Wien: Mächtige SP-Bezirke begehren auf

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Fünf sogenannte Flächenbezirke sind die Machtbasis von Wiens SPÖ. Sie entscheiden über die nächste Koalition und Häupls Nachfolger. Und sie sind unzufrieden - vor allem mit Rot-Grün.

Wien.Die Macht von Michael Häupl liegt entlang der Südosttangente. Angefangen von Liesing im Süden, über Favoriten, Simmering, Donaustadt bis nach Floridsdorf. An (oder im Umfeld) dieser 18 Kilometer langen Autobahn liegen die bevölkerungsreichsten Bezirke Wiens, die ein Machtfaktor im Gefüge der Wiener SPÖ sind. Rote Hochburgen, in denen fast 700.000 Menschen leben – also rund 40 Prozent der Wiener Bevölkerung. Und diese Flächenbezirke, die parteiintern „(Südost-)Tangente“ genannt werden, sichern der SPÖ das Bürgermeisteramt.

Vorbereitungen für Wien-Wahl

Mit dem Tod von Norbert Scheed, Bezirksvorsteher der Donaustadt und SP-Hoffnungsträger, sind die Flächenbezirke wieder in den Fokus gerückt. Auch, weil die Wien-Wahl 2015, die auf Juni vorverlegt werden könnte, ihre Schatten vorauswirft. Brisanter als das Wahlergebnis (die SPÖ ist von einer absoluten Mehrheit weit entfernt und wird einen Koalitionspartner brauchen) werden die Tage nach der Wahl: Koaliert die SPÖ wieder mit den Grünen? Wechselt sie zur ÖVP? Und: Wer wird Nachfolger von Michael Häupl, der zum letzten Mal antritt? Es werden Tage, in denen die Flächenbezirke ihren Anspruch stellen werden – wie aus diesen Kreisen zu hören ist. Die Ansprüche sind klar: Wechsel von den Grünen zur ÖVP, dazu eine Präsenz in der Stadtregierung, die den Machtverhältnissen entspricht.

Die Machtverhältnisse sind klar. Zumindest theoretisch. Durch ihre große Mitgliederzahl stellt die „Tangente“ bei Parteitagen etwa die Hälfte der Delegierten. Sie kann fast im Alleingang über Anträge, den nächsten Bürgermeister und eine Koalition entscheiden. Auch, weil die betreffenden Bezirke die meisten Wählerstimmen für die Wiener SPÖ abliefern. Nur: Dieser Einfluss spiegelt sich nicht in der Partei wider – was in diesen Bezirken für immer mehr Unmut sorgt.

Derzeit sind die Flächenbezirke nur mit Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (er kommt aus Floridsdorf) in der Stadtregierung vertreten, während z. B. Ottakring den Bürgermeister, die Wohnbaustadtrat und den Bildungsstadtrat stellt, der kleine SP-Bezirk Margareten die Finanz- sowie Integrationsstadträtin. Und nun hat die „Tangente“ mit dem Abgang von Christian Deutsch (SPÖ-Liesing) auch den einflussreichen Parteimanager-Posten verloren. Erklärt wird die aktuelle Machtverteilung in der SPÖ so: Möglichst viele Bezirke sollen berücksichtigt werden. Vor allem in jenen kleinen Gremien, in denen die wirklich wichtigen Entscheidungen getroffen werden. Denn innerparteilich würde es Gräben aufreißen, wenn fünf von 23 SP-Bezirken die gesamte Partei dominieren.

Nach der nächsten Wien-Wahl soll sich das ändern. Zumindest wenn es nach namhaften Vertretern der Flächenbezirke geht. Dort ist zu hören: Es gibt Verärgerung und Unzufriedenheit. Man wolle endlich mehr Einfluss, man wolle Vertreter an entscheidender Stelle – am besten im Bürgermeisteramt, wenn Häupl geht. Und: Man wolle die Koalition mit den Grünen beenden. Ein hochrangiger Vertreter der Flächenbezirke, der nicht namentlich genannt werden möchte, sagt enttäuscht zur „Presse“: „Ich habe für Rot-Grün gestimmt – weil die ÖVP unter Christine Marek in einem katastrophalen Zustand war.“ Nachsatz: „Es hat sich aber gezeigt, dass es unzählige Probleme mit den Grünen gibt. Ich würde heute sicher nicht mehr für Rot-Grün stimmen.“

Damit läuft das Match Flächenbezirke gegen die SP-Innenbezirke. Diese sind urban, pro Rot-Grün, die FPÖ spielt dort keine Rolle. Die SPÖ-Flächenbezirke dagegen müssen gegen die FPÖ kämpfen. Und sich bei Arbeitern an der Basis, die oft FPÖ-affin sind, regelmäßig für Aktionen der Grünen rechtfertigen (z. B. Neugestaltung der Mariahilfer Straße). Warum sich die SPÖ von den Grünen so vorführen lasse – das werde man oft gefragt, erzählt ein SP-Funktionär eines großen Bezirks: „Da wird oft gedroht, aus Verärgerung das nächste Mal überhaupt nicht zur Wahl zu gehen. Oder die FPÖ zu wählen.“ Dazu kommt: Gerade in den wachsenden Flächenbezirken wie der Donaustadt müssen zahlreiche neue Straßen gebaut werden. Das sorgt regelmäßig für Ärger mit den Grünen.

Der Druck wird also größer – die SPÖ-Führung wird der „Tangente“ nach der Wahl ein Angebot machen müssen. Außer, die Flächenbezirke schneiden 2015 schlecht ab. Dann kann Häupl unbeeinflusst von allen über eine Koalition und seine Nachfolge entscheiden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2014)

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