Türken - Kurden: Stellvertreter-Krieg auch in Österreich

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Die Spannungen zwischen Kurden und Türken greifen auf Europa über – mit Demonstrationen und auch Gewalt.

Ein Stellvertreterkrieg. Oder zumindest eine Schlacht mit Messern und Fäusten. Mitten in Wien. Der in der Türkei aufgeflammte Konflikt zwischen Kurden und Türken könnte nun auch einen Schauplatz in Österreich gefunden haben. Zwei Schwer- und drei Leichtverletzte forderte eine Schlägerei mit 40 Beteiligten am Sonntag in Wien Favoriten. Laut „Kurier“ und „ORF“ soll es auch zu einem Brandanschlag auf das Vereinslokal des türkischen Atatürk-Kulturzentrums am Antonsplatz (Favoriten) gekommen sein. Der Brandsatz konnte von der Feuerwehr rasch gelöscht werden, der Sachschaden blieb gering.

Ob es sich um einen Konflikt zwischen Türken und Kurden gehandelt hat, will die Polizei nicht sagen. Für ein politisches Motiv habe man noch keine Hinweise. Möglicherweise habe es sich um einen banalen Streit zwischen zwei türkischen Gruppierungen gehandelt, hieß es. Erschwert würden die Ermittlungen dadurch, dass die Beteiligten bei den Befragungen nicht kooperativ sind. „Sie sagen nichts“, so ein Kriminalist, „und wollen lieber alles untereinander regeln.“

Dass es zwischen den Kurden und Türken in Österreich brodelt, ist längst kein Geheimnis. Ende Oktober gab es in Innsbruck bei einer Demonstration gegen die Kurdische Arbeiterpartei PKK Zusammenstöße.

Verfassungsschutz warnte

Auch im aktuellen Verfassungsschutzbericht wird davor gewarnt, dass es bei einem militärischen Vorgehen der Türkei gegen Separatisten – wie einen Angriff auf kurdische Stellungen im Nordirak – Auswirkungen auf Österreich geben könnte. In Deutschland warnte Innenminister Wolfgang Schäuble angesichts der aktuellen Ereignisse vor einem „Stellvertreterkrieg“.

In den vergangenen Jahren waren Kurden in Österreich öfter in Erscheinung getreten – mit weitgehend friedlichen Demonstrationen. Rund um die Festnahme des PKK-Führers Abdullah Öcalan im Jahr 1999 – und der Verkündung seines Todesurteils – gab es Kundgebungen, zuletzt drangen im März 2007 Aktivisten auf das Gelände der UNO-City vor.

„In der Regel sind die Vertreter von Türken und Kurden kooperativ“, sagt Rudolf Gollia, Sprecher des Innenministeriums. Unter anderem wurde eine geplante Kurden-Demo in Innsbruck am Samstag wegen der aufgeheizten Stimmung abgesagt. Aber es gebe natürlich einige, die nicht vor Gewalt zurückschrecken. Problematisch sei, dass die türkische Führung nun auch offiziell zu Demonstrationen aufrufe. „Das trägt sicher zur Eskalation bei“, so Gollia.

Weitere Eskalation droht

Eine Verschärfung der Spannungen befürchtet auch Ender Karadas, Sprecher der Kurden in Österreich. Die Situation zwischen Türken und Kurden sei sehr gereizt. Trotz der aufgeheizten Stimmung hält er an einer für kommenden Samstag angesetzten Demonstration gegen einen Krieg in Kurdistan fest.

„Wir wollen zeigen, dass wir friedlich demonstrieren können“, so Karadas. Letztlich hänge aber alles von der weiteren politischen Entwicklung in der Türkei ab: „Wenn es zu einem Einmarsch in den Nordirak kommt, kann ich mir gar nicht vorstellen, was dann in Europa passieren könnte.“

KURDEN IN ÖSTERREICH

Gesicherte Zahlen, wie viele Kurden es in Österreich gibt, existieren nicht. Schätzungen reichen von 50.000 bis 150.000, der größte Teil von ihnen stammt aus der Türkei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2007)

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