Auf muslimischen Spuren durch Wien

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Stadtbild. In Wien wird erstmals ein Platz nach einem Muslim benannt. Andere Spuren im Stadtbild sind versteckter.

WIEN. Acht bis zehn Prozent der Wiener sind Muslime. Je nach Bezirk ist ihr Einfluss auf das Straßenbild mehr oder weniger sichtbar. Döner und Kebab haben längst ihren Platz in der städtischen Lebensart, so wie auch viele Wiener am Sonntag – wenn andere Geschäfte geschlossen haben – Lebensmittel beim „Türken am Ecke“ besorgen. Zuwanderer aus muslimischen Ländern gehören längst zum Alltag. Im Stadtplan ist von ihrer zunehmend wichtigeren Rolle allerdings noch wenig zu sehen.

Tatsächlich findet sich im Wiener Straßenverzeichnis noch kein einziger Eintrag, der auf Muslime zurückgeht. Kein einziger? Nun, Referenzen an Wiens muslimische Geschichte gibt es sehr wohl: Die Türkenbelagerungen von 1529 und 1683 haben in der Benennung von Straßen und Plätzen ihren Niederschlag gefunden. 52 Bezeichnungen sind im Lexikon der Wiener Straßennamen damit verknüpft. Abgesehen von Türkenstraße, Türkenschanzplatz und Türkenschanzstraße handelt es sich aber meist um österreichische Feldherren und Herrscher, deren Rolle bei der Niederschlagung der Belagerungen gewürdigt wird.

Geschichte des Islam ist türkisch

Die Türken sind es folglich, die im Stadtbild in Form von Statuen, Gedenktafeln oder anderen Erinnerungsstücken zu sehen sind. Das vermutlich markanteste Zeichen ist ein türkischer Reiter (4) am Heidenschuss in der Innenstadt. Die Statue erinnert an die Sage, dass die angreifenden Türken einen Stollen gegraben hatten, um in die Stadt vorzudringen – ein aufmerksamer Bäckergeselle bemerkte den Plan und schlug Alarm.

Antitürkische Symbole und Bilder tauchten nach den Türkenkriegen auf zahlreichen Bauten auf. So werden die schmiedeeisernen Gitter vor der Statue des Predigers Marco d'Aviano bei der Kapuzinerkirche von bewaffneten Türken (5) geziert. Auf der Außenwand des Stephansdoms fand sich auch ein Türkenkopf mit der Inschrift: „Schau, Mahomet, du Hund“, die aber unter Kardinal König entfernt wurde.

Die Capistrankanzel an der Außenseite des Doms erinnert an den Wanderprediger Johannes von Capestrano, der schon im 15. Jahrhundert den Kampf gegen die türkischen Besatzer gepredigt hatte. Ein hörbares Andenken an die Türken ist die Pummerin (6), die aus Kanonen gegossen wurde, die die Türken zurückgelassen hatten.

Als sich der Zorn auf die türkischen Besatzer gelegt hatte, änderte sich das Türkenbild. Kaffee, Tulpen und Mais – Importe aus dem osmanischen Reich – lösten einen Türkenboom aus. Das Wiener Kaffeehaus war eine der Folgen, Mozarts „Entführung aus dem Serail“ ein weiteres Beispiel für die Faszination des Orients.

Abgesehen von Erinnerungen an die türkische Vergangenheit finden sich sonst kaum Zeugnisse islamischer Einflüsse in Wien. Die Fülle an Geschichten und historischen Stätten, wie sie etwa das jüdische Wien aufweist, gibt es nicht. Erst mit der Zuwanderung von Gastarbeitern – wieder zum größten Teil aus der Türkei – in den 1960er-Jahren, setzte langsam ein neuer Schub ein.

Bisheriger Höhepunkt war 1979 die Eröffnung des Islamischen Zentrums (2) am Hubertusdamm. Wiens erste – und bisher einzige – Moschee wurde damals als Zeichen der Vielfalt gesehen. Zu dieser Zeit lebten 17.000 Muslime in Wien. Seither hat sich ihre Zahl verzehnfacht, dementsprechend häufiger stößt man auf ihre Spuren.

Das beginnt beim alltäglichen Leben auf der Straße, bei Bauwerken wie dem Yunus-Emre-Brunnen im Türkenschanzpark – Zeichen der österreichisch-türkischen Freundschaft – und endet bei muslimischen Gräbern. Am Zentralfriedhof (3) gibt es einen islamischen Teil, in Liesing soll noch heuer ein eigener muslimischer Friedhof (7) fertig gestellt werden.

Auch in der Politik begannen Muslime Fuß zu fassen. Im Wiener Gemeinderat finden sich in allen Fraktionen – bis auf die FPÖ – muslimische Abgeordnete. Einer von ihnen, SPÖ-Gemeinderat Omar Al-Rawi, ist es auch, der sich besonders dafür stark gemacht hat, dass mit dem Muhammad-Asad-Platz (1) vor der UNO-City erstmals ein Platz nach einem Moslem benannt wird. Und die Stadt so ein weiteres sichtbares Zeichen ihrer muslimischen Bewohner bekommt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2008)

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