Bad Vöslau und seine Minarette

Die Presse (Clemens Fabry)
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Bad Vöslau ist nicht Graz: Die nieder-österreichische Kleinstadt hat ihre Islam-Debatte hinter sich. Eine lang umstritten gewesene Moschee wird gebaut.

BAD VÖSLAU. Bald werden die Bagger an Mehmet Ünsal vorbeirattern. Auf ihrem Weg in die Castelligasse, nur ein paar Ecken von Herrn Ünsals adrett geschlichtetem Lebensmittelladen entfernt.

Ünsals Gespräche mit seinen Kunden – „80 Prozent davon sind Österreicher“ – wurden während der letzten Monate nur von einem Thema beherrscht: Dem Kulturzentrum mitsamt Moschee, das in der Castelligasse in der Nähe des Bahnhofs Bad Vöslau gebaut wird. Das Projekt des türkischen Vereins Atib (Türkisch-Islamische Union für kulturelle und soziale Zusammenarbeit in Österreich) ist fix. Abgesegnet von einem Mediationsprozess der Stadtgemeinde. Geplanter Baubeginn: März 2008, pünktlich zum Wahlgang in Niederösterreich.

Während bundesweit eine Debatte über die Mohammed-Aussagen der Grazer FP-Spitzenkandidatin Susanne Winter tobt, hat die niederösterreichische Kleinstadt ihren Islam-Streit bereits hinter sich. Die Moschee wird gebaut, die Kritiker sind, bis auf wenige, verstummt – ein nicht alltäglicher Befund in diesen Tagen, zumal sich Niederösterreich im Wahlkampf befindet. Minarette seien etwas „Artfremdes“ in Niederösterreich: Mit dieser Meldung ließ Landesvater Erwin Pröll noch vergangenen September aufhorchen.



„Als uns erstmals die Moschee-Pläne vorgelegt wurden, ahnte ich, was da auf uns zukommt.“

Christoph Prinz, Bürgermeister von

Bad Vöslau

Als Atib dem Bürgermeister Christoph Prinz vor zwei Jahren die Pläne vorlegte, ahnte dieser, „was da auf uns zukommt“. Ein orientalischer Bau mit Säulengang, einer Kuppel und zwei Minaretten. Unmutsäußerungen der Bevölkerung ließen nicht lange auf sich warten, Unterschriftenlisten gegen das Projekt kursierten, die Gerüchteküche kochte. Aus baurechtlicher Sicht hätte man das Projekt genehmigen können. Doch der Bürgermeister entschied sich, mit dem Einverständnis von Atib, für einen Vermittlungsprozess in Form einer Mediation.

Die Zerreißprobe wurde zum Katalysator für Verständigung. Zwölf Mal traf man sich, redete bis tief in die Nacht, verhandelte um die Höhe der Minarette. Im Juni 2007 wurde das Ergebnis präsentiert: Zwei nach hinten gerückte Aufsätze – angedeutete Minarette – schmücken nun einen modernen, teilweise verglasten Bau. Einzig die FPÖ konnte nicht mit dem Kompromiss leben und verließ die Verhandlungen kurz vor ihrem Ende. Dennoch, sagt Prinz, selbst von der Bürgerliste Flammer, habe sich die Partei vergleichsweise „fair“ verhalten – und den Angriffen der Bundespartei getrotzt.

Dort, wo im Herbst 2008 das Kulturzentrum stehen soll, ist heute eine Brache. Daneben, zwischen den alten Arbeiterhäusern, die trotz manch neuer Fenster und Satellitenschüsseln baufällig wirken, steht der Zweckbau von Atib mitsamt einem kleinen Gebetsraum. Bei Atib kann man mit dem Kompromiss leben. Wichtig, betont Orhan Zaka, sei das Projekt an sich.

Zaka, seit vielen Jahren beim Verein, sitzt im spartanisch ausgestatteten Sozialraum. Auf einem Ölofen köchelt Çay – türkischer Schwarztee –, in den Regalen steht ein Sport-Pokal neben dem anderen, an der Wand hängt die türkische neben der österreichischen Fahne. Für die Jugend soll das Kulturzentrum gebaut werden. Für die „dritte Generation“ von Zuwanderern, die hier geboren sind und „sicher hier bleiben werden“. Acht Prozent Muslime leben in Bad Vöslau – im niederösterreichischen Durchschnitt, der nur 3,2 Prozent beträgt, ist das ein relativ hoher Wert.

Zaka erzählt er von dem Tag, als er und seine Mutter vor 36 Jahren am Wiener Flughafen empfangen wurden: mit Blasmusik und Blumen. Desillusioniert ist er heute. „Hier wie in der Türkei bin ich Ausländer.“ Propaganda macht ihm zu schaffen, in Bad Vöslau, in Wien, in Graz. „Warum sagen die Leute nur so etwas?“, fragt er. Viel lieber würde Zaka deshalb vom Weltfrieden reden. Schade nur, dass dieser momentan in weiter Ferne ist.



„Hier wie in der Türkei bin ich Ausländer.“

Orhan Zaka vom türkisch-islamischen Verein Atib

Heere Ziele wie den Weltfrieden hat Bürgermeister Prinz nicht. Für die Zukunft erwartet der Bürgermeister auch weder Multi-Kulti-Euphorie noch einen „großen Ansturm“ der Österreicher auf das türkische Kulturzentrum. Auch die übrigen Integrations-Probleme in der Gemeinde wird das Haus nicht von allein lösen: Die fehlenden Deutschkenntnisse der Jugendlichen, die menschliche Distanz zwischen Österreichern und Zuwanderern, das vernachlässigte Einwanderer-Viertel, in das jahrzehntelang nichts investiert wurde.

In Bad Vöslau bleibt diesbezüglich, wie in anderen niederösterreichischen Gemeinden, viel zu tun. Viel Arbeit für ein Thema, „mit dem man politisch nur verlieren kann“, wie Prinz das ausdrückt – sachlich aber bestimmt.

Von positiven Nebeneffekten der Einigung kann er dennoch berichten: Ansprechpartner in der Migranten-Community habe man gefunden, eine Arbeitsgruppe für Integration auf Gemeindeebene und sogar eine unabhängige interkulturelle Frauengruppe hat sich gebildet. In letzterer steht das Kennen lernen und Fragen stellen auf dem Programm.

Ohne Zutun der Politiker.

IN ZAHLEN

3,2 Prozent der Niederösterreicher sind Muslime (48.730 von 1.545.804 Bewohnern). Knapp ein Viertel der NÖ-Muslime sind österreichische Staatsbürger. Im Bundesländer-Vergleich liegt NÖ im Mittelfeld. Die wenigsten Muslime leben im Burgenland (1,4%), die anteilsmäßig stärkste Gruppe ist in Vorarlberg (8,4%) zu Hause. Wien liegt mit 7,8 % an zweiter Stelle.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2008)

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