Ohne Video-Überwachung Schüler in Lebensgefahr

Schüler demolierten Stromleitungen und brachten andere dadurch in Lebensgefahr.
Schüler demolierten Stromleitungen und brachten andere dadurch in Lebensgefahr.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Big Brother in zehn Wiener Schulen: Sie haben die Videoüberwachung beantragt, um Diebstahl und lebensgefährliche Vandalenakte zu verhindern.

Wien. Es sind drastische Worte, die Direktor Günter Schmid im Gespräch mit der „Presse“ findet: „Wir müssen die Videoüberwachung in unserer Schule einführen. Es geht nicht anders. Denn es geht um das Leben und die Sicherheit der Schüler.“

Der Direktor des Wiedner Gymnasiums ist einer von zehn AHS-Direktoren, die bei der Datenschutzkommission eine Genehmigung zur Videoüberwachung ihrer Schule beantragt haben. Diese Direktoren sehen keine andere Möglichkeit, die Sicherheit in der Schule noch zu gewährleisten. Während andere Schulen mit der Videoüberwachung Diebstähle bekämpfen wollen, ist die Situation im Wiedner Gymnasium dramatischer: „Wir sind vor Weihnachten noch davon gekommen“, erklärt Schmid. Damals hätte es einen Fall gegeben, wo Schüler versucht hätten eine Toilette zu sprengen: „Ich will nicht, dass einer im Leichenschauhaus landet.“

Lebensgefahr für Schüler

Nun hat sich die Situation weiter verschärft: Laufend werden Steckdosen aus der Wand gerissen. „Da hängen stromführende Kabel heraus. Hier besteht Lebensgefahr für die Mitschüler. Das ist kein Streich mehr“, erklärt Schmid.

Mit der Videoüberwachung sollen die Gänge kontrolliert werden, um die Schuldigen auszuforschen und lebensgefährliche Vorfälle zu verhindern. Die Kameras sollen die Bilder 48 Stunden lang speichern, bei Bedarf aber sofort eingesehen werden können.

Schmid ist optimistisch, dass die Datenschutzkommission den Antrag genehmigt: „Wir haben ein Schreiben bekommen, in dem noch ergänzende Fragen gestellt werden.“ Beispielsweise: „Hat die Schule alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft? Schmid: „Wir haben seit Jahren alles Menschenmögliche versucht; einfach alles was die Pädagogik anbietet.“ Nachsatz: „Das hat derartige Dinge nicht verhindern können.“



„Dann müsste ich meinen Posten quittieren, weil ich die Sicherheit der Schüler nicht gewährleisten kann.“

Direktor Schmid, falls die Videoüberwachung nicht eingeführt wird

Was passiert, wenn die Datenschutzkommission die Videoüberwachung doch blockiert? „Dann müsste ich meinen Posten quittieren, weil ich die Sicherheit der Schüler nicht mehr gewährleisten kann“, erklärt Schmid: „Dann müsste die Datenschutz-Kommission die Verantwortung übernehmen, wenn etwas passiert.“ Die Eltern stehen den Plänen laut Schmid geteilt gegenüber: „Jene, die mit dem Datenschutz argumentieren, reden anders, wenn plötzlich ihr Kind betroffen ist.“

Während auf Bundesebene Innen- und Bildungsministerium gerade dabei sind, die rechtlichen Grundlagen der Videoüberwachung in Schulen zu klären, sind derartige Maßnahmen für die Wiener Pflichtschulen (noch) nicht geplant. Der Stadtschulrat erklärt: „Es gibt derzeit keine entsprechenden Wünsche von Eltern.“ Falls es an einer Schule diesen Wunsch gebe, würde es natürlich eine Diskussion mit den Elternvertretern geben.

Volksschulen werden aufgerüstet

Trotzdem verschärfen die Wiener Pflichtschulen ihre Sicherheitsmaßnahmen. Seit dem tragischen Fall, als eine Volksschülerin vor wenigen Monaten auf der Schultoilette sexuell missbraucht wurde, setzen immer mehr Schulen auf Zugangsbeschränkungen: Während der Unterrichtszeit wird das Schultor versperrt; Besucher müssen über eine Gegensprechanlagen erklären, weshalb sie in die Schule wollen.

„Bei Neubauten und Generalsanierungen bauen wir automatisch Gegensprechanlagen ein“, erklärt Robert Oppenauer, Leiter der MA 56 (Städtische Schulverwaltung). Bei bestehenden Schulen hängt es vom Bezirk ab. Nachdem die Schulerhaltung zu den Aufgaben des Bezirkes gehört, muss dieser auch die Kosten tragen.

Auslöser: sexueller Missbrauch

Im Fall der sexuell missbrauchten Volksschülerin in Wien-Hernals wurde sofort gehandelt: Der Bezirk finanzierte umgehend eine Gegensprechanlage, um den Zugang zur Schule zu erschweren.

In Wiener Pflichtschulen ohne diese Möglichkeiten wurde ebenfalls gehandelt – die Schulwarte in der Zwischenzeit zum „Wachpersonal“ ausgebildet. Oppenauer: „Sie haben den Auftrag, während der Unterrichtszeit schulfremde Personen anzusprechen. Wer keinen triftigen Grund nennen kann, wird der Schule verwiesen.“

Den Schülern würde die Videoüberwachung nicht schaden; bei Vandalenakten und Diebstählen werde diese Art der Kontrolle „wahrscheinlich helfen“, meint die pädagogische Psychologin Elfriede Wegricht: „Die Kinder lernen Disziplin, wenn sie wissen, dass verbotene Dinge Konsequenzen haben. Das ist eine Hilfe zur Selbstkontrolle.“ Wobei Wegricht „Disziplin“ positiv besetzt sehen will: „Sie bekommen damit einen besseren Zugang zur Gesellschaft, in der schließlich gewisse Spielregeln gelten.“

ÜBERWACHUNGS-ORTE

Videoüberwachung wird in Wien am häufigsten angewendet: In der Bundeshauptstadt gerät man in den Sucher einer Videokamera am Karls- und Schwedenplatz, im Eingangsbereich des Westbahnhofs, des Flughafens Wien-Schwechat und in der Vösendorfer Shopping City Süd. Überwachungskameras sind zudem in Gemeindebauten, in ÖBB-Zügen und in der U-Bahn installiert.
Genehmigte Videoüberwachung gibt es auch in Graz, Klagenfurt, Villach, Innsbruck, Salzburg und Linz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.