Häftling warnte schon 2013

Gefängnisse. Lange vor der Verwahrlosung eines Insassen berichtete ein anderer der Volksanwaltschaft von unzumutbaren Zuständen in Stein.

Krems/Wien. Wäre der Fall des verwahrlosten Insassen der Justizanstalt Stein zu verhindern gewesen? Objektiv wird die Frage niemand beantworten können. Dennoch muss sie gestellt werden. Das legen nun neue Unterlagen zu den Bedingungen im Gefängnis nahe.

Bereits im März 2013, also vor über einem Jahr, machte ein Häftling in einem Schreiben an die Volksanwaltschaft auf mehrere behauptete Missstände aufmerksam. Einer davon: Der Umgang mit geistig abnormen Rechtsbrechern im Maßnahmenvollzug. Die Insassen dort, schreibt Häftling C., würden „ärger als Viecher“ gehalten. Dabei handelt es sich um genau jene Abteilung in Stein, in der ein Häftling so lang sich selbst überlassen geblieben ist, bis Teile seines Körpers zu verwesen begonnen haben. Der „Falter“ hat den Fall vergangene Woche öffentlich gemacht. Seither debattieren Experten und Politiker über Reformen und Konsequenzen.

In dem der „Presse“ vorliegenden Brief an die Volksanwaltschaft schildert C., der selbst schon 35 Jahre hinter Gittern lebt, aber noch mehr. Für die geistig abnormen Rechtsbrecher gebe es kaum Betreuung oder Freizeitgestaltung. Und: Er gibt Hinweise auf die schlechten hygienischen Bedingungen im Trakt: „Die Hafträume sind verkommen und voller Schmutz.“ Die Wachebeamten würden sich nicht darum kümmern. Frei nach dem Motto: „Rein in die Zelle, je früher du verreckst, umso lieber ist es uns.“

Auch die Antwort von Volksanwältin Gertrude Brinek liegt vor. Sie hat C. zwei Vorschläge gemacht. Erstens: eine Beschwerde im Justizministerium. Zweitens: ein neuerlicher Stein-Besuch einer der Kommissionen, die für die Volksanwaltschaft Haftanstalten im ganzen Land überprüfen. Mit der Einschränkung: „Da Stein jedoch erst vor Kurzem besucht wurde, ist ein weiterer Besuch in nächster Zeit nicht naheliegend.“

Sechs Teams für 4000 Einrichtungen

Angesichts der aktuellen Ereignisse wirkt die Antwort fast zynisch. Brineks Mitarbeiter Peter Kastner sagt heute, dass C.'s allgemein gehaltene Hinweise auf Missstände kein Fall für den Volksanwalt, sondern die angegliederten Kommissionen waren. Davon gibt es sechs, sie sind in Österreich für 4000 Haftanstalten, Polizeianhaltezentren, Pflegeeinrichtungen oder Jugendheime zuständig. Trotzdem habe man im konkreten Fall die Informationen an die zuständige Kommission weitergegeben, die drei Monate nach C.'s Schreiben tatsächlich wieder nach Stein gekommen ist. Und ja, man habe auch Missstände entdeckt, die im Jahresbericht abgedruckt seien.

Von den Mängeln, die der Häftling schilderte, steht dort jedoch kein Wort.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2014)

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