„Feindbild Islam“: Extremismus im Haus der Begegnung

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Vortrag. Wiener Bildungseinrichtung bietet Raum für Visionen vom Kalifatsstaat.

WIEN. „Das Kalifat wird entstehen! Definitiv!“, ruft Shaker Assem emotional in sein Mikrofon. Und alle Muslime sollten sich dafür einsetzen, dass es zu einem echten islamischen Staat kommt. Diese Forderung, wie sie öfters in radikalen Moscheen zu hören ist, ertönt diesmal jedoch an einem ungewohnten Ort: Im Haus der Begegnung Mariahilf.

„Feindbild Islam“ ist der Titel der Informationsveranstaltung, die vergangenen Freitag einige hundert Interessierte in die große Halle des Veranstaltungszentrums lockt, das zum Verband Wiener Volksbildung gehört – einer der SPÖ nahe stehenden Institution, dem auch das Jüdische Institut für Erwachsenenbildung angehört. Umso brisanter sind die Aussagen, die das Auditorium vom Vortragenden zu hören bekommt.

So spricht Shaker Assem von Israel als Staat, der durch Landraub entstanden sei. Zwar sei den Juden in der Nazizeit schlimmes Unrecht widerfahren, doch könne dieses nicht an den Palästinensern ausgelassen werden. Die seien ja am Holocaust nicht schuld: „Gegen einen Staat Israel etwa in Niederösterreich habe ich gar nichts.“

Die Argumentation des Vortragenden ist leichter zu verstehen, wenn man den politischen Hintergrund des Österreichers mit ägyptischen Wurzeln kennt: Assem ist im deutschsprachigen Raum Sprecher der Partei Hizb-ut-Tahrir, der „Islamischen Befreiungspartei“, die sich die Wiedererrichtung des Kalifats zum Ziel gesetzt hat. In Deutschland ist die Bewegung wegen ihrer Einstellung zu Gewalt und zu Israel seit 2003 verboten, in Österreich beobachtet der Verfassungsschutz die Organisation, die „den potenziellen Nährboden für Radikalisierung fördert“.

Aus Österreich will die Partei allerdings keinen Kalifatsstaat machen. Vielmehr soll der Anstoß dazu in einem Land der islamischen Welt gegeben werden. Die dortigen Regierungen „repräsentieren nicht den Islam“. Sie würden nur nach der Pfeife der westlichen Konzerne tanzen.

Der Kalif selbst solle vom Volk gewählt werden – auch von Frauen, erklärt Assem dem Auditorium, das nach Männern und Frauen getrennt sitzt. Doch trotz Wahlen gebe es einen Unterschied zur Demokratie: Im Westen gehen Gesetze vom Volk aus, im Islam von Gott. Und zum islamischen Recht gehöre auch, dass Homosexualität oder Abfall vom Glauben mit dem Tod bestraft werden kann. Auch Steinigung sei „ein Gebot, das im Islam vorhanden ist“.

„Steinigung aus freiem Willen“

Allerdings würden derart drakonische Strafen nur selten angewandt. In heutigen islamischen Staaten werde jedenfalls nicht korrekt damit umgegangen. Und, so der Vortragende, seien viele Steinigungen im Kalifat „aus freiem Willen erfolgt“. Damit bliebe dem Sünder ja die Strafe im Jenseits erspart.

Das islamische Recht beschränke sich aber auf das Kalifatsgebiet. Muslime in der westlichen Welt müssten sich an die Gesetze des Landes halten, das sei islamische Pflicht. Dazu gehöre auch Integration. Umgekehrt erwarte man aber, dass Muslime ihren Glauben frei leben können – Kopftuch und Moscheebau inklusive.

Den Vorwurf, dass er islamistisches Gedankengut repräsentiere, beantwortet Assem damit, dass es gar keinen Unterschied zwischen Islam und Islamismus gebe. Immerhin sei es Pflicht eines jeden Moslems, alle Bereiche des Lebens nach dem Koran zu richten. Dazu gehöre auch die Politik. Nur habe man in Europa nach dem dunklen Mittelalter eben Angst vor einer Kirchenherrschaft. In der islamischen Welt hätten die Probleme aber erst mit dem Ende des Islam als Herrschaftssystem begonnen. Und er bringt einen Vergleich: „Nach westlichen Maßstäben wären der Prophet Mohammed und seine Gefährten auch Islamisten.“

HINTERGRUND

Im Kalifat ist die weltliche und geistliche Führerschaft in der Person des Kalifen vereint. Die Partei Hizb-ut-Tahrir will diese Ordnung wiederherstellen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.