Nato stört Flugverkehr über Österreich

Archivbild: Eine AWACS-Maschine der Nato
Archivbild: Eine AWACS-Maschine der NatoREUTERS
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In Mitteleuropa verschwanden zuletzt zwei Mal hintereinander Flugzeuge von den Schirmen der Fluglotsen. Ursache könnten Experimente des Militärs in Norditalien und Deutschland sein.

Gefährden Militärexperimente der NATO zur Erprobung elektronischer Kriegsführung die Flugsicherheit in Mitteleuropa? Recherchen der „Presse" scheinen diesen Verdacht zu bestätigen, der nach mehreren Zwischenfällen in den vergangenen Tagen aufgekommen ist.

Am Donnerstag der Vorwoche (5. Juni) und am Dienstag (10. Juni) verschwanden auf den Schirmen von Fluglotsen in Österreich, Deutschland, Tschechien und der Slowakei vereinzelt Flugzeuge und tauchten Minuten später wieder auf. Manchmal fehlten die Angaben zur Position, andere Male Daten zu Flugrichtung, -höhe oder -geschwindigkeit. An beiden Tagen übernahmen Lotsen die Flugzeuge „händisch", also via Funk, berichtete die Tageszeitung „Kurier".

Als Auslöser für die Panne am 5. Juni geriet eine angebliche Übung der Nato in Ungarn in Verdacht, in deren Rahmen elektronische Kriegsführung geübt werden sollte. Tatsächlich bestreitet das Hauptquartier des Verteidigungsbündnisses aber, im fraglichen Zeitraum dort überhaupt ein Manöver durchgeführt zu haben.

Nato-Statement bleibt vage

„Inzwischen haben wir die Ursache für das Verschwinden der Flugzeuge im Norden Italiens und im Westen Deutschlands lokalisiert", sagt ein Informant der „Presse", der Zugang zu Informationen der europäischen Flugsicherung hat. Seinen Angaben nach war die Quelle der Störung militärischen Ursprungs. Am 5. Juni soll es ein AWACS-Aufklärungsflugzeug in Italien gewesen sein, von dem die alles verschluckenden Signale ausgingen. Am Dienstag ein noch nicht identifiziertes Objekt in der Nähe der US-Air Base Ramstein in Deutschland.

Das AWACS-Flugzeug soll unter NATO-Kommando geflogen sein. In Ramstein befindet sich ein Kommandozentrum für die vereinten Luftstreitkräfte der Nato. Die Frequenz, auf der die Störung stattfand: 1030 Megahertz. Das ist jenes Band, auf dem die Transponder ziviler Flugzeuge mit der Flugsicherung Kontakt halten (siehe dazu den Info-Kasten unten).

Die NATO zeigt sich bedeckt. „Wir diskutieren unsere Möglichkeiten der elektronischen Kriegsführung grundsätzlich nicht in der Öffentlichkeit", so ein ranghoher Militär. Weiters hielt der Offizier fest, dass das Bündnis bei allen Übungen „eng mit den örtlichen Behörden zusammenarbeite, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten".

Wie gefährlich war der Zwischenfall?

Die Austro Control, das ist die österreichische Flugsicherung, stuft den Zwischenfall als „nicht gefährlich" ein. Zeitgleich mit dem Notprogramm wurden nicht genutzte Sektoren des Luftraums frei gegeben, um die Abstände zwischen den betroffenen Flugzeugen zu vergrößern. Ähnlich sieht es Siegfried Lenz, Pilot und Generalsekretär der Interessensvertretung Austrian Cockpit Association. Allerdings: Sollte sich der Verdacht auf eine militärische Panne erhärten, müsse das Konsequenzen haben. „Wenn man diese Technik ausprobiert, dann soll man das doch bitte in der Wüste tun."

Bei den Sicherheitsbehörden sieht man den Zwischenfall nicht so entspannt. Auch wenn offizielle Statements bisher ausblieben: Ein informierter und ranghoher Beamter spricht von „der größten Beinahe-Katastrophe der zivilen Luftfahrt in Mitteleuropa". Während die Austro Control von höchstens zehn gleichzeitig betroffenen Flugzeugen spricht, dürften es nach Erkenntnissen des Bundesheers bis zu 50 gewesen sein.

Dabei könnte das Heer zur Aufklärung beitragen. Während das passive Radarsystem der Austro Control, das auf die Signale der in den Flugzeugen verbauten Transponder angewiesen ist, blind war, konnten die Operatoren des militärischen Radarsystems „Goldhaube" zuschauen, wie die „verlorenen" Flugzeuge den Luftraum durchquerten. Der Grund: Das Militär verwendet ein teures und nicht von den zivilen Transpondern der Flugzeuge abhängiges Primärradar, das Maschinen selbstständig ortet. Und das in jede Himmelsrichtung mehrere hundert Kilometer über die Grenzen in den Luftraum der Nachbarländer blickt. Auch AWACS-Einsätze in Deutschland und Italien wären der „Goldhaube" nicht verborgen geblieben.

Ob solche Luftbewegungen wahrgenommen wurden, sagt das Bundesheer nicht - das sei geheim. Nur soviel: „Die Luftraumüberwachung hat zu jedem Zeitpunkt funktioniert." Die Austro Control hat inzwischen die eigenen Computersysteme der Bodenstationen überprüft. Die Techniker schließen einen Hackerangriff als Ursache aus. Und weil die ebenfalls betroffenen Leitstellen in Deutschland, Tschechien und der Slowakei andere Software verwenden, scheint ein konzertierter Cyberangriff eher unwahrscheinlich.

Flugradar

Technik. Betroffen von den Ausfällen bei der Austro Control und anderen Luftfahrtbehörden in Mitteleuropa waren Flugzeuge, die in großer Höhe flogen.

Die Lotsen am Boden koordinieren den Flugverkehr mit Hilfe von Daten (Position, Richtung, Geschwindigkeit, Höhe), die Transponder aus den Flugzeugen zum Boden senden. Das nennt man Sekundärradar. Werden die Transponder gestört, ist die Flugsicherung mit einem Schlag blind.

Davon nicht betroffen ist militärisches Primärradar. Dabei schickt ein starker Sender am Boden elektromagnetische Wellen aus. Diese werden vom Flugobjekt reflektiert und von der Station wieder empfangen.

>> Bericht im "Kurier"

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Ursache für die Störung könnte eine Nato-Übung in Ungarn gewesen sein. Ausfälle gab es auch in Deutschland, Tschechien und der Slowakei.

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