Ein Sommer aus Beton: Rein in die Stadt!

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Neun gute Gründe, nicht aufs Land zu fahren: Die Sommerfrische-Serie zeigt diesmal die hitzefesten Seiten der Landeshauptstädte und verrät, wo man abends am besten gemeinsam trinkt.

Warum wollen im Sommer alle raus? Und nicht rein? In die Stadt nämlich. Wenn es heiß wird, so lautet die Ferienregel, tauschen alle außer ausländischen Touristen den Beton gegen das Grün. Dabei gibt es österreichweit mindestens neun Gründe, die dagegen sprechen. Eine Anleitung für Urlaub in der Landeshauptstadt.

Bregenz: Seepromenade und mehr Platz für alle!

Arien interessieren hier niemanden. Was an der Bregenzer Festspielbühne interessiert, ist die letzte Bankreihe ganz oben, wo es sich unbeobachtet Alkopops trinken und die Touristen da unten beobachten lässt. Wie viele Vorarlberger Jugendliche ihre Sommer so verbracht haben, lässt sich kaum zählen, nur ein paar Wochen im Juli und August müssen sie die Tribüne räumen, denn da wollen die Erwachsenen „Nabucco“ hören. Oder Mozarts „Zauberflöte“, die heuer gegeben wird. Über deren Deko lässt sich streiten, genauso darüber, ob Bregenz samt Seepromenade im Sommer wirklich am schönsten ist. Wer das sagt, kennt die goldenen Herbste hier nicht.

Seit einigen Jahren befindet sich im Pavillon im See, ein paar Minuten von der Festspielbühne entfernt, eine kleine Bar. Früher haben hier die Punks die Namen anderer Punks ins Holz gekritzelt, heute serviert die freundliche Bedienung Aperol- und Lillet-Spritzer. Die Stadt hat keine Scheu, sich ständig neu zu erfinden. Und sie macht es in erwachsener Manier. Das vor einigen Jahren neu gestaltete Areal vor dem Festspielhaus ist ein offener Platz mit Stühlen, die man selbst platzieren kann – und die nachts niemand klaut, nicht einmal die Alkopop-Kids. Offen ist auch der neu gestaltete Platz rund um das Kornmarkttheater, eine Art Begegnungszone. Einen Espresso trinkt man im Theatercafé, und wer seine Leberkässemmel nicht gegenüber von der Metzgerei Rimmele holt, ist selbst schuld. duö

St. Pölten: Besser, als man glaubt

St. Pölten also – oder schreiben wir „Stinkpölten“ oder „Sankt Blöden an der Trottel“ oder, wie Julian Schutting, „Sangblöddner“? Sollen wir Hohn über die niederösterreichische Hauptstadt schütten, wie Jörg Mauthe in seinem Roman „Die große Hitze“? Nein, man macht sich nämlich vor allem dann über St.Pölten lustig, wenn man noch nie dort war. Denn so schlecht wie ihr Ruf ist die Stadt nicht. Eine derart schöne Altstadt muss man erst einmal finden, und die Fassade des Instituts der Englischen Fräulein ist ein Traum für alle Barockfans. In den Gassen der Fußgängerzone findet man die kleinen, typisch ländlichen Geschäfte, die einer Kleinstadt ein sympathisches Flair geben. Und nach dem Flanieren kann man auf dem weitläufigen Rathausplatz entspannen, oder etwas abseits im Musikcafé Egon.

