Wien: Der Krieg der Taxler

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Kammerfunktionäre sollen vor allem Zuwanderern Lenkerausweise gegen Bargeld ausgestellt haben. Stimmt nicht, sagen die Beschuldigten und sprechen von einer Intrige.

Wien. Auf den Straßen Wiens herrscht ein rauer Umgangston. Und wer im dichten Großstadtverkehr beruflich unterwegs ist, der braucht ein besonders dickes Fell. Dennoch scheint die Arbeit als Taxilenker beliebt zu sein wie noch nie. So beliebt, dass Interessenten für das sichere Bestehen der Prüfung zum Lenkerausweis angeblich hohe Summen an korrupte Kammerfunktionäre bezahlt haben.

Seit einigen Wochen schon brodelt es in der Branche. Unternehmer und Lenker diskutieren intern darüber, ob es denn wirklich möglich sein könne, dass Berufseinsteiger 4000 bis 5000 Euro für den Taxischein zahlen. „Ich kenne in ganz Wien keinen Taxistand, wo nicht darüber gesprochen wird“, sagt ein Fahrer eines größeren Unternehmens. Die Hand aufgehalten haben sollen wenigstens vier Mitglieder jener Kommission, die die Prüfungen für den Lenkerausweis abnimmt. Unter ihnen befindet sich auch der Innungschef höchstselbst. Der wiederum bestreitet die Vorwürfe und vermutet hinter den Anschuldigungen eine sorgfältig geplante Intrige seiner Gegner, um ihm und seiner Fraktion bei der nächsten Kammerwahl zu schaden.

Staatsanwaltschaft prüft

Allerdings hat die Angelegenheit die Gerüchteküche inzwischen verlassen. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft überprüft derzeit gleich zwei Sachverhaltsdarstellungen zur Sache. Eine davon ging anonym ein, die andere hochoffiziell vom stellvertretenden Innungschef. Neben dem Sachverhalt an sich prüft die Behörde auch, ob es sich hierbei um Amtsgeschäfte gehandelt hat. Immerhin arbeitet die Prüfungskommisson der Kammer im Auftrag des Verkehrsministeriums.

Auf das Wesentliche reduziert soll sich in den vergangenen Jahren Folgendes zugetragen haben: Bewerber, deren Wissen oder Sprachkenntnisse für das positive Bestehen der kommissionellen Prüfung nicht ausreichte, trafen sich, so die Verdachtslage, im Büro eines Taxiunternehmens im neunten Wiener Gemeindebezirk. Gegen die Zahlung von 4000 bis 5000 Euro sollen dort unter Anleitung die Prüfungsbögen nachträglich manipuliert worden sein. Bei der folgenden mündlichen Prüfung sollen schließlich der Innungschef und seine Helfer dafür gesorgt haben, dass es mit dem Abschluss klappt. Eine Praxis, die vor einigen Jahren schon im Bundesland Tirol kolportiert wurde. Auch damals stand ein hoher Kammerfunktionär im Zentrum der Vorwürfe. Nachzuweisen war ihm jedoch nichts.

Der Wiener Innungschef Christian Gerzabek bezeichnet die Vorwürfe als Intrige seiner Gegner. Ihre Namen nennt er nicht. Er behauptet aber, dass es in seiner Branche sozusagen Tradition sei, gegen unliebsame Konkurrenten mit allen Mitteln der politischen Kriegsführung vorzugehen. Und um genau darum, nämlich Politik, gehe es nun. „Im nächsten Frühling stehen Kammerwahlen an. Die anonymen Vorwürfe sind der Beginn des Wahlkampfes.“

Gerzabek gehört dem Wirtschaftsbund der ÖVP an und ist stellvertretender Bezirksvorsteher in Hietzing. Egal, mit wem man sich derzeit im Wirtschaftsbund zur Causa prima unterhält: Immer und immer wieder stößt man auf die Theorie von der Verschwörung gegen die Partei.

Heiß umkämpfter Markt

Dagegen spricht, dass auf der Liste der Beschuldigten auch der Name eines Sozialdemokraten zu finden ist. Und dass nicht alle Schilderungen der behaupteten Deals aus anonymer Quelle stammen. Khachador Jalmanian ist einer von zwei Stellvertretern Gerzabeks, Koalitionspartner und Chef der unabhängigen Liste „Taxi Solidarität“. Er hat nach dem Bekanntwerden der anonym vorgebrachten Anschuldigungen selbst zu recherchieren begonnen, mit Taxilenkern gesprochen und seine Erkenntnisse an die Staatsanwaltschaft geschickt. Der „Presse“ sagte er: „Was ich erfahren habe, sind keine Gerüchte mehr. Die Behörden sollen das jetzt in Ruhe prüfen. Wir müssen uns in der Fachgruppe darum kümmern, dass so etwas nie wieder passiert.“

Wiens Taximarkt ist hart umkämpft. Vor 30 Jahren gab es 2500 Taxis. Heute sind es fast 5000. Die Zahl der Kunden blieb jedoch gleich. Den Grund, warum jemand in einem so schwierigen Umfeld trotzdem Geld für eine Lenklizenz zahlen sollte, erfährt man an jedem Taxistand: Gerade unter Zuwanderern gilt der Beruf nach wie vor als sozialer Aufstieg. Doch es gibt auch Gründe, die dagegen sprechen. Die kolportierte Höhe des Bestechungsgelds ist hoch. Lenker müssten die Summe über mehrere Monate abarbeiten. Und: Die Manipulation der Prüfungen, an deren Abnahme mehrere Personen beteiligt sind, wäre schwierig – wenngleich nicht unmöglich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2014)

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