Wie man die Donau in Form hält

APA/KONRAD STOGART
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Am Brigittenauer Sporn in Wien entsteht ein europaweit einzigartiger Versuchs-Fluss. Unter anderem soll dort an Methoden geforscht werden, die Donau-Eintiefung zu bremsen.

Wien. Am Brigittenauer Sporn, der den Donaukanal von der Donau abscheidet, nur wenige Meter unterhalb der Otto-Wagner-Wehranlage und der Schemerlbrücke graben, stemmen und betonieren Bauarbeiter gerade einen acht Meter tiefen, fünf Meter breiten und fast 150 Meter langen Schacht - sie bauen einen künstlichen Fluss.

Zwölf Kilometer stromabwärts, hinter dem Kraftwerk Freudenau, kippt der Verbund-Stromkonzern Jahr für Jahr 200.000 Kubikmeter Kies in die Donau - umgerechnet mehr als 8000 Lkw-Ladungen. Das muss er tun - eine behördliche Auflage für den Kraftwerksbetreiber.

Noch einmal 34 Kilometer weiter, bei Bad Deutsch-Altenburg, nach der längsten von Kraftwerken und anderen Staumauern ununterbrochenen Strecke der Donau in Österreich, hat die Via Donau, die Wasserstraßengesellschaft des Bundes, das Pilotprojekt für eines der größten Infrastrukturvorhaben der Republik abgeschlossen: einen Naturversuch, bei dem Steine mit bis zu drei Zentimeter Durchmesser, die das Flussbett der Donau ausmachen, flächendeckend durch vier bis sieben Zentimeter große Steine ausgetauscht werden. Sie sollen das Flussbett stabilisieren. Wenn das funktioniert, soll das Verfahren auf der ganzen 48 Kilometer langen Strecke von der Freudenau bis zur Staatsgrenze angewendet werden.

Donau sinkt zwei Zentimeter

Diese drei Szenen an der Donau haben eine gemeinsame Ursache, nämlich: Die Donau gräbt sich immer tiefer in ihr Bett. Um zwei Zentimeter sinkt der Wasserspiegel des Stromes pro Jahr durchschnittlich, sagt Helmut Habersack, Leiter des Wasserbau-Instituts an der Boku und der Wissenschaftler hinter dem Naturversuch und dem künstlichen Fluss. Das ist eine Folge der Donauregulierung: Durch die Begradigung des Laufes fließt die Donau so schnell, dass sie ihre Sohle mitreißt - weshalb der Verbund beim Kraftwerk Freudenau, wie vorhin beschrieben, tausende Tonnen Material hineinschütten muss, das langsam bis in das Staubecken des Kraftwerks Gabčíkovo bei Pressburg weitergetragen wird. Wo es wieder mühevoll ausgeschaufelt werden muss.

Das ist nicht nur teuer und aufwendig, sondern schafft auch Probleme für Verkehr und Umwelt: Doch trotz der 200.000 Kubikmeter Kies vergeht die „Spurrinne", in der Donauschiffe fahren können, das heißt, der Schiffsverkehr wird damit unsicherer. Gleichzeitig werden die Donauauen immer seltener überschwemmt, was die Artenvielfalt gefährdet.

2,6 Mio. Euro für Testfluss

Abhilfe soll das „Flussbauliche Gesamtprojekt" schaffen, das Uferrückbauten mit dem Auswechseln des Gesteins im Flussbett kombiniert. Vereinfacht gesagt sollen größere Steine in die Donau geschüttet werden, die der Strom nicht so schnell mitschleifen kann.

Der Naturversuch bei Bad Deutsch-Altenburg zeigt nun aber - die wissenschaftliche Auswertung wird freilich noch Jahre dauern -, dass die Steine, die man bisher verwenden wollte, nicht groß genug sind. Und hier kommt nun der künstliche Fluss am Brigittenauer Sporn ins Spiel: Es handelt sich um eine europaweit einzigartige Anlage, an der die Boku die Dynamik fließender Gewässer untersuchen will - eben auch jene des Sedimenttransports, der für die Donau-Eintiefung verantwortlich ist.

Das ist auch dringend nötig, denn die Formel, mit der die Forscher bisher gearbeitet haben, stammt aus dem Jahr 1948 und wurde aufgrund von Messungen in einem nur 30 Zentimeter breiten Kanal erstellt, sagt Habersack. Mit dem neuen, 2,6 Mio. Euro teuren Versuchsfluss - 85 Prozent stammen aus EU-Mitteln - zwischen Donau und Donaukanal sollen hier validere Daten gewonnen werden.
Die Fertigstellung des Versuchsareals - am Ende sollen nur 30 Meter des 150 Meter langen Kanals offen liegen, der Rest wird überplattet - ist für Ende November geplant. Neben dem Sedimenttransport sollen hier auch Studien zum Verhalten von Fischen bei Aufstiegshilfen oder zur neuen Technik stromerzeugender Bojen stattfinden.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 11. Juli 2014)

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