Wie viel Industrie verträgt eine Großstadt wie Wien?

(c) Clemens Fabry
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Die Beziehungen zwischen Stadtregierung und Wirtschaft sind wechselhaft. Start-ups nehmen zu, Industrieunternehmen werden weniger.

Wien. Mit dem neuen Obmann des Wiener Wirtschaftsbunds, Walter Ruck, der im Juni auch Präsident der Wiener Wirtschaftskammer wird und damit Brigitte Jank nachfolgt, kommt frischer Wind in die nicht immer friktionsfreien Beziehungen zwischen der rot-grünen Stadtregierung und der VP-dominierten Wiener Wirtschaft. Er werde mit seinem Team alles unternehmen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Wien auszubauen, und gegenüber der Stadt zwar als Partner, aber „mit Ecken und Kanten“ auftreten, so Ruck.

Tatsächlich steht im Verhältnis Wirtschaft/Stadt nicht immer alles zum Besten. So sorgte eine Studie der Wirtschaftskammer vor zwei Jahren für Aufregung und verleitete selbst die zurückhaltende Jank zu harschen Worten. Demnach macht die Stadt ihren Unternehmen das Leben nicht leicht, und zwar durch hohe Steuern, Abgaben sowie massive Gebührenerhöhungen. Zudem leiden Firmen, vor allem bei ihrer Gründung, unter der Bürokratie.

An diesen Problemfeldern hat sich in den letzten Jahren nichts geändert, sagt die Kammer. Interne Umfragen würden dies belegen. Aber demnächst soll eine neue Studie beauftragt werden, um die Vorwürfe nochmals zu hinterfragen. Was die Bürokratie betrifft, gibt es schon eine positive Entwicklung. So wurde mit der Stadt vereinbart, dass das Anlagengenehmigungsverfahren vereinfacht wird. Ab kommendem Jahr soll es nur mehr vier Standorte in Wiener Bezirksämtern geben, die so etwas durchführen. Bewerber müssen dann nicht mehr von einem Amt zum anderen tingeln.

Tatsache ist auch, dass die Wirtschaft kein einheitlicher Block ist. Start-ups, mittlere Familienunternehmen oder die großen Industriebetriebe haben unterschiedliche Probleme. Ruck hat angekündigt, dass sein Schwerpunkt vor allem die mittelständischen Unternehmen sind.

Kommt die Imagepolitur?

Was die großen Industrieunternehmen angeht, ist die Beurteilung gemischt. Zwar hat sich in den letzten 20 Jahren ihre Anzahl deutlich reduziert. Allerdings: „Wir verlieren zwar Arbeitsplätze, aber die Wertschöpfung steigt“, sagt Stefan Ehrlich-Adam, Spartenobmann Industrie in der Wiener Kammer. Von der Stadtregierung fordert er mehr atmosphärische Unterstützung ein. „Die Politik soll deutlicher sagen, dass die Industrie einen Platz hat.“ Damit könne man auch Anrainerbeschwerden leichter begegnen. Im Büro von Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner wird betont, dass die Stadtregierung viel in die Erhaltung des Wirtschafts- und Industriestandorts investiere. Die Ansiedlungsbilanzen zeigten, dass Wien als Standort weiter attraktiv sei. Traditionelle Betriebe, wie etwa Manner oder Ottakringer, hätten der Stadt ohnehin die Treue gehalten. Langsam kehrten aber auch andere nach Wien zurück, so etwa Palmers.

Einen starken Verlust muss die Stadt freilich mit der Absiedlung des Panzerbauers Steyr hinnehmen. Das sei aber ein Sonderfall, heißt es unisono von Stadt und Wirtschaftsvertretern. Die Firmenleitung habe angesichts der sinkenden Nachfrage nach schweren Waffen beschlossen, den Standort Wien zu reduzieren. Da könne auch die beste Standortpolitik der Stadt nicht viel machen.

ZUR PERSON

Walter Ruck wird neuer Chef der Wiener Wirtschaftskammer. Gegenüber der rot-grünen Stadtregierung will der Bauunternehmer „mit Ecken und Kanten“ auftreten, wenngleich er die partnerschaftliche Beziehung, die die Kammer seit Langem zum Rathaus pflegt, keinesfalls infrage stellen will. [ APA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2014)

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