OPPT: Wie die Verschwörung nach Hollenbach kam

Sekte Hollenbach
Sekte Hollenbach(c) Michele Pauty (Michele Pauty)
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Mit ihrem „Gerichtsverfahren“ gegen eine Waldviertler Anwältin wurde die OPPT-Gruppe aktiver als jemals zuvor in Europa. Über ihren „Sheriff“, der festgenommen wurde, wurde U-Haft verhängt.

Hollenbach. Man erahnt es schon an der krakeligen schwarzen Schrift, in der die umstürzlerischen Plakate an der Pferdekoppel gehalten sind, was ein Nachbar schließlich so zusammenfassen wird: „Oft gemacht haben die das noch nicht.“

Statt die Leintücher, auf denen Sätze wie „Polizei und Justiz werden von dem (sic!) United States kontrolliert!!“ oder „Banken und die Regierung sind zwangsvollstreckt“ stehen, zuerst auf dem Boden zu bemalen und dann aufzuhängen, haben die Mitglieder der OPPT sie beschriftet, nachdem sie sie an dem Zaun angebracht haben. Entsprechend verwackelt lesen sie sich.

Die Plakate, ein verwaistes Campingzelt und mit Klarsichtfolie überzogene Schilder eines „International Common Law Court of Justice, Vienna“ am Tor des heruntergekommenen Hofes an der Hauptstraße des kleinen Waldviertler Dorfes Hollenbach sind alles, was noch daran erinnert, was sich hier in den vergangenen Wochen zugetragen hat. Und was am Montag mit einer Hausdurchsuchung, zwei verletzten Polizisten, einer Festnahme und einer Einweisung in die Psychiatrie sein vorläufiges Ende gefunden hat.

Begonnen hat die Geschichte mit der verschuldeten Masseuse Michaela W., die ihren Hof in der 340-Einwohner-Ortschaft, einem Vorort von Waidhofen an der Thaya, nicht erhalten konnte: Nicht nur, dass ihr Haus zunehmend verwahrloste – eingeschlagene Fenster und ein überwucherter Vorgarten zeugen noch immer davon –, wegen Zahlungsschwierigkeiten wurden auch Strom und Wasser abgedreht.

Plötzlich kamen die Fremden

German Müller, Geschäftsführer der Bundesstelle für Sektenfragen, wird später sagen, dass Menschen in Ausnahmesituationen anfällig für krause Theorien sind, die ihnen Auswege böten. Und W. fand die OPPT: Eine via Internet verbreitete Verschwörungs- und Erlösungslehre, derzufolge alle Menschen von „Firmen“ wie Staaten, Banken und Konzernen versklavt sind, sich mit juristischen Kniffen wie dem namengebenden „One People's Public Trust“ aber befreien können.

Vergangenen Herbst, erzählen Nachbarn, begann W. Plakate wie „Befrei Dich!“ und ähnlichen Slogans aufzustellen. Das fand im Dorf wenig Beachtung. In einem Ort, in dem schon mal jemand wandfüllende Plakate gegen Windkraft und „Infraschall“ aufhängt, lässt man den Mitbürgern ihre Eigenheiten.

Zumindest, bis vor drei Wochen die Fremden kamen. Auf Einladung W.s strömten aus ganz Österreich und Süddeutschland Menschen zu einem „Wiesenfest“ auf ihrem Grund. „Alles eigentlich ganz normale Leute, viele in teuren Autos, BMW, Honda, Mercedes.“

Ein, zwei Wochen lang ging das ohne gröbere Probleme gut. Die Leute, die OPPT und ähnlichen Ideologien anhingen – kleinster gemeinsamer Nenner war die „Freeman“-Idee, sich vom Staat lossagen zu können – verhielten sich friedlich. Nur der Lärm und der Verkehr, den die 200 Menschen verursachten, fielen im Dorf auf.

„Befreiung“ von Sachwalterin

Das sollte sich vergangene Woche ändern. Aus dem Bedürfnis heraus, die teils besachwalterte W. auf ihrem Weg zur „Freiheit“ zu unterstützen, organisierte die Gruppe ein „Gerichtsverfahren“ gegen die Sachwalterin, eine Anwältin aus Dobersberg. Der mutmaßliche Anführer der Gruppe, ein noch nicht identifizierter Englischsprachiger, der sich selbst als „Sheriff“ bezeichnete, überbrachte der Anwältin eine „Vorladung“ zur Gerichtsverhandlung am Montag – dabei soll er ein langes Messer im Gürtel getragen haben, was Auslöser für die Polizeiaktion am Montag war.

„Es war richtig unheimlich“, beschreibt eine Nachbarin die Situation. Während die Polizisten den Hof durchsuchten, sammelten sich auf der Straße davor immer mehr Unterstützer – am Ende standen 60 Polizisten fast doppelt so vielen Mitgliedern der Gruppe gegenüber.

Die Staatsanwaltschaft Krems ermittelt jetzt wegen versuchter schwerer Nötigung, beharrlicher Verfolgung und versuchter Anstiftung zum Amtsmissbrauch. Über den „Sheriff“ wurde U-Haft verhängt, W. in die psychiatrische Abteilung des Spitals Waidhofen eingewiesen. Die OPPT-Gruppe hat sich in der Folge zerstreut. Zurück in Hollenbach bleibt vorerst nur Unbehagen – und die Erkenntnis der Sektenbeobachter, dass Anhänger von OPPT noch nirgends zuvor in Europa zu so konkreten Taten bereit waren.

(c) Die Presse

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2014)

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