Prognose: Weniger Pkw, mehr Fahrräder

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Eine Studie sagt den deutlichen Rückgang des Pkw-Verkehrs voraus. Profitieren soll vor allem der Rad-Verkehr.

Wien (awe). Wird der angekündigte Verkehrskollaps auf den Straßen doch nicht eintreten? Eine von mehreren Ministerien finanzierte und vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ) durchgeführte Untersuchung nimmt Untergangs-Propheten den Wind aus den Segeln. Auf Basis von Fakten wurde für die Zukunft eine Prognose erstellt, die den durch Kyoto-Ziele und Treibstoff-Preise in Verruf geratenen Pkw-Verkehr am absteigenden Ast sieht.

Beträgt dessen Anteil am privaten Verkehrsaufkommen heute fast 60 Prozent, könnte er im Jahr 2020 auf 48 Prozent sinken. Das wäre ein Rückgang um 20 Prozent.

Funktionieren soll dies durch ein Bündel von Maßnahmen. Laut VCÖ lassen – motiviert durch die hohen Treibstoff-Preise – bereits jetzt immer mehr Private das Auto stehen. Die gleichzeitige Förderung von Rad-Verkehr und öffentlichen Verkehrsmitteln verstärke den Trend zusätzlich.

Errechnet wurden die Verschiebungen im Mobilitätsverhalten (Experten nennen das Modal Split; siehe Grafik) an Hand bestehender Konzepte aus den Bundesländern, darunter Wien und Vorarlberg. Mittels vorliegender Zwischenergebnisse dieser Konzepte wurde ein theoretisch mögliches Zukunftsszenario für das Jahr 2020 extrapoliert.

Große regionale Unterschiede

In Städten ändert sich das Mobilitätsverhalten bereits. Trotz wachsender Wohnbevölkerung nahm der Pkw-Bestand in Wien erstmals ab („Die Presse“ berichtete am 3.April), fiel von 2006 auf 2007 um 670 Autos auf 657.430. Das klingt nach wenig, bedeutet aber eine Umkehr des jahrelangen Wachstums. Auf Bundesebene ließ das Bestandswachstum zumindest nach, liegt nach jährlichen Zuwachsraten von 100.000 und mehr derzeit bei 40.614 (Gesamt: 4,245.583). Der Trend ist auch auf der Straße zu bemerken. 2007 wurden am Wiener Gürtel täglich 2000 Kfz weniger registriert als in den Jahren zuvor.

Die Schwäche der Prognose ist, dass sie Entwicklungen auf regionaler Ebene nicht berücksichtigt. So wird der städtische Anteil des Rad-Verkehrs von 13 Prozent und mehr in inneralpinen Regionen auch in Zukunft gegen Null tendieren. Die Erschließung ländlicher Regionen mit öffentlichen Verkehrsmitteln wird aus Kostengründen niemals den Standard von Ballungsräumen erreichen.

VCÖ-Experte Martin Blum spricht aus, was die Politik kaum offen sagen wird. „Ja, es gibt Regionen, die vor dem Hintergrund des stetig teurer werdenden Individualverkehrs in Zukunft massive Mobilitätsprobleme bekommen werden. Menschen, die in solchen Regionen leben, müssen sich irgendwann die Frage stellen, ob es nicht besser wäre in die Nähe des Arbeitsplatzes umzuziehen.“

Ein Gesamtverkehrskonzept gibt es in Österreich (noch) nicht, aber: „Die Forderung danach entspricht meinen Vorhaben“, sagt Verkehrsminister Werner Faymann. Derzeit beschränkt sich das Ministerium jedoch auf in sich geschlossene Infrastruktur-Projekte, etwa den Ausbau der Bahn oder die Einrichtung einer Abteilung für den Rad-Verkehr.

Es gibt Untersuchungen, die den Prognosen von Politik und VCÖ mit Skepsis begegnen. Vergangene Woche wurde bekannt, dass trotz kräftiger Anhebung der Mineralölsteuer noch nie soviel Kraftstoff in Österreich verbrannt wurde wie 2007 – insgesamt 11,75 Mrd. Liter Benzin und Diesel. Eine Berechnung des Grazer Wegener-Zentrums hingegen ergab, dass die Pkw-Alternative Bahn extrem teuer ist. Einsparungen von 115.000 Tonnen CO2 verlangen jährliche Investitionen von 1,5 Mrd. Euro. Die Förderung des Rad-Verkehrs mit 72 Mio. brächte Einsparungen von 499.000 Tonnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2008)

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