"Blaue Donau": Plastikmüll, überall

(c) Clemens Fabry
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Eigentlich suchten Wiener Forscher im Fluss nach Fischlarven. Gefunden haben sie aber Tonnen von Plastikmüll, der täglich durch Österreich gespült wird - "in bedenklichem Ausmaß".

Wien. Die ganz großen Umweltsünden sind im Europa des 21. Jahrhunderts selten geworden. Zu dicht ist inzwischen das Netz aus Vorschriften und Kontrollen, als dass sich irgendwer wirklich leisten könnte, Tonnen von Müll in Flüsse zu kippen.

So kann man sich täuschen. Ein Team von Wiener Wissenschaftlern konnte es anfangs nämlich selbst nicht glauben. Eigentlich haben sie auf einem vergleichsweise kurzen Abschnitt von Europas längstem Fluss (insgesamt 2581 Kilometer) zwei Jahre lang nach Fischlarven und der Antwort auf die Frage gesucht, wie sich eben diese mit der Strömung verbreiten. Gefunden haben die Forscher in der Donau zwischen Wien und Bratislava jedoch hauptsächlich Plastikmüll.

Die Untersuchung ist brandneu und gerade eben im Fachjournal „Environmental Pollution“ erschienen. Doch auch in der Populärwissenschaft ist den beiden Hauptautoren, Hubert Keckeis und Aaron Lechner vom Department für Limnologie und Ozeanografie der Universität Wien, Aufmerksamkeit sicher. Spätestens der Film „Plastic Planet“ des Dokumentarfilmers Werner Boote hat das Problem weltweit ins Bewusstsein gebracht. Dass neben den Meeren auch Fließgewässer stark betroffen sind, ist jedoch neu.

4,2 Tonnen täglich

Aus den Messergebnissen lässt sich ableiten, dass täglich zumindest 4,2 Tonnen Plastikmüll von der Donau ins Schwarze Meer gespült werden. „Das ist schon eine Menge von bedenklichem Ausmaß“, bewertet Keckeis diese Zahl. Eigentlich wollten er und sein Team durch die Studie erfahren, wie sich Fischlarven durch die Strömung im Fluss verbreiten. Dafür nutzten sie spezielle, mit Messgeräten ausgestattete Netze. Statt Fischlarven blieben darin jedoch hauptsächlich Plastikpartikel hängen.

Wobei: Die Zusammensetzung der entdeckten Kunststoffe lässt darauf schließen, dass nur die wenigsten von ihnen in böser Absicht in die Donau gekippt wurden. 79 Prozent der meist nur wenige Millimeter großen Partikel sind nämlich industrielles Rohmaterial. Diese sogenannten Pellets sind der Grundstoff für spätere Kunststoffprodukte. Niemand hätte jedoch ein Interesse daran, bereits den Grundstoff, ohne ihn verwertet zu haben, illegal zu entsorgen. Keckeis vermutet daher, dass das Material im Zuge industrieller Prozesse ungewollt verloren geht. Konkretisieren kann er seinen Verdacht jedoch nicht. Da das Studiendesign eigentlich auf das Aufspüren von Fischlarven optimiert war, konnten jene Stellen, an denen die Kunststoffe in den Fluss gelangen, nicht ausfindig gemacht werden.

Der Rest des mitgeschwemmten Kunststoffs, 21 Prozent, ist immer noch Müll, der – manchmal achtlos, manchmal bewusst – im Fluss landet.

Durch den Fisch zum Menschen

Was bedeutet nun der erstmals in einem großen Fließgewässer nachgewiesene Anteil von Kunststoffen für die Umwelt? Auf die Qualität des Wassers an sich sind die Auswirkungen vergleichsweise gering. In regelmäßigen Untersuchungen schneidet die Donau diesbezüglich gar nicht so schlecht ab.

Für die Nahrungskette sind Kunststoffe jedoch problematisch. Fische neigen dazu, das Granulat mit Nahrungspartikeln wie Fischeiern, Insektenlarven oder Kleinstkrebsen zu verwechseln. Die Folgen sind im günstigsten Fall Unterernährung. Krankheiten, Entzündungen und Tod sind jedoch genauso möglich. Dabei gelten ohnedies bereits zwei Drittel der in der Donau vertretenen Fischarten als vom Aussterben bedroht. Der Kunststoff könnte das verstärken.

Die Plastikpartikel sind bei einem Verzehr der Fische auch für Menschen problematisch. Laut Untersuchungen deutet vieles darauf hin, dass auf diese Weise giftige, im Kunststoff enthaltene Stoffe wie Phtalate oder BiphenolA im Körper angereichert werden könnten.

AUF EINEN BLICK

Forscher der Uni Wien haben von 2010 bis 2012 die Verbreitung von Fischlarven in der Donau untersucht. Im Abschnitt zwischen Wien und Bratislava gingen ihnen dabei vor allem Plastikpartikel ins Netz. 4,2 Tonnen gelangen so tagtäglich ins Schwarze Meer. Kunststoff kann die Tiere töten und über Verzehr auch zum Menschen gelangen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2014)

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