Die Rückkehr der Kinderkrankheiten

MASERN-EPIDEMIE IN SALZBURG: BLUTLABOR/TITERBESTIMMUNG
MASERN-EPIDEMIE IN SALZBURG: BLUTLABOR/TITERBESTIMMUNG(c) APA
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In Österreich werden seit einigen Monaten wieder vermehrt Fälle von Masern, Mumps und Keuchhusten gemeldet. Hauptursache ist die Weigerung vieler Eltern, ihre Kinder zu impfen.

Wien. „If you are afraid of the vaccine, try the disease“, lautet ein altes Sprichwort unter Medizinern, um die Bevölkerung auf die Notwendigkeit von Impfungen aufmerksam zu machen. Eine Warnung, die zuletzt so aktuell wurde wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Denn durch ungenügende Durchimpfungsraten gibt es in Österreich wieder deutlich mehr Fälle von Kinderkrankheiten wie Mumps, Keuchhusten und vor allem Masern. 2013 wurden in Österreich 79Maserninfektionen registriert, im Jahr zuvor waren es nur 30.

Bei einem Masernausbruch im Raum Kitzbühel in Tirol erkrankten im Februar und März 2013 vor allem Kinder und Jugendliche, deren Eltern erklärte Impfgegner waren. Dabei sind Masern alles andere als eine harmlose Kinderkrankheit. In 20 Prozent der Fälle treten Komplikationen wie Mittelohr- und Lungenentzündungen auf. Bei zwei von 1000 Fällen sind Gehirnentzündungen die Folge – mit dramatischen Verläufen bis hin zu Todesfällen oder schweren bleibenden Schäden. Derzeit sind vor allem Niederösterreich und Wien von einer Masernepidemie betroffen. Allein in der vergangenen Woche wurden vier neue Fälle gemeldet. „Erstaunlicherweise ist gerade bei Personen mit hohem Bildungsniveau eine große Skepsis gegenüber Impfungen verbreitet“, sagt der Wiener Kinder- und Jugendarzt Rudolf Schmitzberger. „Und das, obwohl aus Risikoanalysen der empfohlenen Impfungen ein deutliches Überwiegen des medizinischen Nutzens im Vergleich zu möglichen Nebenwirkungen hervorgeht.“

Eine Entwicklung, die auch in anderen europäischen Staaten wie beispielsweise Deutschland zu beobachten sei. „Viele beziehen unseriöse Informationen aus dem Internet und machen ihre Impfskepsis zu einer Glaubensfrage, aber Medizin hat mit Glauben nichts zu tun“, betont der Mediziner. „Bei diesen Impfungen ist die Angst vor Nebenwirkungen ganz und gar irrational und unbegründet.“

Mumps auf dem Vormarsch

Zuletzt wurden auch vermehrt Mumpsinfektionen registriert – bei dieser Krankheit nehmen die Komplikationen mit dem Alter zu. Während und nach der Pubertät kann es bei Männern etwa zu Hodenentzündungen kommen – mit möglicher Unfruchtbarkeit als Folge. Die Dreifach-Kombinationsimpfung gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) ist in Österreich im Gratiskinderimpfprogramm enthalten. Empfohlen wird die Gabe von zwei Dosen MMR-Impfstoff ab dem elften Lebensmonat. Die zweite Teilimpfung sollte möglichst bald, frühestens jedoch vier Wochen nach der ersten Teilimpfung erfolgen. Fehlende MMR-Impfungen können in jedem Alter nachgeholt werden. Erwachsene sollten eine fehlende Immunität (Bluttest auf Antikörper) unverzüglich nachholen. Derzeit ist diese Impfung in Österreich aufgrund der starken Masernvirusaktivität in Europa bis zu einem Alter von 45 Jahren kostenfrei erhältlich.

Neben Masern und Mumps nahm in den letzten Jahren auch die Zahl der an Keuchhusten erkrankten Erwachsenen deutlich zu, besonders betroffen sind 40- bis 45-Jährige. Der Keuchhusten ist – ebenso wie Masern und Mumps – eine durch Tröpfcheninfektion übertragbare Erkrankung. Erwachsene sind die häufigste Infektionsquelle für Säuglinge, für die Keuchhusten sehr gefährlich sein kann.

„Daher werden regelmäßige Auffrischungsimpfungen (alle zehn Jahre) für Jugendliche und Erwachsene sowohl als Eigenschutz als auch zum Schutz von Familienmitgliedern dringend angeraten“, sagt Schmitzberger. „Am besten als Dreifachimpfstoff oder noch besser als vierfache Kombinationsimpfung gegen Diphtherie, Tetanus und Kinderlähmung.“

Kinderlähmung fast ausgerottet

Letztere war bereits durch internationale Impfprogramme fast ausgerottet. 2013 sorgten Polioviren nur mehr in drei Ländern für Probleme: Afghanistan, Nigeria und Pakistan. Erneute Ausbrüche gab es zuletzt in Afrika (Großraum Horn von Afrika) und Syrien. Auch in Israel und Ägypten wurden jüngst Polioviren in Abwasserproben gefunden. Schmitzberger: „Es ist daher nach wie vor notwendig, im Rahmen der Gratissäuglingsimpfung gegen Kinderlähmung zu impfen bzw. alle zehn Jahre für eine entsprechende Auffrischung zu sorgen.“

AUF EINEN BLICK

Mehr Fälle von Masern. 2013 wurden in Österreich 79 Maserninfektionen registriert, im Jahr zuvor waren es nur 30. Die meisten Erkrankungen (19) gab es in Niederösterreich. Auch Mumps und Keuchhusten sind wieder auf dem Vormarsch. Der Hauptgrund für die Rückkehr der Kinderkrankheiten ist die Weigerung vieler Eltern, ihre Kinder aus Angst vor Impfreaktionen bzw. Nebenwirkungen zu impfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2014)

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