Politikerjobs, die sich die Stadt Wien sparen könnte

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Nach der Aufregung um die Ernennung des Wiener Stadtschulratsvizepräsidenten wird die Abschaffung des machtlosen, aber gut bezahlten Jobs gefordert. Es ist nicht der einzige unsinnige Job für die Steuerzahler.

Maximilian Krauss hat es geschafft. Der 21-jährige Bursche löste eine heftige Diskussion über die Abschaffung von Versorgungsposten und des politischen Proporzes überhaupt aus. Gut, das war nicht unbedingt die Intention des schlagenden FPÖ-Burschenschafters, eigentlich wollte er genau das Gegenteil. Aber nun läuft die Diskussion über sinnlose bzw. machtlose, aber exzellent bezahlte Jobs im politischen Betrieb der Stadt Wien. Und diese Diskussion hat nun auch die Bundesebene erreicht: SPÖ-Klubchef Andreas Schieder und ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka rückten vor wenigen Tagen aus, um den Ländern Entgegenkommen zu signalisieren (für die Abschaffung einiger derartiger Posten ist ein Parlamentsbeschluss notwendig).

Angefangen hatte es recht harmlos. Die FPÖ nominierte Krauss, der über keinerlei pädagogische und wenig politische Erfahrung verfügt, für das Amt des Vizepräsidenten des Wiener Stadtschulrats. Und richtete das Bürgermeister Michael Häupl, der die Ernennung bestätigen muss, über die Medien aus. Häupl reagierte empört („Ich bin nicht der Kellner, der die Bestellungen der FPÖ aufnimmt“) und lehnte die Ernennung von Krauss ab, der durch Aussagen wie „Türkisches Blut zurück in die Türkei“, der Forderung nach Kastration von Kinderschändern und Klassen nur für Ausländer für Aufsehen gesorgt hat. Krauss sei für dieses Amt ungeeignet, die FPÖ müsse einen anderen Kandidaten vorschlagen, erklärte Häupl sinngemäß.

Das verweigert die FPÖ, die nun zum Verfassungsgerichtshof gehen will, um die Ernennung von Krauss durchzusetzen. Immerhin stehe der FPÖ dieser Posten als zweitstärkster Partei in Wien automatisch zu, man könne nominieren, wen man wolle, erklärte die FPÖ, die offiziell gegen den Proporz kämpft, nun aber auf die Einhaltung des Proporzes pocht und dafür beim Höchstgericht klagen will.

Machtloses Amt

Die rot-blauen Reibereien lenkten die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das bisher wenig bekannte Amt des Stadtschulratsvizepräsidenten. Ein völlig machtloses Amt, das mit 4400 Euro pro Monat aber gut bezahlt ist. Der Vizepräsident darf nicht (wie es der Titel suggeriert) die Präsidentin vertreten, er darf keine Repräsentationstermine wahrnehmen, er hat keinen Einfluss im Kollegium, er darf nichts entscheiden, er hat auch keine Anwesenheitspflicht, er darf nur ein paar Akten ansehen. Der einzige Grund, weshalb es diesen gut bezahlten Posten gibt: politischer Proporz. Womit der Ruf nach Abschaffung dieses Postens von (fast) allen Parteien laut wurde.

Vorarlberg und Tirol haben diesen Posten bereits abgeschafft, in Wien läuft die Diskussion. Walter Strobl, der acht Jahre lang ÖVP-Vizepräsident des Wiener Stadtschulrates war, meint trocken: „Als ich angetreten bin, habe ich gesagt: Diese Position gehört entweder abgeschafft oder aufgewertet. Und zu dem stehe ich heute noch.“ Während der Pädagoge Strobl zumindest mit Vorstößen auffiel (er hat mit der SPÖ die Wiener Mittelschule in die Wege geleitet), blieb die Existenz des bisherigen Vizepräsidenten Helmut Günther (FPÖ) selbst für politische Beobachter in den vergangen Jahren unerkannt.

Die Debatte um den machtlosen Vizepräsidenten des Stadtschulrats zieht nun immer weitere Kreise. Welche Positionen könnte man in Wien noch abschaffen? Welche sind in Sparzeiten nicht wirklich nötig? „Die Presse am Sonntag“ bringt einen Auszug ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Nicht amtsführende Stadträte

Über die Abschaffung der sogenannten nicht amtsführenden Stadträte, die von der Opposition gestellt werden, wird seit vielen Jahren diskutiert. Sie sind zwar formal Mitglieder der Stadtregierung, haben in der Praxis allerdings kein Ressort, keine Verantwortlichkeiten, also keinen echten Job. Das wird dafür mit rund 8300 Euro pro Monat abgegolten. Als Mitglieder des Stadtsenats (Bürgermeister samt allen Stadträten) bekommen sie allerdings Zugang zu wichtigen Informationen und Akten, sie besitzen daher gewisse Kontrollrechte.

Die Abschaffung dieser Posten wird immer wieder diskutiert (dazu braucht es einen Parlamentsbeschluss), SPÖ-Politiker und mittlerweile auch die Grünen sind dafür. Die Opposition will diesen Zugang zu dem innersten Kreis nicht ohne Gegenleistung aufgeben. Sie fordert als Kompensation den Ausbau der Kontrollrechte im Gemeinderat. In der derzeitigen Regierung stellt (basierend auf dem Wahlergebnis der vergangenen Wahl) die FPÖ drei Stadträte ohne Ressort (Eduard Schock, Veronika Matiasek und David Lasar), die ÖVP einen (Parteichef Manfred Juraczka).

