Das Wiener Neustädter Gericht sieht sich außerstande, über die vage Anklage zu urteilen. Vor Gericht stehen unter anderem auch ehemalige Besetzer der Wiener Votivkirche.
Wiener Neustadt. Eine bemerkenswerte Entscheidung bahnt sich im viel beachteten Wiener Neustädter Schleppereiprozess an – also in jenem Verfahren um acht Asylaktivisten, in deren Reihen auch ehemalige Besetzer der Wiener Votivkirche sind: Die Vorsitzende des Schöffensenats, Petra Harbich, kritisierte am Mittwoch die unbestimmte Anklageschrift. Und kündigte eine Vertagung an.
Heute, Donnerstag, am fünften Verhandlungstag, soll diese beschlossen werden. Die restlichen neun Verhandlungstage werden damit gestrichen. Schon am Mittwoch meinte die Richterin: „Der Fall müsste eigentlich an den Untersuchungsrichter zurückgeleitet werden. Aber das sieht die neue Strafprozessordnung nicht mehr vor.“ Jedenfalls könne sie die Verhandlung „nicht so durchführen, wie ich es geplant hätte“. Zur Erklärung: Früher, als es den U-Richter gab, konnte ein Gericht weiterführende Ermittlungen „bestellen“. Wie dies nun – in Zeiten von Haft- und Rechtsschutz-Richtern – vom Gericht gelöst werden wird, bleibt abzuwarten.
Anwalt Gerhard Angeler, der Vertreter eines 37-jährigen Pakistani, hat ebenso gravierende Bedenken: „Die Anklageschrift ist so unbestimmt, dass man nicht einmal nachvollziehen kann, welche Vorwürfe welchen Angeklagten gemacht werden.“ In der Tat finden sich in dem Papier kaum konkrete Tathandlungen („Die Presse“ analysierte). Eher vage ist von „Förderung“ bzw. „Organisation“ des Weitertransports von „Fremden“ (inklusive Bereicherungsvorsatz) die Rede. Allen Angeklagten wird auch Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen.
Und noch etwas: Jene sechs Angeklagten, die seit sechs Monaten in U-Haft sitzen, stehen aufgrund der Wende im Verfahren unmittelbar vor ihrer Freilassung.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2014)