Polizei darf Handy nach Unfällen beschlagnahmen

Bei Verdacht auf Ablenkung ist das Handy ein Beweismittel.

Wien. Jeder Sechste der 237 tödlichen Verkehrsunfälle seit Jahresbeginn ereignete sich durch Ablenkung wie telefonieren, SMS oder E-Mail schreiben und im Internet surfen (siehe Artikel). Sollte die Polizei den Verdacht haben (beispielsweise durch eine Zeugenaussage), dass das Benutzen des Handys am Steuer den Unfall verursacht haben könnte, darf sie es sogar beschlagnahmen.

Die Sicherstellung eines Mobiltelefons als Beweismittel darf aber nur die Staatsanwaltschaft beantragen. Nur in Ausnahmefällen (bei Gefahr im Verzug) kann die Polizei Handys von sich aus abnehmen – was sehr selten passiert. Ein möglicher Fall von Gefahr im Verzug wäre jemand, der nach einem Unfall sein Handy zerstören will.

Viel gängiger als die Beschlagnahmung eines Mobiltelefons ist die Rufdatenrückerfassung beim Netzanbieter, bei der nach einem richterlichen Beschluss Anrufe und SMS auf die Sekunde genau ermittelt werden können (Handydaten können die Besitzer löschen). Die Voraussetzung dafür sind Straftaten, auf die eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr steht. Etwa die fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen – wenn jemand beispielsweise in alkoholisiertem Zustand einen Unfall mit Todesfolge verursacht.

Pilotprojekt in Köln

In Köln sammelt die Polizei seit Jahresbeginn nach schweren Verkehrsunfällen ohne offensichtliche Ursache die Handys der beteiligten Lenker routinemäßig ein, um zu überprüfen, ob sie zum Zeitpunkt des Unfalls benützt wurden. Ob die Handydaten tatsächlich ausgewertet werden, entscheidet später die Staatsanwaltschaft. Erfahrungswerte gibt es bis jetzt noch keine, da diese Maßnahme sehr selten angewendet wird.

Als Grund für diese neue Ermittlungsmethode gibt die Polizei die stark gestiegene Zahl der Unfälle mit ungeklärter Ursache an. Man vermutet daher einen Zusammenhang mit der steigenden Zahl an Smartphone-Besitzern. (kb)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2014)

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