Tullnerfeld: Gemeinde trennt sich von Bahnhof

Rudolf Friewald
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Die Gemeinde Michelhausen verkauft die Generalpacht am Bahnhof Tullnerfeld an eine Investorengruppe. Als Pilotprojekt soll in den Bahnhof im Sommer der erste Pendlerkindergarten Österreichs ziehen.

Wien. Zu sagen, der Bürgermeister der 2700-köpfigen Gemeinde Michelhausen wäre schlecht gelaunt, ist eine Untertreibung. „Ich will nicht mehr. Weil die Politik nicht fähig ist, eine Immobilie zu entwickeln“, sagt Rudolf Friewald (ÖVP) genervt. Nachsatz: „Und wenn das Projekt funktioniert, wird sich wieder jemand beschweren, weil wir verkauft haben.“

Rudolf Friewalds Ärger ist der Bahnhof Tullnerfeld. Seit mehr als einem Jahr ist der neue Bahnhof an der Weststrecke in Betrieb, um die Pendler in 20 Minuten zum Wiener Westbahnhof zu bringen. Das wird so gut angenommen, dass das Land Niederösterreich derzeit 300 neue Parkplätze davor bauen lässt. Leider funktioniert nur das. Im Bahnhof selbst sind die Geschäftsflächen nämlich seit mehr als einem Jahr leer. Immer wieder war davon die Rede, dass ein Supermarkt, eine Apotheke, eine Trafik einziehen könnten, (der Bäcker im Container vor dem Gebäude ist wieder verschwunden) – nur passiert ist das nicht. Friewald argumentiert das mit langsamen Behördengängen. So soll der Bahnhof bis heute keine Genehmigung für eine Apotheke bekommen haben, andere sprechen einfach von fehlendem Interesse. Was hilft dort ein Geschäft, wenn nur morgens und abends potenzielle Kunden kommen, heißt es. Rund um den Bahnhof sind vor allem Felder.

Die fehlende Kundschaft hat vor allem den Ort Michelhausen beschäftigt, ist er doch der Generalpächter der Geschäftsflächen. Diese hätten wiederum durch die JML Gmbh (die den drei Gemeinden Michelhausen, Judenau-Baumgarten und Langenrohr gehört) vermietet werden sollen. Monatlich fallen so um die 7000 Euro Miete an, inklusive der 14.000 Euro jährlich an Baurechtszins für das Recht, eine Art zweistöckiges Einkaufszentrum vor dem Bahnhof zu errichten.

Achtköpfige Investorengruppe

Nun hat Michelhausen genug. Die Gemeinde wird sich von dem Bahnhof trennen. Sie verkauft die Generalpacht sowie das Baurecht auf das Grundstück vor dem Bahnhof an eine achtköpfige Investorengruppe. „Der Vertrag soll in den kommenden zwei Wochen unterschrieben werden“, sagt Friewald. Den Namen der Investorengruppe und die Höhe des Verkaufspreises wollte er nicht nennen. Friewald war zuletzt auch in seiner Gemeinde unter Druck geraten. Die Gemeindeschulden und Haftungsrisken wären durch den Bahnhof gestiegen, monierte zuletzt die SPÖ in einem Gemeindebrief.

Dass der Bahnhof als Geschäftsmeile gescheitert ist, will Friewald bis jetzt nicht glauben. „Zuletzt hatten wir viele Anfragen für Büros dort“, sagt er. Auch ein Café soll schon fix sein. Und ein weiterer Mieter: die Gemeinde selbst (sowie drei Nachbargemeinden). Im September wird nämlich ein Kindergarten in den Bahnhof ziehen. Erlaubt sind dort nur die Kinder von Pendlern. „Man braucht also eine Monats- oder Jahreskarte für den Zug“, sagt Friewald. Der Kindergarten soll eineinhalb Jahre provisorisch im Bahnhof bleiben, danach in das Gebäude davor ziehen, das nun die Investorengruppe errichten soll. Die Gemeinde wird dort dann nur mehr Miete zahlen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2014)

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