Rapid-Fans und Ball-Demonstranten als Landfriedensbrecher?

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Nicht nur Rapid-Fans, sondern auch Anti-FPÖ-Ball-Demonstranten werden wegen Landfriedensbruchs verfolgt.

„Fünf Rapid-Fans in U-Haft!“ Welche Brisanz diese kürzlich erschienene Schlagzeile birgt, erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Es wird nämlich ein antiquiert anmutendes Delikt herangezogen: Landfriedensbruch. Unter diesem – dringenden – Verdacht steht das Quintett. Dutzende andere übrigens auch. Diesen blieb aber die U-Haft erspart. Rechtsstaatlich heikel ist, dass allein die Teilnahme an der „Zusammenrottung“ einer auf Gewalttaten abzielenden „Menschenmenge“ (§274 Strafgesetzbuch) strafbar ist – sofern es tatsächlich zu Gewalttaten kommt.

1. Warum werden ausgerechnet Fußballfans wegen Landfriedensbruchs verfolgt?

Diese Frage sorgt für hitzige Debatten – nicht nur in Fanzirkeln rund um die für ihren unbändigen „Support“ bekannte Westtribüne des Hütteldorfer Hanappi-Stadions. Die Vorwürfe beziehen sich auf den 7.September 2013. Damals kam es zu Ausschreitungen vor dem Stadion im Anschluss an ein Freundschaftsspiel zwischen dem SK Rapid Wien und dem 1. FC Nürnberg. Die beiden Vereine, vor allem deren Fans, pflegen freundschaftliche Beziehungen – die Wut richtete sich gegen die Polizei und entzündete sich in mehreren Stufen. Polizeieinheiten schritten ein, weil eine Kamera in einer Tiefgarage von Fans manipuliert worden sein soll, weil eine Zusammenrottung beobachtet wurde und weil ein Fan das Kennzeichen eines Streifenwagens abmontierte. Letztlich kam es zu schweren Zusammenstößen. Mit Verletzten auf beiden Seiten. Und beschädigten Polizeiautos. Die Polizei berichtete von „einzigartiger und bisher noch nicht da gewesener Aggressions- und Gewaltbereitschaft“.

Der mit Rechtsanwälten kooperierende Verein Rechtshilfe Rapid meldete konträr: „Sondereinheiten stürmen mit Waffengewalt und verletzen dabei zahlreiche Unschuldige, nur um Sachbeschädigungen (Videokameras) und einen Diebstahl (Nummernschild) zur Anzeige zu bringen oder ihr männerbündnerisches Ehrgefühl wiederherzustellen.“ Nun, fünf Monate später – so lange dauerte die Auswertung der Bilder der Stadionkameras –, kamen die Verhaftungen. Die Anklage stützt sich (nicht ausschließlich) auf das Delikt Landfriedensbruch.

2. Wie gehen die Behörden mit gewalttätigen Anti-FPÖ-Ball-Demonstranten um?

Im Zuge der großteils friedlichen Proteste gegen den am 24. Jänner in der Hofburg stattfindenden Akademikerball der FPÖ war es zu Zerstörungen (zertrümmerte Auslagen, demolierte Polizeiautos etc.) gekommen. Ungefährer Sachschaden: eine Million Euro. Nur ein verdächtiger Demonstrant konnte bisher, laut aktuellen Angaben der Staatsanwaltschaft, namentlich ausgeforscht werden. Er sitzt in U-Haft. Ansonsten laufen die Ermittlungen gegen unbekannte Täter. Ausgang: höchst ungewiss, da etliche Demonstranten, insbesondere die Mitglieder des Schwarzen Blocks, vermummt waren. Der Verdacht auch hier: Landfriedensbruch.

3. Welche Besonderheiten weist das Delikt Landfriedensbruch auf, wie wird es bestraft?

Es kommt auf die „wissentliche Teilnahme“ an besagter Zusammenrottung einer Menschenmenge an. In der juridischen Literatur wird der Begriff Menge mit mindestens 100 Personen umrissen. Zwar liegt Landfriedensbruch nur vor, wenn tatsächlich Gewalttaten, wie etwa Mord, Körperverletzung, schwere Sachbeschädigung, begangen werden, aber – und darauf weist etwa der rechtswissenschaftliche Kommentar von Ernst-Eugen Fabrizy hin: „Bestraft werden auch Personen, die nicht unmittelbar für die Gewalt verantwortlich gemacht werden können.“ Es gilt also im negativen Sinn: Dabei sein ist alles. Teilnehmern der Zusammenrottung drohen bis zu zwei Jahre, führenden Teilnehmern bis zu drei Jahre Haft.

4. Welche Lehren können bereits jetzt aus der Vergangenheit gezogen werden?

Hier dominiert ein Stichwort: Westbahnhof-Prozess. Fanatische Rapid-Anhänger wollten im Mai 2009 von einem Auswärtsmatch heimkehrende Anhänger des Stadtrivalen FK Austria Wien vom Westbahnhof „abholen“. Fazit: Zusammenstöße mit der dazwischen gehenden Polizei. Im darauf folgenden Monsterverfahren wegen Landfriedensbruchs gegen 93 Rapid-Fans setzte es 75Schuldsprüche. Die höchste Strafe, 14Monate Haft (später wurde die Fußfessel bewilligt), fasste ein damals führender Kopf der Rapid Ultras aus. Dieser Mann ist nun unter den neuerlich Verhafteten. Abgesehen von rechtskräftigen Verurteilungen brachte das Verfahren sogar eine Gesetzesänderung. Früher hatten Beschuldigte nicht das Recht, sich Bildaufnahmen (Beispiel: Überwachungskameras) via Akteneinsicht aushändigen zu lassen. Dieses pauschale Verbot der Ausfolgung von mitunter sehr wichtigem Beweismaterial wurde vom Verfassungsgerichtshof gekippt. Seit 1. Jänner dieses Jahres gilt eine neue, aufgelockerte Bestimmung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2014)

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