"Ableger" im Fall Kampusch: Weisenrat will Erhebung

Setzte Weisenrat ein: Justizminister Wolfgang Brandstetter.
Setzte Weisenrat ein: Justizminister Wolfgang Brandstetter.APA
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Der von Justizminister Brandstetter eingesetzte Weisenrat zur Prüfung von politisch heiklen Weisungen ordnete vor dem Hintergrund des Falles Kampusch weiterführende Ermittlungen gegen Ex-OGH-Präsident Johann Rzeszut an - Verdacht: Falschaussage. Indes wurde ein Verfahren gegen Priklopil-Freund Ernst H. eingestellt.

Der Entführungsfall "Natascha Kampusch" bildet den Hintergrund für zwei brisante, jüngst hinter den Kulissen ergangene Entscheidungen. Der Weisenrat des Justizministers will weitere Erhebungen im Falschaussage-Verfahren gegen Ex-OGH-Chef Johann Rzeszut. Und: Das wegen des Verdachts des schweren Erbschaftsbetruges geführte Verfahren gegen Ernst H., den früheren Freund des Kampusch-Entführers Wolfgang Priklopil, wurde nach rund einem Jahr Erhebungen eingestellt. Begründung: Die Sache sei verjährt.

Erstens: Bei der Staatsanwaltschaft Linz läuft seit fast zwei Jahren ein Ermittlungsverfahren gegen den früheren OGH-Präsidenten Johann Rzeszut. Der Verdacht: Falschaussage. Rzeszut war Mitglied in der seinerzeit zur Evaluierung der Behördenarbeit im Fall "Kampusch" eingesetzten Kommission. Den Vorsitz hatte damals Ex-Verfassungsgerichtshofpräsident Ludwig Adamovich.

Rzeszut hegte (unter anderem in einem "Presse"-Exklusivinterview) wiederholt erhebliche Zweifel an der offiziellen Behörden-Version, wonach es sich bei dem Entführer Wolfgang Priklopil (er beging Suizid) um einen Einzeltäter gehandelt habe. Im März 2012, also fast sechs Jahre nachdem Natascha Kampusch die Flucht gelungen war, hatte ein niederösterreichischer Polizist auf eigene Faust so etwas ähnliches wie stark verspätete Nachforschungen in einer niederösterreichischen Volksschule durchgeführt. Als die Sache aufflog, wurden Erhebungen gegen den Beamten geführt. Dabei wurde auch Rzeszut befragt, weil sich herausgestellt hatte, dass es telefonische Kontakte zwischen dem Beamten und Rzeszut gegeben hatte. Nach dieser Befragung hatte die Staatsanwaltschaft Linz den Verdacht, dass Rzeszut falsche Angaben gemacht haben könnte. Rzeszut bestreitet dies entschieden.

Will der Staatsanwalt einen Prozess?

Ein Ermittlungsverfahren gegen Rzeszut wurde eingeleitet. Das herangezogene Delikt: "Falsche Beweisaussage in einem Ermittlungsverfahren", Strafdrohung: bis zu drei Jahre Haft. Ein sogenannter Vorhabensbericht wurde von der Staatsanwaltschaft Linz bereits Ende April 2013 an die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Linz geleitet. Darin teilte der zuständige Ankläger mit, welche Schritte er unternehmen wolle. Medienberichte, wonach der Ankläger sich für die Einbringung eines Strafantrags (das würde einen Strafprozess bedeuten) ausgesprochen habe, wurden von der Behörde bisher noch immer nicht bestätigt. Zumindest Hinweise in diese Richtung gibt es.

Von der OStA Linz wurde der Akt ins Justizressort geschickt. Dort lag er dann monatelang - und als Wolfgang Brandstetter die Nachfolge von ÖVP-Justizministerin Beatrix Karl antrat, kam es zu einer ziemlich eigentümlichen Situation: Brandstetter war ja in jenem hochkarätig besetzten Lenkungsausschuss gesessen, der voriges Jahr eine neuerliche Evaluierung des Entführungsfalles dirigierte - diesmal sogar unter Mithilfe des FBI und des deutschen Bundeskriminalamtes. Dieser Lenkungsausschuss bestätigte erwartungsgemäß die offiziellen Ermittlungsresultate zum Fall Kampusch: "Es war ein Einzeltäter."

Der Justizminister, einst eben Mitglied dieses Ausschusses, leitete - allein schon aus "optischen" Gründen - den Vorhabensbericht aus Linz dem von ihm gegründenten Weisenrat weiter. Dieser fand sich interessanterweise mit dem Linzer Bericht nicht ohne weiteres ab und empfahl weiterführende Ermittlungen.

Rzeszut-Aussage könnte spannend werden

Erst vor wenigen Tagen ging in diesem Sinne eine entsprechende Weisung der OStA Linz an den zuständigen Ankläger. Was bei diesen weiterführenden Ermittlungen herauskommt, ist offen. Klar ist: Auch wenn die Sache vom Weisenrat behandelt wurde und wird, liegt die verfassungsrechtlich abgesicherte Letztverantwortung beim Justizminister.

Ob es möglicherweise einen Prozess wegen Falschaussage gegen Ex-OGH-Chef Rzeszut geben wird, ist ebenso ungewiss. Tritt dieser Fall ein, so muss dringend damit gerechnet werden, dass der ehemalige Höchstrichter vor seinem Richter einiges über den Fall Kampusch erzählen wird. 

Zweitens: In der ersten Jahreshälfte 2013 begann die Staatsanwaltschaft (StA) Wien auf Basis einer Sachverhaltsdarstellung des bereits erwähnten Lenkungsausschusses - Stichwort FBI - ein Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Freund des Kampusch-Entführers. Dieser Freund, Ernst H., so lautete der Verdacht, könnte schweren Betrug im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens nach dem Tod Priklopils begangen haben. Er könnte mögliche Schulden von 50.000 Euro "umgedreht" haben. Gemeint: Er könnte bei Abwicklung der Verlassenschaft so getan haben, als wäre ihm Priklopil diese Summe schuldig gewesen.

Ende Jänner dieses Jahres ergab sich eine kurios anmutende Wende in diesem bis dahin zäh gelaufenen Verfahren (für H. gilt die Unschuldsvermutung): Die StA Wien kam drauf, dass die Sache sowieso verjährt ist. Die Verjährungsfrist bei schwerem Betrug beträgt fünf Jahre. Und der mutmaßliche Tatzeitpunkt war Mitte 2006.

"Der Fall war bereits verjährt, als die Anzeige einlangte", erklärt nun StA-Wien-Sprecherin Nina Bussek der "Presse". Ja, der Akt musste auch wieder mehrere Ebenen durchlaufen, musste also von der StA Wien "nach oben" berichtet werden (laut "Presse"-Recherchen arbeitete die OStA Wien dabei aber sehr zügig). Bleibt die Frage: Wie lange darf es dauern, bis Strafverfolgungsbehörden erkennen, dass ein Fall sowieso längst verjährt ist?            

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