit. So werden etwa sogenannte Vorratsdaten von Mobilfunkanbietern und Internetprovidern (Beispiel: wer wann mit wem im Netz kommuniziert) sechs Monate gespeichert. Die Polizei darf diese nutzen, um gegenwärtige Gefahren für Leib und Leben eines Menschen abzuwehren.

AUF EINEN BLICK

Soziale Netzwerke im Internet werden von den österreichischen Polizeibehörden teils aktiv „bespielt“, so hat etwa das Bundeskriminalamt einen eigenen Facebook-Account (www.facebook.com/bundeskriminalamt). Die Nutzung privater Onlineplattformen für dienstliche Zwecke stößt aber datenschutzrechtlich an enge Grenzen. Indes bekämpfen Ermittler verstärkt IT-Kriminalität, in Wien wird ein Cyber-Crime Competence Center ausgebaut.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2014)

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