Wie die Länder mit Bettlern umgehen

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THEMENBILD: BETTELN IN DER STADT SALZBURG(c) APA/BARBARA GINDL
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Oberösterreich beschließt ein Verbot des gewerbsmäßigen Bettelns. Salzburg setzt auf soziale Maßnahmen.

Bettler werden gerade in den Städten immer öfter als Problem wahrgenommen. Fakt ist: Betteln ist ein Menschenrecht, zahlreiche Bettelverbote wurden vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Einige Bundesländer versuchen nun, die Bettlerproblematik mit sozialen Maßnahmen in den Griff zu bekommen. Ein Überblick.

Oberösterreich wird heute, Donnerstag, voraussichtlich ein Verbot des gewerbsmäßigen Bettelns beschließen. Das derzeitige Gesetz sei, sagt SPÖ-Landesgeschäftsführer Peter Binder, „zu schwammig“. Die Polizei habe praktisch keine Handhabe gegen organisierte Bettelei. Wie viele der rund 50 Bettler in Linz organisiert sind, einen Teil des Geldes also an Hintermänner abgeben müssen, ist unklar. Auch, ob die Zahl der Bettler überhaupt zugenommen hat, wie die Händler der Linzer Innenstadt behaupten. Weder Polizei noch Sozialeinrichtungen, sagt Binder, konnten darüber Auskunft geben. Der Aufschrei hat aber dazu geführt, dass nun das gewerbsmäßige Betteln verboten wird. Wobei die Definition von „gewerbsmäßig“ keine leichte ist: In Linz sieht man die Gewerbsmäßigkeit gegeben, wenn Bettler Geld, aber keine Sachspenden annehmen. Zusätzlich sollen Sozialmaßnahmen ausgearbeitet werden.

Von den 2000 bis 2500 Bettlern, die es in Österreich nach Schätzungen des Bundeskriminalamtes (BK), gibt, hält sich der Großteil – 1500 – in Wien auf. Trotzdem ist Betteln hier derzeit kein großes Thema. Was nicht bedeutet, dass man die Situation im Griff hat: Die Bettellobby spricht vom „schikanösen Vorgehen“ der Polizei gegen bettelnde Menschen. Auch hat man das organisierte Betteln nicht unter Kontrolle. „Wir vermuten, dass von den 1100 rumänischen Bettlern etwa 400 der organisierten Bettelei zuzuordnen sind“, sagt Gerald Tatzgern, der im BK die Zentralstelle zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität leitet. Dass eine Organisation hinter einem Teil der Bettler steht, sehe man auch daran, dass die Zahl der Bettler im Laufe der Jahre gleich geblieben ist, „die Gesichter aber andere sind“. Soll heißen: Bettlerorganisationen bringen regelmäßig neue Bettler nach Wien, kontrollieren aber deren Anzahl. Menschenhandel spiele dabei laut BK eine geringe Rolle, wobei Tatzgern einräumt, dass es wohl eine Dunkelziffer gebe: Konkret kenne man nur ein Opfer, in einem Fall müssen sich demnächst gleich 23 Beschuldigte vor Gericht verantworten.

In Salzburg war das Betteln eines der zentralen Themen im Kommunalwahlkampf. Im Mai hat die Caritas eine Notschlafstelle für Armutsmigranten eingerichtet. Davor hatte ein Teil der rund 150 Bettler unter gefährlichsten Bedingungen unter Brücken geschlafen, immer wieder war es auch zu Übergriffen gekommen. Zwei Arbeitsgruppen haben nun Maßnahmen ausgearbeitet: Stadt, Land und Caritas werden eine Notunterkunft für 40 bis 50 Bettler einrichten. Verbotszonen oder andere Einschränkungen wird es für Bettler vorläufig nicht geben.


Seit Jahresanfang ist in Tirol Betteln in „stiller und passiver Form“ wieder erlaubt. „Aggressives, aufdringliches Betteln“ sowie gewerbsmäßiges und organisiertes Betteln bleiben verboten. Sowie Betteln unter der „aktiven Beihilfe von Kindern“. Allerdings werden im Landes-Polizeigesetz Gemeinden ermächtigt, mit einer Verordnung an bestimmten Orten das stille Betteln bei „Missständen“ doch zu untersagen, wenn sich etwa die Zahl der Bettler dramatisch erhöht. Weil dies zuletzt tatsächlich der Fall war, forderte die FPÖ Anfang März im Gemeinderat ein „räumlich begrenztes Bettelverbot“ von sieben bis 23Uhr in rund 20 Straßenzügen – de facto in der gesamten Innenstadt. Der Antrag fiel zwar durch, aber Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer (Für Innsbruck) kündigte an, eine Verordnung prüfen zu lassen, um Möglichkeiten für ein räumlich und zeitlich begrenztes Bettelverbot auszuloten. Sie könne sich etwa ein Anmeldesystem und eine Quote vorstellen. Ergebnisse der Prüfung sollen Anfang Juli vorliegen.


Nachdem das Bettelverbot in der Steiermark Anfang 2013 vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde, sieht man beim Land keinen Bedarf nach einer Verschärfung. Anders sieht das der Grazer Bürgermeister, Siegfried Nagl (ÖVP). Er will Bettelzonen in der Innenstadt, für die sich Bettler im Magistrat einen Karte holen müssen. Damit wäre die Zahl der Bettler pro Tag beschränkt. Das Land verweigert allerdings bisher die notwendige „Verordnungsermächtigung“. Auch Graz erarbeitet nun soziale Maßnahmen, um Bettlern zu helfen. Stolz verweist man in Nagls Büro auf ein EU-Projekt, mit dem man zwölf Bettlerfamilien zu Bioknoblauch-Bauern ausgebildet hat. Diese könnten heute von der Landwirtschaft leben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2014)

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