Glamour und wachsende Armut: Die zwei Gesichter Salzburgs

STADT SALZBURG (ARCHIV)
STADT SALZBURG (ARCHIV)APA/BARBARA GINDL
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Ein Porträt einer Stadt, die sich so gerne in ihrer eigenen Bedeutung sonnt, aber auch eine zweite, weniger glänzende Seite hat.

Frau T. ist Anfang 50. Die Salzburgerin lebt seit zehn Jahren am Existenzminimum. Sie hat eine kleine Wohnung und muss für sich und ihre Kinder sorgen. Weil ihr Lohn als Angestellte oft nicht reichte, arbeitete Frau T. nebenher als Putzfrau, Pflegerin und Verkäuferin. Doch irgendwann ging sich das alles nicht mehr aus, sie wurde krank, brauchte Spitalsaufenthalte, Therapien und Rehabilitation.

Die Salzburgerin wurde gekündigt, das Geld reicht kaum. Extras sind schon lange nicht mehr drinnen. Die Salzburger Wärmestube, ein privater Verein, der Menschen in Not hilft, ist für die Frau zur Zuflucht geworden. „Am Anfang habe ich mich geniert, hierherzukommen“, erzählt sie. Doch die Not war größer als die Scham: „Ich bin froh über die warme Mahlzeit.“ In der Wärmestube gibt es dreimal wöchentlich kostenlose Mahlzeiten, Wasch- und Duschmöglichkeiten, einen Aufenthaltsraum, eine Waschmaschine. An diesem Samstag Anfang März sind kaum noch Plätze frei. Es gibt Gulasch, die Teller sind so voll, dass der Saft über den Rand schwappt. Die Luft ist zum Schneiden, fast jeder Gast raucht.

Es werden immer mehr Menschen, die sich in Salzburg in ihrer Not an Sozialeinrichtungen wie die Wärmestube wenden. Die Zahl der Mindestsicherungsempfänger ist von 6929 im Jahr 2011 auf 7156 im Jahr 2012 gestiegen. Als die Wärmestube vor zwölf Jahren aufgesperrt hat, kamen 20 bis 30 Personen pro Tag. Heute stellen sich bis zu 150 Menschen um das kostenlose Essen an, erzählt Ernst Flatscher. Der Manager und ehemalige Gemeinderat in der Stadt Salzburg gehört zu den Gründern der Wärmestube: „Über die wachsende Armut wird in der Stadt Salzburg gerne der Mantel des Stillschweigens gebreitet“, sagt er und fordert mehr Engagement der Politik, um die versteckte Not zu lindern.

Salzburg ist ein teures Pflaster.Es ist eine Stadt, in der es viele wohlhabende Menschen gibt und immer mehr, die finanziell gerade so über die Runden kommen. Rund zehn Prozent der Menschen in Salzburg gelten als armutsgefährdet. Das liegt auch an den hohen Wohnungskosten.


13,48 Euro pro Quadratmeter. Die Arbeiterkammer hat für 2012 einen durchschnittlichen Mietpreis von 13,48 Euro pro Quadratmeter in der Stadt erhoben. Gegenüber 2011 ist das eine Steigerung von 6,7 Prozent. Eine Wohnung in passabler Lage ist für viele Familien unfinanzierbar. Man weicht ins Umland aus, das Pendeln in die Stadt ist aber auch nicht gerade billig und ein Teil der Salzburger Verkehrsmisere. Wohnen und Verkehr waren daher auch die dominierenden Themen im Stadtwahlkampf, bei dem elf Listen um den Einzug in den Gemeinderat rittern. Um das Amt des Stadtoberhaupts bewerben sich acht Kandidaten.

Laut aktuellem Sozialbericht sind knapp 3300 Haushalte als wohnungssuchend gemeldet. 2012 wurden gerade einmal 334 städtische Wohnungen vergeben. Seit Jahren hinkt die Bautätigkeit dem Bedarf hinterher. Die Prognose der Abteilung für Raumplanung geht für das Jahr 2031 von einer Zunahme der Wohnbevölkerung um vier Prozent und der Haushalte um acht Prozent aus. Der Wohnbedarf soll bis 2031 um 15 Prozent steigen. Unter dem Stichwort Urbanisierung steht Planungsstadtrat Johann Padutsch (Bürgerliste) für eine „Nachverdichtung“. Im Klartext: Es wird höher und enger gebaut, die Menschen leben noch näher beisammen. Schließlich sind die für Wohnraum verfügbaren Flächen in einer Stadt mit 8568 Hektar und einer tendenziell wachsenden Wohnbevölkerung von derzeit 147.800 Menschen rar.

Die Wärmestube liegt an der Ignaz-Harrer-Straße. Eine Gegend, die lange im toten Winkel der Stadtentwicklung lag. Es gibt Kebabstände, Wettbüros und Boutiquen, die schon bessere Zeiten gesehen haben. Die Menschen, die hier wohnen, gehören tendenziell nicht zu den Reichen und Schönen dieser Stadt. Der Anteil der Ausländer – in Salzburg kommt etwa jeder fünfte Einwohner ursprünglich nicht aus Österreich – und Arbeitslosen ist hoch. Viele Salzburger kennen die Gegend deshalb, weil sie hier im Stau stehen. Es ist eine fremde Welt für jene, die in den noblen Vierteln am anderen Ende der Stadt leben. Dort sind die Grundpreise in schönen Lagen für Normalverdiener längst jenseits des Vorstellbaren. Für Villen und Wohnungen in Aigen, Parsch, der Riedenburg, im Nonntal oder in der Altstadt gibt es preislich kaum Obergrenzen, berichten die Immobilienmakler. Kommt ein Objekt auf den Markt, greifen die vorgemerkten Kunden rasch zu. Salzburg lebt gut von seinem Image als Kultur- und Mozart-Stadt. Die Festspiele sind einer der größten Umsatzbringer im Sommer.

Festivalsaison.
Die Umwegrentabilität des Nobelfestivals wird auf rund 276 Millionen Euro geschätzt, etwa 3200 Arbeitsplätze hängen direkt und indirekt an diesem Kulturereignis. Restaurants, Hotels, Boutiquen, Juweliere und Galerien machen einen Gutteil ihres Jahresumsatzes in den Festivalsaisonen rund um die Mozartwoche, die Oster- und Pfingstfestspiele und im Sommer. Juli und August sind mit jeweils rund 170.000 Nächtigungen die stärksten Tourismusmonate in der Stadt.

Im vergangenen Jahr kam Salzburg auf 2,55 Millionen Nächtigungen und schloss mit einem Zuwachs von 2,6 Prozent an die Aufwärtsentwicklung an. Die brodelnde sommerliche Stadt kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Salzburg in der Zeit außerhalb der Festspiele gerne abends die Gehsteige hochklappt. Viele Menschen, die in die Wärmestube kommen, nächtigen nicht in der eigenen Wohnung. In der Tourismusstatistik scheinen sie aber nicht auf. Sie sind obdachlos.

Wahlen

Im BundeslandSalzburg finden am Sonntag in allen 119 Gemeinden einschließlich der Stadt Salzburg Bürgermeister- und Gemeinderatswahlen statt.

In der Stadt Salzburg bewerben sich elf Listen um die 40 Sitze im Gemeinderat. Acht Kandidaten treten bei der Bürgermeisterwahl an. Während in der Stadt Salzburg bisher die SPÖ die stärkste Partei war und mit Heinz Schaden den Bürgermeister stellt, dominiert in den Landgemeinden die ÖVP. Sie stellt in 94 von 119 Gemeinden den Ortschef.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2014)

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