Polizei gegen Bettelverbot

WIEN. Das von der ÖVP geforderte Verbot würde einerseits das Problem nicht lösen, andererseits noch weitere Randgruppen wie Obdachlose und Punks in die Illegalität treiben.

Kirchenmänner bezeichnen sie gerne als Stachel im Fleisch der Wohlstandsgesellschaft: Bettler. Der Wiener ÖVP sind sie momentan ein tiefer Dorn im Auge. Die Christlich-Sozialen, allen voran Sicherheitssprecher Wolfgang Ulm, fordern wegen des derzeit angeblich überbordenden Problems und zahlreicher Bürgerbeschwerden sogar ein absolutes Bettelverbot für die Bundeshauptstadt. Jedoch: Selbst die Wiener Polizei hält den Vorschlag nicht für zielführend.

„Es ist leicht, nach strengeren Gesetzen zu rufen, die Probleme werden dadurch jedoch nicht weniger“, sagt Peter Goldgruber, Leiter der sicherheitspolizeilichen Abteilung. Tatsächlich, so der Beamte zur „Presse“, würde eine derartige Verschärfung insbesondere Randgruppen treffen, die mit den als lästig empfundenen Bettlern nur wenig zu tun haben – Obdachlose und Punks. „Genau genommen müssten wir dann auch Fälle zur Anzeige bringen, in denen Passanten um eine Zigarette angeschnorrt werden.“ Abgesehen davon, dass so Randgruppen binnen kürzester Zeit in die Illegalität getrieben würden, wäre das allein vom Aufwand her für die Polizei nicht zu bewältigen, so Goldgruber.

Wer demütig am Gehsteig um Almosen bittet, hat vom Gesetzgeber generell nichts zu befürchten. Aggressives und organisiertes Betteln in der Gruppe wird jedoch von der Polizei bereits heute zur Anzeige gebracht. 2006 war das 577 Mal der Fall. Der Zuwachs zum bisherigen Rekordjahr 2004 (568 Anzeigen) befindet sich laut Polizei innerhalb der normalen Schwankungsbreite. Nicht zu leugnen ist allerdings die Verzehnfachung der Anzeigen seit dem Jahr 2003 (57). Der Grund ist die EU-Osterweiterung, die im Lauf des Jahres 2004 stattfand.

Dass die organisierte Bettelei mit geeigneten Mitteln effizient bekämpft werden kann, zeigen mehrere Projekte der MA11 (Jugend und Familie) in Rumänien und Bulgarien, woher bis zum Vorjahr die meisten bettelnden (und zum Stehlen eingesetzten) Kinder kamen. Im Zuge eines regen Austauschs von Know-how zwischen Wien und den vor Ort zuständigen Behörden und Schulen wurden Mechanismen entwickelt, damit die betroffenen Kinder gar nicht erst außer Landes gebracht werden.

Maßnahmen, die greifen

Mit Erfolg. Laut „Drehscheibe“, das ist jenes Krisenzentrum, in dem von Bettlerbanden eingesetzte und von der Polizei aufgegriffene Kinder landen, ging die Zahl der Fälle von 701 (2005) auf zuletzt 319 zurück. Die Zahl aus den Hauptherkunftsländern Bulgarien und Rumänien, die gleichzeitig Projektpartner sind, tendiert inzwischen gegen null.

„Drehscheibe“-Leiter Norbert Ceipek spricht sich gegen ein absolutes Bettelverbot aus. Denn ein solches treffe ohnedies nur die Opfer, niemals aber die Täter. „In der Praxis werden die Kinder von ihren verschuldeten Eltern und unter massivem Druck an mafiöse Banden vermietet, die im Gegenzug auf ihre Ansprüche verzichten.“ Diese „armen Menschen“ nun kriminalisieren zu wollen sei einfach nur geschmacklos.

Inline Flex[Faktbox] BETTELN & RECHT("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2007)

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