Justizwache: Streik liegt in der Luft

Tristesse und Eintönigkeit prägen das Erscheinungsbild der praktisch dauernd überfüllten Justizanstalt Wien-Josefstadt
Tristesse und Eintönigkeit prägen das Erscheinungsbild der praktisch dauernd überfüllten Justizanstalt Wien-JosefstadtClemens Fabry
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Man wolle im Kollegenkreis "die Bereitschaft für Streiks ausloten". Dies sagt der VP-nahe Chef der Justizwachegewerkschaft Albin Simma zur "Presse". Am Freitag finden daher Dienststellenversammlungen statt.

Vormittag für Vormittag herrscht ein reges Kommen und Gehen – innerhalb der Vorführzonen der österreichischen Gefängnisse: Anwälte lassen sich ihre (inhaftierten) Klienten von der Justizwache zwecks Vorbereitung auf die Prozesse vorführen; Insassen bekommen Besuch von Angehörigen – dies unter Kontrolle der Justizwache. All diese Abläufe dürften am Freitag empfindlich durcheinander kommen. Für neun Uhr hat die Justizwachegewerkschaft bundesweit zu Dienststellenversammlungen aufgerufen.

Mit dieser Maßnahme (Gewerkschafter sprechen bereits von einer Maßnahme im Sinne des "Arbeitskampfes") will die Justizwache anlässlich der Debatte um Missstände im Strafvollzug ihren Unmut darüber kundtun, dass VP-Justizminister Wolfgang Brandstetter sich nicht ausreichend vor die Beamten stelle. Vor allem aber wolle man „die Bereitschaft für Streiks ausloten“, so der VP-nahe Chef der Justizwachegewerkschaft Albin Simma.

Resolution soll verabschiedet werden

Bereits am Donnerstag will die Justizwachegewerkschaft eine Resolution verabschieden. Dabei werden laut "Presse"-Informationen vor allem drei Punkte hervorgehoben werden, die für die Justizwache besonders problematisch erscheinen:

1.) Der Personalmangel. Derzeit sind in Österreichs Haftanstalten knapp 3100 Justizwachebeamte damit beschäftigt, auf die Sicherheit der gut 9000 Insassen zu achten. Geht es nach den Gewerkschaftern müssten 350 Uniformierte zusätzlich eingestellt werden. Als Beispiel für verfehlte Personalpolitik gilt in den Augen der Justizwachegewerkschaft etwa die Linzer Außenstelle Asten, wo ein forensisches Zentrum für geistig abnorme Rechtsbrecher eingerichtet wurde. Allerdings, so sagt der SPÖ-nahe stellvertretende Vorsitzende der Justizwachegewerkschaft, Christian Kircher: "Es gibt keine personelle Bedeckung für das Zentrum. In der Privatwirtschaft wäre das undenkbar." Auch für Kircher sind nun Streiks "nicht mehr auszuschließen".

2.) Die Vermischung verschiedener Vollzugsformen. Hier wird angeprangert, dass in einigen Anstalten sowohl Jugendliche als auch Erwachsene - wenn auch voneinander getrennt - unter einem Dach sitzen. Sämtliche Experten befürworten eine Ausgliederung junger Gefangener in eigene Anstalten oder sogar in betreute Wohngruppen (dort könnte man die Angehaltenen eventuell mit Fußfesseln überwachen).

3.) Zudem wird bekritelt, dass in großen Gefängnissen, Beispiel: Krems-Stein, sowohl geistig abnorme Rechtbrecher untergebacht sind - als auch "normale" Häftlinge. Die Maßnahme einer Anstaltsunterbringung wird bei gefährlichen und psychisch kranken Tätern verhängt. Sie gilt wohlgemerkt nicht als Strafe.

Härtefälle sollen vermieden werden

Ob der kommende Freitag möglicherweise schon Streikbeschlüsse bringt, bleibt abzuwarten. Dass durch den Rückzug der Justizwachebeamten auf ihre Dienststelllen etliche Verzögerungen im Ablauf innerhalb der Gefangenenhäuser eintreten, gilt aber als sicher - und als nicht ganz ungewollt. Die Gewerkschafter versprechen aber, Härtefälle zu vermeiden. Beispiel: Wenn ein Häftling zu einer Gerichtsverhandlung um 9.30 Uhr vorgeführt werden muss, dann soll nicht der Prozess platzen. In einem solchen Fall wird die Vorführung trotz gleichzeitig stattfindender Dienststellenversammlung durchgeführt.

Apropos Streik: Wie aus Gewerkschaftskreisen verlautet, bedürfe es einer solchen (Extrem-)Maßnahme gar nicht. Würden die Beamten "nur" Dienst nach Vorschrift machen, so würde der Betrieb in kürzester Zeit kollabieren. Beispiel: Für Vorführungen oder für die Bewachung von Häftlingen am Weg in ein Krankenhaus sind Beamte in gewisser Anzahl vorgeschrieben. Diese Anzahl wird aber in der Praxis aus Personalmangel praktisch durchwegs unterschritten.

Indes wird wiederum den Gewerkschaftern immer wieder vorgeworfen, gerade in jüngster Zeit durch das Lancieren von Horrormeldungen den eigenen Stand zu beschädigen. Ob die vom Justizressort jüngst eingesetzte Expertengruppe gewillt ist, den Strafvollzug von Grund auf neu zu ordnen und politisch zu entflechten, muss sich erst zeigen. Jahrelang führte das Thema ein Schattendasein. Denn: Auch mit einem tadellos geführten Strafvollzug ließe sich wohl keine Wahl gewinnen.

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