Verhaltenstipps für Araber: Wolken am Golf von Sellamsee

(c) Claudia Lager
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Zell am See. Eine Broschüre mit Verhaltenstipps für arabische Gäste schoss über das Ziel hinaus und wird nun überarbeitet.

Zell am See/Karpun. Für Huda aus Dubai ist es das Paradies schlechthin: die Wiesen und Wälder, der glasklare See, die schneebedeckten Berggipfel, die blumengeschmückten Häuser. „Es ist unglaublich“, schwärmt die junge Frau, die mit ihrem Mann Jasem eine Woche in Zell am See Urlaub macht. Den Höhepunkt hat sich das Paar für den Schluss aufgehoben: Sie fahren mit der Seilbahn auf das Kitzsteinhorn. Allein, zuletzt haben sich über das Idyll schwarze Wolken geschoben. „Where Cultures meet“, eine achtseitige Broschüre mit Verhaltenstipps für arabische Gäste, sorgte für Aufruhr. Weil darin unter anderem Tipps für eine mit österreichischen Traditionen kompatible Bekleidung gegeben wurden, dass Frauen auf Schwarz verzichten sollten. Und auch der Wunsch, dass Frauen ihr Lächeln zeigen sollten, gefiel nicht allen.

Dass eine solche Broschüre überhaupt in Umlauf kam, hat damit zu tun, dass Zell am See seit einigen Jahren zu den beliebtesten Urlaubsdestinationen der Araber gehört. So beliebt, dass es manchen Pinzgauern schon zu viel wird. Seit zwei Jahren wird die Region nicht mehr aktiv in den Golfstaaten beworben. Und um zwischen Einheimischen und Touristen zu vermitteln, hat der Tourismusverband Zell am See Kaprun im März die Broschüre für Urlauber aus den Golfstaaten aufgelegt.

„Zu viele Irritationen“

Doch was gut gemeint war, erntete viel Kritik: Das Heftchen brachte Zell am See in die Schlagzeilen. In sozialen Netzwerken wurde der Vorwurf des Rassismus erhoben. Deshalb hat Zell am See den „Kulturführer“ zurückgezogen. „Die Broschüre wird gerade überarbeitet“, sagt Thomas Wilde, Unternehmenssprecher der Zell-am-See-Kaprun-Tourismus GmbH, zur „Presse“: „Es hat zu viele Irritationen gegeben. Daraus müssen wir lernen.“ Man wollte Verhaltensregeln erklären, aber niemanden diskreditieren. Dass man in Österreich Kinder im Auto anschnallt, es Tempolimits gibt, man für Abfall Mistkübel verwendet, nicht auf dem Boden isst und in Geschäften nicht gehandelt wird, zum Beispiel.

„Ich habe mir die Broschüre nicht angesehen“, sagt Huda, eine weit gereiste junge Frau. Dass man arabische Gäste manchmal schief anschaut, nimmt sie mit Humor: „Die glauben, wir sind Terroristen.“ Obwohl sie in Zell am See von einer älteren Frau, die sie beim Vorbeigehen unabsichtlich angerempelt hatte, beschimpft wurde, steht für sie fest: „Die Menschen hier sind so freundlich.“

„Salam aleikum, Lady“, grüßt der Kellner an der Bar bei der Talstation der Gletscherbahn eine verschleierte Frau, die eine Flasche Wasser kaufen will. Am Fenster des Kiosks kleben Geldscheine aus Kuwait, Katar, Saudiarabien, dem Oman, den Emiraten oder Bahrain. Auf allen steht eine kleine Widmung. „Ich hebe sie alle auf“, erzählt der Kellner stolz. An manchen Tagen erhält er zehn bis 15 der Erinnerungsgeschenke. Der Wirt hat sich auf die neue Klientel eingestellt, er kann sogar ein paar Brocken Arabisch.

Vor rund 15 Jahren haben die Araber „Sellamsee“ als Urlaubsdestination entdeckt. Sie sind im Sommer nach den Deutschen die zweitstärkste Gästegruppe in der Region. Zell am See/Kaprun kam im Tourismusjahr 2012/13 auf knapp 72.200 Ankünfte arabischer Gäste, ein Plus von 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Allein im vergangenen Sommer sorgten die „Golfis“ für rund 275.000 Nächtigungen in der Region, ein Plus von 26 Prozent gegenüber 2012.

Tagesausgaben von 245 Euro

Von solchen Steigerungsraten kann man bei anderen Herkunftsmärkten nur träumen. Mit Tagesausgaben von 245 Euro lassen die Gäste aus den Golfstaaten die Kassen klingeln. Es sind junge, weltoffene Touristen ebenso darunter wie traditionelle, streng religiöse Reisende. Viele junge Paare wählen „Sellamsee“ als Ziel für ihre Hochzeitsreise. Der Hochsommer ist außerhalb des Fastenmonats Ramadan die Zeit der Großfamilien. Manche bleiben ein paar Wochen, andere schauen sich Zell am See und Salzburg im Kurzdurchlauf an. Mit dem Taxi lassen sie sich vom Flughafen München oder von Wien in der Früh in den Pinzgau chauffieren, dazwischen ein Stopp in der Festspielstadt. Abends geht es zurück.

Taxis haben in Zell am See arabische Aufschriften, in vielen Restaurants gibt es Speisekarten auf Arabisch und Halal-Hinweisschilder zeigen in der Bergstadt den Gästen, wo es den muslimischen Vorschriften entsprechendes Essen gibt. „Man kommt sich als Deutsche manchmal schon in der Minderheit vor“, meint eine Touristin aus Hamburg, die an der Promenade des Zeller Sees auf das Ausflugsschiff wartet. Die starke Präsenz der Araber falle auf, aber das störe sie nicht. Sie habe die Araber im Hotel als angenehme, zurückhaltende Gäste erlebt. Da gehe es bei deutschen Familien manchmal lauter zu, berichtet die Frau.

Er sei schon zum zweiten Mal hier, schwärmt Alouf von „Sellamsee“. Mit seiner Frau und dem kleinen Sohn hat er vier Tage in der Bergstadt verbracht. Die Broschüre ist für ihn kein Thema. Die Familie war auf dem Kitzsteinhorn und hat einen Schiffsausflug auf dem Zeller See gemacht. „Ich habe zum ersten Mal Schnee gesehen“, erzählt seine Frau. Als sie ins Auto steigen, wird der Sohn im Leihwagen ganz selbstverständlich angeschnallt. Und auch eine Familie aus Saudiarabien braucht keine Unterstützung bei den Verhaltensregeln. Als die ganz in Pink gekleidete Fünfjährige an der Bushaltestelle mit ihrem Eis fertig ist, reicht ein strenger Blick ihres Vaters, damit das Papier im Mistkübel landet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2014)

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