Schwerer Fall von Inzest: 24 Jahre gefangen

(c) EPA (Herbert P. Oczeret)
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Amstetten: Elisabeth F. wurde vom Vater in den Keller gesperrt und missbraucht. Die heute 42-Jährige bekommt sieben Kinder, eines stirbt. Drei Kinder durften den Keller nicht verlassen. Der Vater sagt nur: "Meine Familie tut mir leid".

AMSTETTEN/WIEN. Der 73-jährige Josef F. sprach genauso wie man es von einem verzweifelten Großvater erwarten dürfte: "Wir haben schon genug mitgemacht. Und jetzt auch noch das." "Auch noch das" ist seine 19-jährige Enkeltochter K., die er am Samstag, dem 19. April, ins Krankenhaus Amstetten bringt. Das Mädchen leidet unter starken Krämpfen. Die Ärzte sind ratlos, die Untersuchungen bleiben ohne Ergebnis. Die junge Frau schwebt seither in Lebensgefahr. Die Ärzte wenden sich an die Öffentlichkeit: Die seit 1984 als abgängig gemeldete Mutter, die heute 42-jährige Elisabeth F., solle sich melden. Ohne die Krankengeschichte könnten die Ärzte der jungen Frau nicht helfen, so der Aufruf. Auch der Großvater will nichts wissen. Er habe K. bewusstlos im Garten seines Hauses gefunden. Ein Zettel sei dabei gelegen, auf dem stand: "Bitte kümmert euch um meine kranke K. Sie braucht dringend ärztliche Hilfe." Josef F. half seiner Enkelin. Sie ist vermutlich seine Tochter.

Eine Woche später wird die Mutter, die gesuchte Elisabeth F., endlich gefunden: Ein anonymer Hinweis führt die Polizei auf ihre Spur, zur Überraschung der Beamten ist sie in Begleitung des 73-jährigen Josef F., ihres Vaters. Auf dem Posten - die Polizisten halten im Protokoll einen "äußerst verstörten psychischen und einen auffälligen physischen Eindruck" fest - wird sie vernommen. Erst nachdem ihr die Beamten versichern, dass ihr Vater nicht mehr zu ihr dürfe, dass es keinen Kontakt mehr gegen ihren Wille geben werde und dass für ihre Kinder gesorgt werde, beginnt sie ihre Geschichte von Missbrauch und Inzest zu erzählen, die international für ähnliche mediale Aufregung sorgt wie der Fall Kampusch.

Elisabeth F. sagt, sie sei seit ihrem elften Lebensjahr vom Vater sexuell missbraucht worden. Am 28. August 1984 habe sie der heute 73-Jährige in den Keller gelockt, betäubt, mit Handschellen gefesselt und in ein Kellerabteil eingesperrt. Dort musste sie 24 Jahre bleiben: Laufend wurde sie von ihrem Vater vergewaltigt. Sieben Kinder bringt sie im Keller auf die Welt. 1996 sind es Zwillinge, beide leben, mangels entsprechender Versorgung stirbt ein Kind drei Tage nach der Geburt, sagt Elisabeth F. den Beamten. Der Großvater verbrennt die Leiche seines Kindes im Garten.

Das Jugendamt ist zufrieden

Drei Kinder werden nie den Behörden gemeldet, existierten offiziell einfach nicht, die drei anderen wurden von den Großeltern "adoptiert": Dreimal spielt Josef F. die Geschichte von der Kindesweglegung durch. 1993 heißt es auf dem Zettel, der beim von der Tochter weg gelegten Baby gefunden wird: "Sie ist neun Monate alt. Passt gut auf sie auf. Bei ihrer Oma und ihrem Opa geht es der Kleinen besser als bei mir." Kurz vor Weihnachten im Jahr darauf kommt ein Mädchen dazu, wieder im Jahresabstand ein Junge. Die Großeltern übernehmen die Rolle der Eltern - eines wird adoptiert, zwei sind Pflegekinder. Die drei gehen in die Schule, haben gute Noten. Das Jugendamt ist zufrieden.

Die drei Kinder im Keller - die 19-jährige K. und ihre beiden Brüder im Alter von 18 und fünf Jahren, bleiben mit ihrer Mutter in den Kellerräumen eingesperrt. Sie sehen nie das Tageslicht, dürfen nicht in die Schule. Ihre Mutter bringt ihnen das Sprechen bei, nur ihr Großvater bringt Nahrung und Kleidung. Hinweise, dass Josef F. seine Kinder ebenfalls sexuell missbrauchte, gibt es bisher nicht, sagt die Polizei.

Über dem Keller wohnt nicht nur Josef F., sondern auch seine Frau und sein Sohn. Beide wollen von den Kindern und dem 24 Jahre andauernden Missbrauch nichts mitbekommen haben.

Erst an diesem Samstag werden die zwei im Keller völlig verwahrlosten Kinder im Haus aufgefunden. Der 73-Jährige hatte die Söhne wegen der schweren Erkrankung der Tochter - alle drei hatten das Tageslicht noch nicht gesehen - aus ihrem Gefängnis geholt. Seiner Frau soll er erklärt haben, die Tochter wäre mit den beiden Kindern nach Hause gekommen. Sie glaubte ihm angeblich. Oder wie es bei der Polizei heißt: "Sie hat es als gegeben hingenommen."
In der Nachbarschaft soll es hingegen Gerüchte gegeben haben, dass Josef F. wegen Sexualdelikten schon in Haft war. Die Polizei sagt dazu nichts. Der Zugang zum Verlies konnte vorerst nicht gefunden werden, der Zustand der Opfer macht eine Befragung unmöglich. Der Großvater ist nicht zu einer Aussage bereit. Er sagt nur soviel: "Ich bedaure den Vorfall. Meine Familie tut mir leid."

Diese Familie ist nun gemeinsam in psychiatrischer Behandlung und wird vom Kriseninterventionsteam betreut, die zwei Buben aus dem Keller sind auch in klinischer Betreuung.

"Die Nachbarn sind sprachlos", meldet die Austria Presseagentur am Sonntagabend.


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