Verhaftete Jihadisten: "Absicht, in den heiligen Krieg zu gehen"

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"Presse" exklusiv: Vor zwei Wochen wurden in Wien neun Personen unter Terrorverdacht in U-Haft genommen. Der mutmaßliche Organisator der Reisen in den Jihad packt nun aus: Er habe Tschetschenen Richtung Syrien gefahren.

Wien. Die Ereignisse überstürzen sich: Am Dienstag wurde der Jihadist Magomed Z. (29), ein Tschetschene, der zuletzt im Waldviertel lebte, in Krems in U-Haft genommen. Zwei Wochen zuvor wanderten - wie ausführlich berichtet - neun Personen (acht Männer, eine Frau) unter dringendem Terrorverdacht in Wien in U-Haft. Diese Gruppe war laut Verfassungsschutz mit zwei Autos am Weg nach Syrien gewesen, als sie von einem Einsatzkommando bei der Ausreise festgenommen wurde. Der „Presse" liegt nun die Aussage jenes Mannes vor, der als Drahtzieher der Reisen Richtung Syrien oder Richtung Irak gilt.

Es handelt sich um den 34-jährigen F., einen Österreicher türkischer Abstammung. Der Mann - er lebt mit seiner Familie seit 1988 in Österreich - gestand zu, Autofahrten nach Bulgarien und in die Türkei unternommen zu haben, wobei er tschetschenische Jihad-Kämpfer transportiert habe.

Sowohl F. als auch den anderen acht U-Häftlingen - deren U-Haft wird übrigens am Donnerstag und am Freitag (4. und 5. 9.) richterlich geprüft und gegebenenfalls verlängert - wird Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. F. erklärt nun, er habe immer wieder gebrauchte Autos von Österreich in die Türkei überstellt. Und dort Gewinn bringend weiterverkauft. Bei diesen Gelegenheiten habe er Tschetschenen mitgenommen und dafür jeweils ein Taschengeld kassiert. Pro Person habe er zwischen 100 und 300 Euro bekommen.

Über Istanbul nach Syrien

Über eine frühere Fahrt sagt er in seiner Vernehmung durch den Verfassungsschutz am 19. August - also kurz nach seiner Festnahme durch die Cobra: „Ich wusste, dass sich B., B. und M. nach Syrien begeben wollten. (...) Als die drei mit mir das erste Mal gesprochen haben, haben sie gesagt, dass sie mit mir nach Istanbul fahren möchten und von dort aus weiter nach Syrien in den heiligen Krieg gehen."

Bei dieser früheren Fahrt schafften es die Männer aber nicht, aus eigener Kraft von der Türkei nach Syrien zu gelangen. Sie kehrten zurück nach Österreich, versuchten es mit einem anderen Fahrer erneut. Diese Fahrt wurde von den Behörden an der österreichischen Grenze vereitelt - ebenso wie eine aktuelle, zeitgleiche Fahrt, die F. höchstpersönlich vornahm. Eine Fahrt, über die F. sagt: „Auch die Insassen des von mir gelenkten Fahrzeuges hatten definitiv die Absicht, sich nach Syrien in den bewaffneten Jihad zu begeben."

Nebengeschäft als Autohändler

Diese Angaben macht F. aber nicht von Anfang an. Zunächst redet der nach eigenen Angaben „praktizierende Moslem" in seiner Vernehmung durch Beamte des Wiener Landesamtes Verfassungsschutzes mehr von seinem Nebengeschäft als Autohändler: „Um mir ein Nebeneinkommen zu verschaffen, bringe ich aktuell Autos in die Türkei oder nach Bulgarien und verkaufe sie dort wieder. Die Sache ist jedoch nicht offiziell."

Stichwort Syrien. Ebendort wütet bekanntlich die Terrormiliz IS (Islamischer Staat). Danach gefragt erklärt F. den beiden vernehmenden Beamten des Staatsschutzes: „Auf Nachfrage, ob mir bewusst ist, dass der Islamische Staat eine terroristische Vereinigung ist, gebe ich an, dass ich das als Moslem anders sehe. Die meisten dort kämpfen gegen Bashar al-Assad und das halte ich für eine gute und richtige Sache. Ich kann es jedoch nicht mit ansehen, wenn einzelne Personen beginnen, den Leuten dort die Köpfe abzuhacken. Grundsätzlich möchte ich angeben, dass ich als Moslem die Dinge anders bewerte als Sie. Sie sehen vermutlich Assad nicht als Terroristen. Dafür ist für Sie Osama Bin-Laden ein Terrorist. Ich sagte schon, dass ich das anders sehe."

Dann muss F. auch noch erklären, warum er bei seinen Fahrten von den Mitreisenden verlangte, sie mögen ihre Mobiltelefone ausschalten bzw. verlangte, sie mögen auch Akkus und teilweise auch SIM-Karten herausnehmen: „Ich wollte das deswegen, weil man mir erzählt hat, dass man durch das Handy geortet werden kann. Weil diese Personen, welche mitgefahren sind in den heiligen Krieg weiterziehen wollten, habe ich nicht gewollt, dass man den Standort einer der Personen über das Handy ortet."

Jihad oder „Urlaub am Meer"?

F. belastet also die von ihm und dem anderen Fahrer transportierten Tschetschenen. Einer dieser Männer - auch seine Aussage liegt der „Presse" vor - bestreitet entschieden, in den Jihad gefahren zu sein. Er sei mit F. mitgefahren, um in Bulgarien auszusteigen und dort irgendwo „am Meer" Urlaub zu machen, sagt der 27-jährige Z, der zuletzt als anerkannter Flüchtling in Tirol gelebt hat. Und: „Ich wollte Richtung Meer. Die Ortschaft wäre mir egal gewesen." Für sämtliche Mitglieder der neunköpfigen Gruppe gilt die Unschuldsvermutung.

Ob sich der Terrorverdacht - etwa bei Z. - erhärtet, bleibt abzuwarten. Sein Anwalt Wolfgang Blaschitz erklärt der „Presse": „Die Aktenlage wirkt eher wie eine Karikatur des Jihad." Blaschitz erinnert an den derzeit laufenden Prozess gegen mutmaßliche Schlepper (aus deren Reihen stammen übrigens auch ehemalige Besetzer der Wiener Votivkirche). Auch in diesem Verfahren würden die Behörden die Gefahrenlage übertrieben darstellen. In der Tat blieb zuletzt von einer kolportierten „Schleppermafia" wenig über.

Wie nun die schon erwähnten Verhandlungen zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der seit zwei Wochen laufenden U-Haft für die Tschetschenen bzw. für F. ausgehen, bleibt abzuwarten.

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