Mit dem Frequency-Festival (von 13. bis 18.August) hat sich St.Pölten einen Platz im Herzen aller Indiemusiker gesichert. Ein Geheimtipp: das Festspielhaus. Ein gutes Programm – und es gibt, im Gegensatz zu Wien, fast immer Karten. rie

Innsbruck: Weltdorf mit internationalem Charme

Es heißt, Menschen, die in New York leben, können sich nicht vorstellen, dass es Menschen gibt, die nicht dort leben. Es mag übertrieben wirken, den Satz auf Innsbruck umzumünzen. Aber wer schon einmal im „Weltdorf“ – wie Einheimische ihre Stadt nennen – gelebt hat, weiß, wie schwer es ist, ihr den Rücken zu kehren. Dabei geht es beim „Lebensgefühl Innsbruck“ weniger um die Altstadt mit der historischen Häuserfassade von St.Nikolaus, die Villen in Saggen und Hötting oder die von Zaha Hadid konzipierte Bergiselschanze, die durch ihre Beleuchtung nachts fließend die Farbe ändert.

Es geht vielmehr um einen Besuch im Café Plaza auf dem Franziskanerplatz, bei dem man garantiert zumindest eine bekannte Person trifft. Es geht um einen Spaziergang auf die Hungerburg, die mit einem der schönsten Ausblicke der Welt auf die ganze Stadt belohnt wird, obwohl sie von oben aussieht wie ein kleines Bergdorf. Und es geht um eine Zechtour durch die berüchtigte Bogenmeile, die einem auf Jahre hinaus genug Stoff für Anekdoten liefert. Filmliebhabern sei derzeit das Open-Air-Kino im Zeughaus ans Herz gelegt, das noch (täglich) bis Ende August läuft. Und noch ein Tipp: das neu erschienene Buch „Tirol – hoch hinaus und tief verwurzelt“ von Journalistin Irene Heisz, die Tirol und Innsbruck kennt wie kaum eine andere. kb

Graz: Gelassen, ein bisschen cool

Als gelernte Wienerin staunt man immer wieder, wie lange man in Graz auf die Straßenbahn warten muss. Dabei wäre man zu Fuß oft schneller, denn Österreichs zweitgrößte Stadt ist ziemlich überschaubar. Das hat freilich Charme, italienischen, besonders auf dem populären Franziskanerplatz. Auch wenn sich in Graz – spätestens seit dem Kulturhauptstadtjahr 2003, das der Stadt Landmarks wie das Kunsthaus gebracht hat – viel getan hat, die Gelassenheit hat man sich bewahrt. Ein Ausflug auf den Schlossberg mit der Schlossbergbahn fühlt sich noch so an wie in den 1980ern. Nostalgiker spazieren – hier braucht man doch die Straßenbahn, den Einser – über den Hilmteich hinauf ins „Häuserl im Wald“.

Samstagvormittags trifft sich, was sich für wichtig hält, beim Frankowitsch auf ein Glas Prosecco und Aufstrichbrötchen. Jünger, urbaner ist Graz auf dem lange verpönten rechten Murufer. Am Grieskai liegen die besten Hotels (Weitzer, Wiesler). Viel gelobt ist das Vintage-Chic-Lokal „Blendend“.

Cooler wird Graz nicht mehr. Höchstens im Uni-Viertel, wo der legendäre Greißler Laufke in ein Bar-Restaurant umgewandelt wurde. Oder im Stadtpark: Dem alternativen Parkhousemacht die „Kombüse“ Konkurrenz. Graz trinkt übrigens noch Aperol-Spritzer. Dass die Stadt viel kann, hat man aber amtlich: Die „New York Times“ befand es kürzlich für spannender als Wien und Salzburg. Nicht nur wegen Lena Hoscheks Flagshipstore. mpm

