Pippi, Ikea, ABBA: Wie schwedisch ist Österreich?

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In Politik, Mode, Gastronomie hat Schweden Spuren hinterlassen. Nun gibt es schwedische Wochen.

Anlässlich des 100. Geburtstags von Astrid Lindgren, des Besuchs des schwedischen Königspaares in Österreich und der Veranstaltungsreihe „Schwedische Wochen“ ein Überblick, wie die Schweden unseren Alltag prägen.

Kinder & kinderkulturOb die Kinder, wie man damals fürchtete, ihretwegen schlimmer geworden sind? Wohl nicht. Konsequenzen hatte Astrid Lindgrens Pippi Långstrumpf, die pars pro toto für die skandinavische Kinderkultur steht, trotzdem. Einerseits in der Jugendliteratur: „Endlich hat man sich getraut, ernste Themen anzusprechen“, sagt Katrin Haller, Leiterin des österreichischen Instituts für Jugendliteratur. Andererseits im Erziehungsalltag: „Die Abkehr von der autoritären Erziehung, das Ausgleichen der Buben-Mädchen-Rolle hat in Schweden viel früher stattgefunden“, so Doris Klepp, Psychologin beim Österreichischen Institut für Familienforschung (ÖIF). Österreich zog hier mit Verspätung nach: Erst zehn Jahre nach Schweden, 1989, wurde die gewaltfreie Erziehung gesetzlich verankert. Auch jetzt noch, sagt Klepp, habe Schweden einen Vorsprung. Auch was die Kinder-Kultur betrifft: Wobei die hochwertige schwedische Kinderfilm-Kultur (z. B. Kidz in da Hood) aber nur durch massive Förderung möglich ist, wie Klas Viklund vom Schwedischen Film Institut zugibt. Denn die Kinder selbst sähen lieber US-Teenie-Kino. Die Schlimmen.

Frauen & männer„Um Frauenpolitik zu rechtfertigen, war Schweden als Vorbild in den Diskussionen der siebziger und achtziger Jahre sehr wichtig. In der Praxis hat sich Österreich aber wenig – zum Beispiel die Gleichbehandlungsgesetze – abgeschaut“, sagt Ökonomin Gabriele Michalitsch. Dasselbe kann Sonja Dörfler für den Bereich Familienpolitik bestätigen: Über eine stärkere Einbindung der Väter in die Erziehung, über mehr Kinderbetreuung oder einkommensabhängiges Karenzgeld werde viel geredet, doch die Entwicklung gehe nur teilweise in diese Richtung.

Wobei Schweden auch kein „Frauenwunderland“ ist, wie Michalitsch klarstellt. Zwar seien die Kennzahlen (Frauenerwebsquote, Einkommensdifferenz) besser, grosso modo seien die strukturellen Probleme am Arbeitsmarkt aber ähnlich. Als Impulsgeber punkto Gleichstellung hat Schweden übrigens ausgedient. Diese Rolle hat nun die Europäische Union.

SOZIALES & STAATEs gilt das oben Angeführte: Trotz des Schweden-affinen Bruno Kreisky wurde auch hier mehr geredet als getan. Schweden habe sich zwar als roter Faden durch so gut wie alle heimische Sozialpolitik-Debatten gezogen, sagt Politikwissenschaftler Emmerich Tálos, konkret orientiert hat man sich daran aber selten: „Denn strukturell ist unser Sozialversicherungssystem grundverschieden.“ Anders als Schweden knüpfen in Österreich viele Leistungen an der Erwerbstätigkeit an. Außerdem habe auch hier die EU den Blickwinkel bei der Suche nach Vorbildern geweitet. Trotzdem gibt es im Staatswesen schwedische Originale: Die Volksanwaltschaft ist etwa dem Ombudsmann nachempfunden. Und auch die aktive Neutralitätspolitik habe man sich von Schweden abgeschaut, sagt Paul Luif vom Österreichischen Institut für Internationale Politik (OIIP).

Möbel & ModeH&M und Ikea: Wie hat man sich bloß früher angezogen und eingerichtet? Sowohl der Mode- als auch der Möbeldiskonter haben zur „Designisierung“ – wie Katrin Seiler vom Modebüro „Unit f“ es nennt – unserer Gesellschaft beigetragen. Gutes Design, ob nun kopiert oder nicht, ist heute für jeden erschwinglich.

Während im Fall von H&M das originär Schwedische – gern gefällig, praktisch, gerne Jeans (Acne, Cheap Monday) – kaum eine Rolle spielt, verbindet sich bei den Ikea-Möbeln der Masse-Trend mit einem typisch skandinavischen Stil. Denn das „Scandinavian Design“ war schon in der Nachkriegszeit populär. Seine Wurzel reicht übrigens bis nach Österreich.

Wobei die Forschungen widersprüchlich sind, wie Design-Expertin Tulga Beyerle betont. Fakt ist, dass Josef Frank, der für seinen natürlichen Stil (schlichtes Holz, Naturmotive) bekannt war, vor dem Zweiten Weltkrieg nach Schweden emigrierte und dort für „Svenskt Tenn“ Stoffe entwarf. Und Fakt ist auch, dass vieles, das als „typisch Ikea“ gilt, gar nicht so anders aussieht.

Räucherlachs & Tetra-pakWas ist das mit Lachs, vor allem dem geräucherten? Früher Luxusartikel ist er heute auf jedem faden Brötchen zu finden. Für Ernährungswissenschaftlerin Hanni Rützler ist der Schweden-Klassiker ein gutes Beispiel für den Zyklus eines „alten“ Luxusgutes, das dank größerer Verfügbarkeit (Massen-Fischzucht) plus ökologischerBedenken seinen besonderen Status eingebüßt hat. Auch das andere nordische Original, das Knäckebrot, könnte eine Image-Auffrischung vertragen. Vor allem weil schwedische Einflüsse (Salz-Lakritz gefällig?) in der österreichischen Küche rar gesät sind.

Musik & MarketingWie klingt schwedische Musik? Schwer zu sagen, findet Peter Rantasa, Leiter des Music Information Center Austria (mica), obwohl es im Pop, Rock und Hardcore reichlich bekannte Proponenten gab und gibt. Aber, so Rantasa, Abba, Mando Diao, Roxette oder Refused seien zwar schwedische Bands, klängen aber sehr international – im besten Sinne. Insofern, und weil die meisten von ihnen auch englisch singen, sei der ästhetische Einfluss Schwedens als solches gering. Anders sieht es bei den Förderstrukturen aus. Mica, das die Vermarktung heimischer Musik verbessern soll, entstand nach skandinavischem Vorbild: „Ohne Schweden“, sagt Rantasa, „würde es uns nicht geben.“

STRASSEN & NamenHier gibt es die guten und die bösen Schweden. Ein Teil der diesbezüglichen Straßen- oder Bezirksnamen geht nämlich auf den Dreißigjährigen Krieg zurück, der andere spiegelt die Dankbarkeit für die Hilfe Schwedens nach dem Ersten Weltkrieg wider, wie Sándor Békési, Topografie-Experte im Wien-Museum, ausführt. In die erste Kategorie gehört die Brigittenau (die Heilige Brigitte war Stifterin eines schwedischen Frauenordens), in die zweite der Schwedenplatz oder die Schwedenbrücke.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2007)

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