Justizaffäre um angeklagte Richterin

Die Presse (Fabry)
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Eine angeklagte Korneuburger Richterin könnte nun doch als Verhandlungs-Leiterin abgezogen werden.

WIEN. Gegen Richterin S. vom Landesgericht Korneuburg liegt eine (nicht rechtskräftige) Anklage wegen Amtsmissbrauchs vor. Wird die Juristin vom Dienst suspendiert? Schien es zuletzt, als ob S. gegen einen solchen Schritt geradezu „immun“ sei, nimmt die Sache nun eine Wende.

Harald Krammer, Präsident des Oberlandesgerichts (OLG) Wien (Korneuburg fällt in den OLG-Sprengel Wien) greift ein: Er wird das Korneuburger Gericht „ersuchen“, die Richterin „für die Dauer des laufenden Strafverfahrens“ von ihrer Verhandlungstätigkeit abzuziehen.

Man könne S. durch Änderung der Geschäftsverteilung möglicherweise „andere Agenden zuweisen“, so Krammer zur „Presse“. Außerdem will sich der OLG-Chef schriftlich an das zuständige Disziplinargericht wenden. Dies ist das Oberlandesgericht Graz, wo seit längerer Zeit ein Disziplinarverfahren gegen S. läuft. Graz (und nicht Wien) kam zum Zug, um etwaige Befangenheiten hintanzuhalten. Krammer will den Grazer Disziplinarsenat nun formal „darauf hinweisen, dass eine Amtsmissbrauchs-Anklage da ist“. Dies könnte dazu führen, dass das Disziplinargericht den Fall neu bewertet. Und die letzte Konsequenz könnte dann darin bestehen, dass S. doch suspendiert wird.

Wie berichtet wird der Richterin vorgeworfen, sie habe am 21. März 2006 als Beisitzerin bei einem Schöffenprozess gegen einen mutmaßlichen Zigaretten-Schmuggler „bewirkt“, dass das Schöffengericht nicht ordnungsgemäß besetzt war. Sie habe nämlich einen Laienrichter herangezogen (jeder Schöffensenat besteht aus zwei Berufs- und zwei Laienrichtern), der gar nicht auf der Schöffenliste stand. Außerdem sei der Mann auch noch nicht 25 Jahre alt gewesen – dies ist aber gesetzlich vorgeschrieben. In der Anklage heißt es wörtlich, S. habe ihr Richteramt „wissentlich missbraucht.“

„Schädigung des Staates“

Und sie „fand sich mit der Schädigung des Staates in seinem Recht auf die gesetzmäßige Besetzung eines Schöffensenates (...) ab.“

S. sieht den Vorwurf des Amtsmissbrauches nicht verwirklicht und hat gegen die Anklage Einspruch erhoben. Dieser liegt beim OLG Wien.

Erst in der Vorwoche hatte sich der Vizepräsident des OLG Wien, Anton Sumerauer, demonstrativ vor seine Richterkollegin gestellt. Er sagte zur Austria Presse Agentur, die Anklage sei auf eine „Anwaltskampagne“ zurückzuführen. Dies löste scharfe Proteste der Wiener Anwaltschaft aus, zumal die Strafverfolgung allein Sache eines öffentlichen Anklägers ist.

Weiters wurde Sumerauer so zitiert: „Sollte es überhaupt zu einer Hauptverhandlung kommen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass etwas anderes rauskommt als ein Freispruch, sehr unwahrscheinlich.“

OLG-Chef Krammer distanziert sich im „Presse“-Gespräch von den Äußerungen. Ohne die Anklage werten zu wollen, sagt er: „Die Laiengerichtsbarkeit ist ein sehr ernstes Anliegen.“ Seine Einschätzung des Falles S.: „Das ist eine sehr ungünstige Optik.“

Auch das Justizministerium, das zuletzt von einer Suspendierung nichts wissen wollte, will das Thema überdenken. Der Sprecher von Justizministerin Maria Berger, Thomas Geiblinger: „Derzeit ist noch nicht sicher, ob die Anklage rechtskräftig wird. Wenn es zur rechtskräftigen Anklage kommt, stellt sich die Frage neu.“

Vor allem ein Vergleich mit den Wiener Polizei-Affären sorgt für Kopfschütteln. Die Polizei suspendierte insgesamt vier hohe Beamte (eine Suspendierung wurde mittlerweile wieder aufgehoben) – lange bevor klar war, ob diese überhaupt angeklagt werden.

WAS KOMMT

Im Fall der angeklagten Richterin vom Landesgericht Korneuburg (Vorwurf: Amtsmissbrauch, Anklage nicht rechtskräftig) regt der Chef des Wiener Oberlandesgerichts an, ihr „andere Agenden“ zuzuweisen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2007)

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