Klagenfurt: Großer See, großer Gastgarten

Auswärtige wundern sich vielleicht: Bei Hitze ist die Stadt wie leer gefegt. Nicht, dass sich die bald 100.000 Klagenfurter gern verkriechen, im Gegenteil, der Hang zur Extrovertiertheit liegt über dem Bundesdurchschnitt. Man zeigt sich gern – derzeit halt am kommunalen Wasser: in Österreichs größtem Strandbad etwa, wo die Wahl des Liegeplatzes zur Imagesache wird. Oder am kleineren Strandbad in Maiernigg. Andere treffen sich in einem der Ruderklubs. Nur die wenigsten genießen das Privileg handtuchgroßen Eigentums am lokalen Ufer. Werden die Temperaturen moderater, kommt das Zentrum in Schwung. Der Alte Platz in der Fußgängerzone ist überhaupt zu einem großen Gastgarten zusammengewachsen. Am Neuen Platz schaut der Lindwurm hingegen mehr den Flaneuren nach, als dass er Cappuccino- und „Schleppe“-Bier-Trinkern Gesellschaft leistet. Auch wenn die Dichte der gestandenen Lokale drastisch abgenommen hat – verhungern muss keiner. Ein Tipp aus der Grundversorgungsecke: Samstags spielen die Standler auf dem Benediktinermarkt das volle Alpe-Adria-Programm. Danach gehen Traditionskärntner gern ins Gasthaus „Pumpe“. mad

Salzburg: Gewusel und Inseln der Ruhe

Zur Festspielzeit und Sommersaison teilt man Salzburg mit vielen. Umgekehrt wirkt die Barockstadt dann so international wie kaum eine zweite in unseren Breiten. Zudem gibt es sie dennoch, die Inseln der Ruhe. Sogar direkt beim Dom: Im Mai wurde das neue „Dom-Quartier“ eröffnet, Verbindungswege und Öffnungen zwischen den Prunkräumen der Residenz der Fürsterzbischöfe, der Residenzgalerie oder dem Dommuseum machen plötzlich ein Riesenareal zugänglich. Noch so ein stiller Ort: der Mönchsberg und sein modernes Museum. Und kleine Friedhöfe wie jener in St. Peter – sobald die geführten Gruppen weg sind. Dort um die Ecke gibt's den ersten Gastrotipp: den Stiftskeller St.Peter, das mit 1200 Jahren älteste Gasthaus Mitteleuropas. Etwas außerhalb der Altstadt den zweiten – einen Ort der Einheimischen, die die Adresse lieber für sich behielten: den Weiserhof mit gekiestem Gastgarten. Die Knödel und die Würste muss man probiert haben. mad

Eisenstadt, das Landeshauptdorf

Wer genug von Wien hat, ist in 45 Autominuten (mit dem Zug dauert es mangels Direktverbindung länger) im Kleinstädtischen oder Großdörflichen, je nachdem. Denn die burgenländische Landeshauptstadt ist in Wahrheit ein Landeshauptdorf mit Stadt-Attitüde. Aber ein sehr nettes. Wer Eisenstadt sagt, meint die Hauptstraße, die Ende der Achtzigerjahre zur Fußgängerzone ausgebaut wurde. Sie beginnt beim Kulturzentrum und zieht sich geradewegs, vorbei am Rathaus und an Cafés, hinauf zum Schloss Esterházy, das in seiner barocken Pracht erahnen lässt, wie das damals so war mit dem Fürsten. Die einstigen Hofstallungen wurden von den – in jeder Hinsicht – ambitionierten Verwaltern der Esterházy-Besitztümer insofern zweckentfremdet, als sie sie einem genuin burgenländischen Zweck zugeführt wurden: dem Wein. Von der Terrasse der Vinothek aus fällt der Blick auf ein bunt gemischtes Publikum. Wer öfter kommt, wird sie bald alle kennen: diejenigen, die etwas sein wollen. Und jene, die einfach nur da sein wollen. Bodenständiger ist – gleich in der Nähe– das Lokal namens Kredenz, das in einem Hinterhof liegt. Der Chef kocht selbst, mitten im Lokal, und ziemlich gut. Wandern kann man hier aber auch: ob im Schlosspark oder im Leithagebirge (Westösterreicher lachen an dieser Stelle immer). Der Weg zum Aussichtsturm lohnt sich. Von dort sieht man, was man geahnt hat: dass Eisenstadt überschaubar ist. Und, ja: schön. pri