Die Stadt leistet sich auch in anderen Bereichen eine luxuriöse personelle Ausstattung. Wien, das gleichzeitig Stadt und Bundesland ist, besitzt einen Landtag und einen Gemeinderat. Die Mandatare im Gemeinderat sind gleichzeitig die Mandatare im Landtag, sie beziehen nur ein Gehalt. An der Spitze sieht es aber anders aus. Landtagspräsident Harry Kopietz (SPÖ) wird in der Rangfolge von Johann Herzog (FPÖ) und danach von Marianne Klicka (SPÖ) vertreten, der Gemeinderatsvorsitzende Godwin Schuster (SPÖ) besitzt sogar drei Stellvertreter. Da die Spitzen von Landtag und Gemeinderat nicht wie deren Abgeordnete ident sind, existieren hier sieben statt drei Spitzenjobs mit entsprechenden Gehältern. Die Kritik der Opposition hält sich in Grenzen, sie profitiert davon ebenso wie die Regierung.

Vizebezirksvorsteher

Ganz ähnlich ist es auf Bezirksebene. In Wien gibt es 23 Bezirksvorsteher (rd. 10.000 Euro/Monat) mit jeweils zwei Stellvertretern. Die Arbeit als Vizebezirksvorsteher, die monatlich mit rund 4000 Euro vergütet wird, ist aber nicht tagesfüllend, wie in Bezirken zu hören ist. Das könnte erklären, warum beispielsweise Jessi Lintl (früher ÖVP, jetzt Team Stronach) neben ihrem Job als Nationalrätin (rd. 8000 Euro) noch genügend Zeit für ihren 4000-Euro-Zweitjob als Vizebezirksvorsteherin im ersten Bezirk hat – weshalb im Zuge der Wahlrechtsreform von Rot-Grün überlegt wird, den Posten des zweiten Vizebezirksvorstehers zu streichen. Immerhin überantwortet ein Bezirkschef wichtige Vertretungsaufgaben lieber an den Vize der eigenen Partei als an jenen der Opposition, dessen Arbeitsaufwand damit deutlich sinkt.

Eine Besonderheit zog 2010 mit der rot-grünen Koalition in Wien ein: die Flut an Sonderbeauftragten. Heute gibt es mehr als ein Dutzend davon. Der bekannteste ist der Radfahrbeauftragte, Martin Blum. Sein Job: PR und Events, um den Radverkehr in Wien zu fördern. Dafür standen ihm anfangs 900.000 Euro zur Verfügung, dazu 200.000 Euro für Gehälter. Im groß propagierten „Radjahr“ (2012) wurden weitere Millionen in PR, Feste und Bewusstseinsmaßnahmen investiert. Mit dem Effekt, dass der Radverkehr zurückging. Dass Blum auch falsche Radfahrerzahlen präsentierte, wodurch seine Arbeit besser dargestellt wurde, als sie war, sorgte für Ablöseforderungen seitens der Opposition.

Vor einiger Zeit wurde die Rad- zur Mobilitätsagentur aufgewertet – Fußgängerbeauftragte Petra Jens zog dort ein, was seinen Preis hatte. Teilweise bekommen Sonderbeauftragte der Stadt kein zusätzliches Gehalt, sie erledigten den zusätzlichen Job im Rahmen ihrer Arbeit – weil sie sowieso mit diesem Thema beschäftigt sind. So wurde z. B. der Chef der MA 65 (rechtliche Verkehrsangelegenheiten) auch Parkpickerlbeauftragter. Er befindet sich dabei in guter Gesellschaft mit dem Schulschwänzer-Beauftragten, der vom Stadtschulrat nominiert wurde.

220.000 Euro pro Berater und Jahr

Für den Grünen Alexander Van der Bellen wurde dagegen ein eigener Job geschaffen. Er wurde Beauftragter der Stadt Wien für Universitäten und Wissenschaft, also für eine Materie, für die nur der Bund beziehungsweise die Unis allein zuständig sind. Er verlangt ebenfalls kein zusätzliches Gehalt. Dennoch entstehen bei der Schaffung derartiger Jobs Kosten – für Experten, Büros und Assistenten.

Laut einer Berechnung der Wiener ÖVP sind dies 220.000 Euro pro Berater und Jahr. Beispielsweise verfügt Van der Bellen über ein Budget von rund 200.000 Euro pro Jahr – für einen Posten, der nur für ihn geschaffen wurde. Damit ist er in guter Gesellschaft mit dem ehemaligen Wiener Wirtschaftskammerchef Walter Nettig (ÖVP). Dieser wechselte nach seiner Kammer-Karriere ehrenamtlich als Außenwirtschaftsbeauftragter der Stadt in ein Hochhausbüro. Die Stadt bezahlte Miete und Spesen, bevor sich Nettig vor eineinhalb Jahren aus Altersgründen zurückzog.

Bezüge

Die Bezahlung von politischen Funktionären in Wien ist in dem Bezügegesetz des Bundes geregelt. Basis ist das Gehalt eines Nationalratsabgeordneten, das monatlich rund 8300 Euro beträgt.

Der Landeshauptmann bekommt 200 Prozent des Gehalts eines Nationalratsabgeordneten, seine Stellvertreter 190 Prozent, ein Stadtrat 180 Prozent, nicht amtsführende Stadträte 100 Prozent, der Präsident des Landtags 140 Prozent.

Bezirksvorsteher bekommen 117 Prozent, Stellvertreter 50 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2014)

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