Studie: Wie (un)zufrieden Österreich ist

(c) Clemens Fabry
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Einer aktuellen Studie zufolge wurde das Ausmaß der Zufriedenheit bisher überschätzt. Dabei ist nur jeder fünfte Österreicher uneingeschränkt glücklich.

Wien. Geld allein macht nicht glücklich. Galt das Bruttoinlandsprodukt lange Zeit als Maß aller Dinge, steht es seit geraumer Zeit in der Kritik. „Das BIP sagt nichts darüber aus, wie gut oder schlecht es den Menschen wirklich geht“, sagt Ivo Ponocny, der an der Modul University Vienna neue Wege in der Bewertung der Zufriedenheit geht. Erste Ergebnisse seiner Studie zeigen ein trüberes Bild in Österreich, als ältere Studien vermuten ließen.

Bisher veröffentlichte Umfrageergebnisse zur Zufriedenheit sind oft trügerisch. Bei einer von der Statistik Austria durchgeführten Umfrage gaben 79 Prozent an, sehr zufrieden oder zufrieden in ihrem Leben zu sein. Die Antwortmöglichkeiten waren von 1 („sehr unzufrieden)“bis 6(„sehr zufrieden“) angegeben, wie es häufig bei solchen Umfragen der Fall ist. Bei der europäische Erhebung zur Lebensqualität im Jahr 2012 landete Österreich auf dem fünften Platz in Europa.

Interviews und Tagebücher

Laut den Ergebnissen der Wiener Studie kommen so hohe Werte jedoch durch die vorgegebenen Antwortmöglichkeit zustande und sind nur eingeschränkt beurteilbar. Personen zeigen in den Einstufungen, dass ihr Leben prinzipiell in Ordnung ist. Dabei werden jedoch negative Lebensbereiche ausgeklammert und nicht offen angeben. Selbst Menschen mit depressiven Symptomen geben nicht der Realität entsprechend niedrige Zufriedenheitswerte an, sondern eher neutrale. „Positive Zahlen dürfen daher nicht als ungetrübtes Glück fehlgedeutet werden“, so Studienleiter Ponocny.

Seit 2009 versucht auch die Europäische Kommission, diesem Problem zu begegnen und aus bestimmten Indikatoren, wie Lebenserwartung, Bildung oder auch Umwelt, auf die Lebensqualität zu schließen.

An der Modul University Vienna wurden im Rahmen der Untersuchung eben deshalb neben Fragebögen auch 550 Interviews geführt und 335 Tagebücher ausgewertet. Eine Methodik, die arbeits- und zeitaufwendig ist. Die Ergebnisse der Studie richten sich an öffentliche Behörden, um diese mit Informationen zu versorgen und gesetzte Maßnahmen zu überprüfen und adaptieren.

Die rund einstündigen Interviews beleuchteten die verschiedenen Lebensumstände der Befragten. Es zeigte sich eine Diskrepanz zwischen Fragebögen und Realität. Teilnehmer, die hohe Zufriedenheitswerte in den Fragebögen angaben, erzählten im Interview von sehr wohl belastenden Umständen. „Deshalb konnten bisher gemessene Daten häufig missinterpretiert werden“, erklärt Ponocny. Die neuen Daten durch die Auswertung der Interviews zeigen bei über einem Viertel Einschränkungen in mehreren zentralen Lebensbereichen.

Als belastend gelten beispielsweise Geldsorgen, fehlende Sozialkontakte, anhaltende Stressbelastung oder Unzufriedenheit mit sich selbst. Nur bei rund zwanzig Prozent waren keine Probleme in den Interviews erkennbar.

Trauer über verpasste Chancen

„Generell gesagt kennen im Allgemeinen Nichtraucher, Verheiratete und Menschen mit höherer Bildung am wenigsten Unzufriedenheit“, so Ponocny. Wobei ein hoher Bildungsgrad nicht automatisch zu mehr Glücklichsein führt. In den Interviews stellte Ivo Ponocny fest, dass „häufig Personen mit niedrigem Bildungsgrad einer verpassten Bildungschance nachtrauern und so schlechtere Werte erzielen“. Auch regionale Unterschiede konnten gezeigt werden. So werden in größeren Städten offensichtliche Aspekte wie Ausbildungseinrichtungen, das öffentliche Verkehrsangebot oder Kulturangebot als förderlich für die Zufriedenheit angegeben, während die Kinderbetreuung und Altenpflege in kleineren Städten besser abschneidet.

www.Details zur Studie:

www.modul.ac.at/about/departments/applied-statistics-and-economics/projects/

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2014)

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