Linz: Leberkäse, am besten auf den Dächern

Über viele Jahre hinweg gab es für Touristen nur einen triftigen Grund, in Linz zu stranden: Man war Deutscher und hatte sich bei der Berechnung der Etappen des (zufällig an Linz vorbeiführenden) Donauradwegs verrechnet. Ihr schlechtes Image wird die (ehemalige) Industriestadt so rasch nicht los, einen Besuch ist sie mittlerweile dennoch wert. Nicht etwa aus kulinarischen Gründen (gute Frühstückslokale wie in Graz oder Wien sind Mangelware), aber in kultureller Hinsicht. Neben dem in die Jahre gekommenen Zukunftsmuseum Ars Electronica Center, quasi der Dauerbrenner unter den Angeboten, und der Grottenbahn (nicht nur für Kinder!) hat mittlerweile auch das Lentos-Museum einiges zu bieten. Wirklich eine Reise wert ist der „Höhenrausch“: Zwischen allerlei Installationen, Kunstwerken und Spielgeräten wandeln die Besucher – bei guter Aussicht – auf den Dächern der Innenstadt. Geöffnet ist dieses Jahr noch bis Mitte Oktober.

Der wahre Geheimtipp ist freilich ein anderer: Wer nach Linz kommt, muss jedenfalls die fast legendären Leberkäsesemmeln vom Leberkas-Pepi (in Hauptplatznähe, einfach durchfragen!) probiert haben. Obwohl: Seit Pepi eine Dependance im Linzer Bahnhof eingerichtet hat, reicht dafür auch ein kurzer Zwischenstopp. chs

Wien: Die unprätentiöse Seite der Hauptstadt

Muss man über den Stephansdom schreiben, die Museen, den Naschmarkt, die Cafés? Über all das offensichtlich Einzigartige? Wozu? Vor lauter Touristen sieht man ohnehin nicht viel. Wer klassisches Wien will, hält sich besser an die Seitengassen des ersten Bezirks rund um den Juden- oder den Franziskanerplatz. Dort herrscht an Sonntagen die großartige, leer gefegte Stille, die nur der Stadtsommer zustande bringt. Wem das zu einsam ist, der kann natürlich auch kollektiv entspannen. Denn dort, wo Wien nicht Hauptstadt spielen muss, ist es sehr, nun ja, sehr normal. Ihren „casual look“ trägt die Stadt am absichtsvoll unfertigen Karlsplatz, wo man abends (Craft-)Bier aus der Flasche trinkt, oder in den steilen Heurigengassen in Stammersdorf, dort, wo der Stadtwanderweg 5 beginnt, oder im Eisenbahnerbad am Dampfschiffhaufen. Die berufsjugendliche Lokalmeile am Donaukanal beweist, dass Wien auch zur Hässlichkeit steht. Auch beim Essen reicht das Wesentliche (solange es chic aussieht): Brotlokale, wohin man schaut. Frühstücken Sie bei Joseph Brot (in der Landstraße), und tragen Sie dazu Birkenstockschuhe. Denn 2015 ist Wien mehr Berlin, als es je sein wollte. Oder sollte. uw

Tipps

Klagenfurt. Markttage Do und Sa, klagenfurt.at

Salzburg. Weiserhof, weiserhof.at

St. Pölten. Buch und Wein, Buchhandlung Böck, Unterwagramer Str. 47, 3100 St. Pölten

Graz. Den besten To-go-Kaffee der Stadt holt man sich im Tribeka, Grieskai 2

Innsbruck. Essen und trinken im zwölften Stock des Hotels Adlers, deradler.com

Bregenz. Melange im Café Sito, eine Leberkässemmel in der Metzgerei Rimmele

Linz. Wandeln auf
den Dächern, hoehenrausch.at

Eisenstadt. Essen in der Kredenz, kredenz.at

Wien. Nach ihr ist das vielleicht beste Buch über den Wiener Sommer benannt, die Strudlhofstiege im neunten Bezirk: hinfahren, hinsetzen

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2014)

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