Wien: Terror-Prozess beginnt mit Schleier-Debatte

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In Wien steht ein junges Paar vor Gericht, das wegen al-Qaida-Mitgliedschaft angeklagt ist. Die Frau kommt voll verschleiert - und wird von der Verhandlung ausgeschlossen. Der Anwalt der beiden erhebt schwere Vorwürfe gegen die Polizei.

Mit einer Schleier-Debatte und anschließendem Ausschluss der Zweitangeklagten hat am Montag der Aufsehen erregende Terror-Prozess gegen ein junges Paar im Wiener Landesgericht begonnen. Der Schwursenat (Vorsitz Norbert Gerstberger) schloss die 21-Jährige Mona S. aus, weil sie sich weigerte, ihren Gesichtsschleier in der Verhandlung abzulegen. Das widerspreche Paragraf 234 der Strafprozessordnung (StPO), argumentierte der Senat. Einen darauf folgenden Antrag von Verteidiger Lennart Binder auf Ablehnung des Gerichts wegen Befangenheit wies dieses ebenfalls ab.

Vorwurf: al-Qaida-Mitgliedschaft

Neben Mona S. steht auch ihr Mann Mohamed M. vor Gericht. Dem 22-Jährigen wird die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Konkret soll er al-Qaida-Mitglied bzw. bei anderen international aktiven radikal-islamischen Terrornetzwerken tätig gewesen sein. Staatsanwalt Michael Klackl wirft Mohamed M. vor, im Internet ausführlich die Durchführung von Terroranschlägen erörtert zu haben, wobei er als mögliche Anschlagziele Spiele der bevorstehenden Fußball-EM sowie in- und ausländische Politiker angeführt haben soll. Mona S., die mit Mohamed M. nach islamischem Recht verheiratet ist, soll Übersetzerdienste geleistet haben.

"Dazu verpflichtet, den Schleier zu tragen" 

Vor ihrem Ausschluss hatte es eine heftige Kontroverse zwischen Gerstberger und der Angeklagten gegeben. "Es ist ein ganz fundamentaler Grundsatz der österreichischen Strafprozessordnung, dass die Geschworenen anhand des Gesichts die Glaubwürdigkeit des Angeklagten prüfen können", sagte Gerstberger und forderte die 21-Jährige auf, den Gesichtsschleier während der Verhandlung abzunehmen. Mona S. verweigerte das mit dem Argument: "Ich bin nach islamischem Recht dazu verpflichtet, den Schleier zu tragen. Der Prophet hat mir das gesagt." Außerdem berief sie sich auf die Religionsfreiheit. "Österreich ist kein Gottesstaat", meinte daraufhin der Richter.

Nachdem sich Mohamed M. innig mit Umarmungen von seiner soeben ausgeschlossenen Frau verabschiedet hatte, ergriff Verteidiger Lennart Binder das Wort: "Das Verfahren ist im jetzigen Moment nichtig", sagte er. "Ich gehe davon aus, dass der Senat voreingenommen ist."

"Der Akt ist zu 90 Prozent Schrott" 

Auch gegen die Polizei erhob Binder schwerwiegende Vorwürfe: Beamte wären ohne rechtliche Grundlage in die Wohnung des Paars eingedrungen und hätten am PC des Mannes "manipuliert". Laut Binder wurde dabei ein Software-Programm installiert, das es der Polizei ermöglichte, sämtliche Schritte, die der 22-Jährige im Internet setzte, zeitgleich mitzuverfolgen. Für dessen angebliche al-Qaida-Mitgliedschaft und Terrordrohungen gebe es "nicht den geringsten Anhaltspunkt, nicht den geringsten Beweis". "Der Akt ist zu 90 Prozent Schrott. Schutt, den man entsorgen kann. Die Anklage an sich ist dem Kollaps nahe", bilanzierte der Advokat.

al-Qaida "nachhaltig produktiv unterstützt"

Anders sah das naturgemäß Staatsanwalt Michael Klackl: "Der Verteidiger ist bemüht, die Verhandlung zu einem politischen Prozess zu machen und damit von der eigentlichen Frage abzulenken, ob die Angeklagten schuldig oder nicht schuldig sind", sagte er. Bei Mohamed M. hätten eine gesetzlich gedeckte Überwachung des Fernmeldeverkehrs und ein "Großer Lauschangriff" stattgefunden. In Bezug auf die Anklage bekräftigte der Staatsanwalt, Mohamed M. habe die al-Qaida und die Mujahedin "nachhaltig produktiv unterstützt". Er habe deren Botschaften über die "Globale Islamische Medienfront" (GIMF) "propagandistisch aufbereitet".

(APA)

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