Visa-Prozess: Harsche Justiz-Kritik am Außenamt

(c) APA (Roland Schlager)
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Fünf Schuldsprüche und ein Freispruch im Verfahren um illegale Visa-Vergabe in österreichischen Konsulaten.

WIEN. Im Schlussakt des ersten Visa-Prozesses (mindestens zwei weitere folgen) übte das Schöffengericht exemplarische Kritik am österreichischen Außenministerium: Dieses habe viel zu wenig unternommen, um die illegale Weitergabe von Schengen-Sichtvermerken an österreichischen Konsulaten in Belgrad und Budapest zu unterbinden. Bis zum heutigen Tag gebe es Hinweise auf Korruption. Richter Peter Liebetreu: „Es gibt eine Mitteilung ans Gericht, dass Visa in Belgrad immer noch käuflich sind.“

Sprach's – und verkündete die Verurteilungen von fünf der sechs Angeklagten. Der frühere Vizekonsul an der österreichischen Botschaft in Budapest, Peter H. (44), erhielt wegen „x-tausendfachen Amtsmissbrauches“ (Zitat Richter) und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung dreieinhalb Jahre Haft. H. erbat Bedenkzeit.

Richter Liebetreu zu H.: „Sie sind Ihrer Rolle als Aushängeschild der Republik Österreich in übelstem Ausmaß gerecht geworden. An manchen Tagen haben Sie 50-fachen Amtsmissbrauch begangen. Sie haben die Ärmsten der Armen Europas, nämlich Moldawier, skrupellos ausgebeutet.“

Laut Anklage hatte H. von 2002 bis 2003 (dies fiel in die Amtszeit von VP-Außenministerin Benita Ferrero-Waldner) mehr als 3000 Visa unrechtmäßig ausgestellt. Dafür habe sich H. – laut Urteilsbegründung – „schmieren“ lassen. Das Gericht ging nun davon aus, dass H. 105.000 Euro kassierte. Diese Summe soll nun von H.'s Konto „abgeschöpft“ werden. Allerdings, so Liebetreu zu H.: „Es gab keine effiziente Kontrolle. Ihr Vorgehen ist dadurch erst möglich geworden. Wie in einer geschützten Werkstatt.“

Apropos Kontrolle: Dieses Strafverfahren habe „ein Sittenbild Österreichs im Ausland aufgezeigt“. Die „Visa-Fabriken“ (Belgrad, Budapest, Anm.) seien „seit vielen Jahren bekannt“ gewesen. Der Richter: „Hilferufe nach Wien schienen bei den Ministerien nicht sonderlich erwünscht.“ Somit bekam außer dem Außenamt auch das Innenministerium, das in Sachen „Visa“ Kontroll- und Aufsichtspflichten hat, scharfe Kritik ab. Geradezu alarmierend die deutlichen Worte des Gerichts zur gegenwärtigen Situation: Der Senat sei während des laufenden Verfahrens darauf aufmerksam gemacht worden, dass an der Botschaft in Belgrad „nur etwas weitergeht, wenn man 50 Dollar in den Pass legt“. Außerdem werde den Visa-Werbern vom Security-Personal eine „Eintrittsgebühr“ abverlangt. Nur wenn man zahle, laufe es buchstäblich „wie geschmiert“.

Außer H. wurden drei „Visa-Keiler“ verurteilt: Der pensionierte Kärntner Holzhändler Klaus H. und der serbische Ex-Polizist Dusan V. (37) erhielten wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch und Schlepperei je zweieinhalb Jahre Haft, davon wurden je zwei Drittel der Strafe bedingt nachgesehen. Der burgenländischer Unternehmer Alois K. (56) bekam wegen Anstiftung zu Amtsmissbrauch, Schlepperei und Bandenbildung drei Jahre Haft, davon wurden ebenfalls zwei Drittel auf Bewährung verhängt. Eine Frau, die als Keilerin eine untergeordnete Rolle spielte, erhielt 15 Monate bedingt. Ein Fußball-Manager wurde freigesprochen. Alle Schuldsprüche sind nicht rechtskräftig. Der Richter abschließend: „Nach unserem Verständnis hätten viel mehr Angeklagte hier sitzen müssen.“

Visa-Workshops in Wien

Was sagt nun das Außenministerium zu der mehr als deutlichen Kritik eines österreichischen Gerichts? Sprecher Peter Launsky akzeptiert im Gespräch mit der „Presse“ die Urteile: „Es wurde Recht gesprochen.“ Weiter: „Wir haben uns bemüht, Dinge zu verbessern. Die Visa-Vergabe ist und bleibt eine Gratwanderung, weil der Druck herein groß ist.“ In einer Aussendung des Ministeriums heißt es: „Aus dem eben abgeschlossenen Verfahren konnten Rückschlüsse für weitere Verbesserungen gezogen werden. Die Kooperation mit dem Innenressort werde durch „Visa-Workshops“ verbessert.

AUF EINEN BLICK

Mit fünf Verurteilungen und einem Freispruch endete am Freitag der Amtsmissbrauchs-Prozess um die illegale Weitergabe von tausenden Schengen-Visa. Allen voran wurde der österreichische Ex-Vizekonsul an der Botschaft in Budapest Peter H. (44) zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Das Außenamt wurde vom Gericht massiv kritisiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2008)

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