Selbstmorddrohungen und Terrorismus-Verdacht

Seit heuer darf die Polizei ohne Richter Handy-Standortdaten ermitteln. Wie wurde die neue Befugnis genutzt?

Wien (red). Im Vorfeld wurde heftig und kontrovers diskutiert: Über die IMSI-Catcher, mit denen man Handybenutzer orten (und abhören) kann. Über Missbrauch-Möglichkeiten und generell über die Tatsache, dass die Polizei Dank der Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes seit heuer Standorte von Handys ohne richterliche Kontrolle ermitteln darf.

Gegenüber der Aufregung vorab (und vor allem gegenüber dem, was derzeit sonst im Innenministerium diskutiert wird) klingt die erste Bilanz des unabhängigen weisungsfreien Rechtsschutzbeauftragten im Ministerium jedoch nüchtern: „Es ging bei den Anfragen an den Mobilfunkbetreiber hauptsächlich um Selbstmorddrohungen, einmal um einen terroristischen Aspekt“, sagt Theodor Thanner. Als Hüter der Grundrechte muss Thanner bei der Ermittlung der Handy-Standortdaten bzw. von IP-Adressen – wenn auch nur im Nachhinein – informiert werden. Bedenkliches sei bislang nicht darunter gewesen: „Der Exzess ist ausgeblieben.“

Interner Erlass zu großzügig?

Österreichweit sollen seit Jänner über 50 Standort-Koordinaten und zehn Computer-Adressen abgefragt worden sein. Die Mobilfunkbetreiber registrieren ihrerseits jedenfalls einen deutlichen Anstieg: „Die Anfragen zur Lokalisierung haben sich im Jänner gegenüber 2007 verdoppelt“, meint Klaus Steinmaurer, Chef der Rechtsabteilung von T-Mobile. 63 waren es genau, rechnet man die schon bisher erlaubten 26 Behördenansuchen bei Notrufen (laut TelekommunikationsG.) dazu.

Der echte Ansturm stehe aber bevor: „Derzeit halten sie sich zurück. Aber das wird sich aber bald ändern.“ Man habe nämlich gehört, dass der aktuelle Ministeriumserlass die SPG-Bestimmungen intern äußerst großzügig auslege. Im Innenministerium selbst wollte man sich dazu gegenüber der „Presse“ nicht äußern. So oder so, will T-Mobile in den nächsten Wochen eine Verfassungsbeschwerde einbringen.

Kontrolle von Datenpools

Schon diese Woche könnte der Grundstein für einen neuen Erlass gelegt werden. Thema: „Informationsverbund“. Bei einem Gespräch im Bundeskriminalamt will Thanner klären, inwieweit der Rechtsschutzbeauftragte nur neue oder auch schon bestehende „Verbünde“ (elektronische Ermittlungsdatenpools der Polizei) prüfen darf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2008)

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