Innsbruck prüft neues Bettelverbot

(c) Hans Klaus Techt
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Die Innsbrucker Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer will eine umstrittene Verordnung prüfen lassen, die in Teilen der Innenstadt das Betteln verbieten würde.

Wien. Eigentlich ist die Situation in Tirol rechtlich eindeutig. Seit Jahresanfang ist Betteln in „stiller und passiver Form“ wieder erlaubt. „Aggressives, aufdringliches Betteln“ sowie gewerbsmäßiges und organisiertes Betteln bleiben hingegen verboten. So wie das Betteln unter der „aktiven Beihilfe von Kindern“. Das geht aus dem neuen Landes-Polizeigesetz hervor, das nach einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs im Juni 2012 im Landtag angepasst wurde.

Damals hatte der VfGH das in Salzburg geltende, absolute Bettelverbot wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz und gegen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aufgehoben. Allerdings werden im Landes-Polizeigesetz Gemeinden ermächtigt, mit einer Verordnung an bestimmten Orten das stille Betteln doch zu untersagen – und zwar dann, falls eindeutige „Missstände“ festgestellt werden. Sich also beispielsweise die Zahl der Bettler dramatisch erhöht und die Bevölkerung sich massiv gestört fühlt. Wegen dieser „Hintertür“ ist in Innsbruck vor einigen Tagen eine Art Rechtsstreit über das Bettelverbot entbrannt.

FPÖ-Antrag als Stein des Anstoßes

Stein des Anstoßes war ein Antrag, den die FPÖ vergangene Woche im Gemeinderat einbrachte – mit der Forderung nach einem „räumlich begrenzten Bettelverbot“ zwischen 7 und 23 Uhr in rund 20 Straßenzügen Innsbrucks. Gemeint ist de facto die gesamte Innenstadt. Denn die FPÖ sieht besagte Missstände als gegeben. Tatsächlich gibt es seit Jänner deutlich mehr Bettler in der Tiroler Landeshauptstadt.

Wenig überraschend fiel der Antrag dennoch durch. Die Regierungsparteien SPÖ und Grüne sowie die oppositionelle ÖVP stimmten dagegen. Einzig die Fraktion „Für Innsbruck“ von Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer zeigt Sympathie für Teile des Antrags und will seine Ablehnung nicht so ohne Weiteres akzeptieren. Man werde vor dieser „wahrnehmbaren Veränderung“ in Innsbruck nicht die Augen verschließen und daher eine Verordnung prüfen lassen, um die rechtlichen Möglichkeiten nach einem räumlich und zeitlich begrenzten Bettelverbot auszuloten. Das stünde keineswegs im Widerspruch zum Landes-Polizeigesetz.

„Nach der Prüfung der Verordnung werden wir diese in einigen Wochen erneut dem Gemeinderat zur Abstimmung vorlegen“, sagt die Bürgermeisterin im Gespräch mit der „Presse“. Obwohl SPÖ, Grüne und ÖVP ihren Vorstoß ablehnen, kann sie sich eine Zustimmung im Gemeinderat vorstellen. Denn dass sich die Zahl der Bettler in manchen Stadtteilen deutlich erhöht habe, sei Realität. Das würde auch keine der anderen Parteien leugnen. Tun sie auch nicht. Eine bettelfreie Zone können sie sich aber dennoch nicht vorstellen, da sie einem absoluten Bettelverbot gleichkomme, was rechtlich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht standhalten würde. Das war auch der Grund, warum im März 2013 in Salzburg eine neue Verordnung, die das Betteln an stark frequentierten Orten in der Innenstadt generell untersagt hätte, keine Mehrheit fand.

Einzig die FPÖ jubelt über die Ankündigung der Bürgermeisterin und wirft gleichzeitig der Exekutive vor, gegen aggressives und organisiertes Betteln nicht ausreichend vorzugehen. Dafür würden der Polizei die personellen Ressourcen fehlen.

Im Februar nur eine einzige Anzeige

Ein Vorwurf, den Stadtpolizeikommandant Martin Kirchler scharf zurückweist. Dass die Politik jetzt versuche, den Ball an die Polizei zurückzuspielen, sei nicht zu akzeptieren. „Jeden Tag kontrollieren zivile Beamte mehrere Stunden lang Bettler. Im Februar etwa haben wir 21 Personen kontrolliert, lediglich vier von ihnen haben aggressiv gebettelt“, sagt Kirchler. Das sei keine besorgniserregende Zahl.

Auch die Zunahme an Bettlern seit Jahresanfang sei bei Weitem nicht so dramatisch, wie die „Agitatoren“ behaupten würden. „Sie bewegt sich im Bereich der üblichen Schwankungen. In der Vorweihnachtszeit 2013 beispielsweise gab es einen ähnlich starken Anstieg an Bettlern in Innsbruck“, so Kirchler. Im Februar habe es nur eine einzige Anzeige wegen aggressiven Bettelns und nur „einige wenige“ Beschwerden deswegen gegeben. So schlimm könne die Situation also nicht sein. Kirchler appelliert an die Bevölkerung, bei derartigen Belästigungen sofort die Polizei zu rufen, damit diese Fälle besser dokumentiert werden könnten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2014)

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